Kreis Pinneberg. Im Tütenweg in Tornesch werden gelbe Säcke statt der umstrittenen Müllbehälter verteilt – wie in 100 weiteren Haushalten im Kreis.
Der Name der kleinen, bewaldeten Straße ist Programm: Tütenweg. „Darum heißt es er wohl so“, sagt Anwohnerin Sonja Frühling und muss selbst lachen. Denn bei ihr und den Nachbarn im Esinger Moor, am äußersten nordwestlichen Stadtrand von Tornesch, werden keine Mülltonnen entleert. Der Abfall muss in Tüten entsorgt werden, weil die kleine Straße, die eher ein asphaltierter Waldweg ist, zu eng für die großen Müllfahrzeuge ist – auch für Plastik- und Verpackungsmüll.
Deshalb wird es in diesem Gebiet keine Gelben Tonnen geben, die gerade kreisweit unter durchaus lautstarkem Protest an rund 65.000 Haushalte ausgeliefert werden.
100 Grundstücke sind betroffen
„Für diese Grundstücke wird auch künftig die Entsorgung von Verpackungen mit Gelben Säcken erfolgen müssen“, sagt Jens Ohde, Geschäftsführer der zuständigen Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB). Die Grundstückseigentümer erhielten die Gelben Säcke künftig von der GAB und würden direkt zugestellt. „Die Eigentümer dieser Grundstücke sind von uns separat angeschrieben worden“, erklärt Ohde.
Im ganzen Kreis seien von dieser Ausnahme gut 100 Grundstücke in Tornesch, Quickborn, Seestermühe, Klein Nordende, Raa Besenbek, Hasloh und Klein Offenseth-Sparrieshoop betroffen. Allein im Esinger Moor gilt dies außer für den Tütenweg noch für die Bewohner am Kanaldamm, Voßberg, Marschdamm und Surdeweg.
Ehepaar ist uneins über Tütennutzung
Bei Jens Frühling im Tütenweg ist diese Information von der GAB allerdings noch nicht angekommen. Seit 40 Jahren lebt er am Waldrand und muss den Restmüll wie auch die Verpackungsabfälle in blauen und gelben Tüten entsorgen. Alle zwei Wochen holt ein kleiner Pritschenwagen von der GAB die Säcke ab. In der schmalen und engen Straße könne nur dieses Fahrzeug leicht wenden.
Ihn stört das Tütensystem nicht, sagt er. „Das ist kein Problem. Es ist nur blöd, wenn die Tüten von wilden Tieren angefressen und aufgerissen werden.“ Ehefrau Imke Frühling sieht das etwas anders. „Mülltonnen wären doch viel hygienischer“, sagt sie. „Die Mülltüten sind total nervig. Ich finde es völlig unmöglich, den Müll weiterhin in Plastiksäcken entsorgen zu müssen.“
Um die Tüten zumindest zwischen den Abfuhrterminen einigermaßen sicher und trocken zu lagern, hätten sie sich auf eigene Kosten Regentonnen angeschafft. „Eine völlig unnötige Plastikverschwendung“, nennt die Tornescherin die Tütenpraxis.
Wege und Straßen sind zu schmal
Doch für sie wie auch die anderen rund 100 betroffenen Haushalte in den genannten Kommunen des Kreises wird sich vorerst nichts ändern. Sie leben nach Angaben der Kreisverwaltung in Straßen und Wegen, die mit großen Müllfahrzeugen nicht angefahren werden könnten, weil sie wie der Tütenweg in Tornesch mit seinen etwa zwei Metern zum Teil erheblich schmaler als 3,30 Meter breit seien. Wendemöglichkeiten fehlten, die Straßennutzlast könne das Gewicht der schweren Fahrzeuge nicht tragen. Mancherorts ließe auch schlicht der Zustand der Straßen und Wege dies nicht zu. „Ein gefahrloses Befahren mit System-Müllfahrzeugen ist dort nicht möglich oder verboten“, heißt es dazu aus der Kreisverwaltung.
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Die meisten der betroffenen Anlieger haben sich damit arrangiert. Julian Eßler, der im Tütenweg eine Werkstatt betreibt, gehört dazu. „Ich kann nachvollziehen, dass es sich hier für einen 40-Tonnen-Lkw nicht lohnt, die fünf Häuser in 500 Metern Waldweg anzufahren.“
Kompromiss: Kostenlose Tonnen
Anwohner Marcus Wübbe aus Tornesch ist zumindest gelungen, einen Kompromiss bei der GAB für die Entsorgung des Verpackungsmülls zu erreichen. „Wir bekommen wenigstens die Tonnen, um die Säcke ungeziefer- und rissfrei lagern zu können.“ Das dürfte auch für Anliegerin Imke Frühling ein Ausweg sein. Diese Lösung dauert aber wohl noch einige Wochen.
Wübbe ärgert sich über diese „Diskriminierung“, bei der Abfallentsorgung zur „Tütentour“ zu gehören. Er bezweifelt die Sicherheitsbedenken der Verwaltung. Landwirten mit großen Traktoren und sogar Sattelschleppern gelänge es dort ja auch, die Fahrzeuge zu rangieren. „Hier ist ausschließlich die Kostenseite ausschlaggebend“, glaubt Wübbe. „Möglich wäre die Abholung der Tonnen nämlich durchaus, nur müssten die Fahrzeuge etwas länger drehen und das kostet wohl zu viel Zeit.“