Pinneberg/Münster. Dreieinhalb Monate nach Leichenfund in Appen: Holmer (52) soll aus Habgier getötet haben. Er sitzt in Münster in U-Haft und schweigt.
Das Motiv soll Habgier gewesen sein: Im vielleicht spektakulärsten Kriminalfall des Jahres aus dem Kreis Pinneberg ist nun Anklage gegen den mutmaßlichen Tantenmörder von Appen erhoben worden. Dem 52 Jahre alten Mann aus Holm wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, am 2. August seine Tante in ihrer Wohnung in Münster nach einem Streit um Geld getötet zu haben. Danach soll er mit der Leiche im Kofferraum knapp 300 Kilometer bis nach Appen gefahren sein, um sie dort nahe einem Teich abzulegen.
Der Leichnam der 68 Jahre alten Frau wurde erst einen Monat nach der Tat von einer Spaziergängerin in „unzugänglichem Gelände“ in der Nähe des Appener Karpfenteichs gefunden. Fünf Tage später, nach intensiver Ermittlungsarbeit der Polizei, hatte eine Spezialeinheit den Tatverdächtigen unweit des Fundorts in seiner Doppelhaushälfte festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft in Münster. Bisher habe er nur den Besuch bei seiner Tante eingeräumt, zu den Tatvorwürfen schweigt er bis heute.
In der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft Münster dem Neffen nicht Totschlag, sondern Mord vor. Denn das Motiv sei nach Ergebnis der Ermittlungen Habgier gewesen. Laut Anklage hatte der Angeschuldigte ein zuvor von seiner Tante gewährtes Darlehen über einen fünfstelligen Geldbetrag nicht zum vereinbarten Termin (31. Juli) zurückgezahlt. Bei dem Besuch im August soll es deswegen zu einer Auseinandersetzung gekommen sein, in deren Verlauf der Mann die Seniorin durch „massive stumpfe Gewalt gegen den Hals“ getötet haben soll.
Im Anschluss, so ist der Anklage zu entnehmen, soll der Mann den Leichnam seiner Tante ins Auto geladen haben, um ihn nach einer stundenlangen Autofahrt in der Nähe seines Wohnortes abzulegen. Mit der Tat, so der Vorwurf der Anklageschrift, wollte der Beschuldigte seiner Rückzahlungsverpflichtung entgehen. Deshalb werde ihm ein niederes Motiv für die Tat zur Last gelegt. In diesem Fall Gier – ein klassisches Mordmerkmal.
Während in Münster gesucht wurde, lag die Leiche in Appen
Der Neffe, dessen Identität dem Abendblatt bekannt ist, ist Familienvater. Er hat einen Sohn und eine Frau, arbeitete als Wirtschaftsinformatiker. Er wohnte bis zu seiner Festnahme in einer beschaulichen Sackgasse mit Zweifamilienhäusern und mehrstöckigen Wohngebäuden in Holm. Dort berichteten Anfang September Nachbarn von dem morgendlichen Polizeieinsatz. Die acht Mann starke Sondereinheit habe nicht lange gebraucht, um den 52 Jahren alten Tatverdächtigen abzuführen. Er wurde umgehend nach Münster gebracht, um dort verhört zu werden.
Ein Nachbar sagte auch, er habe wenig Kontakt mit dem Tatverdächtigen gehabt, dieser habe auf der Straße im Gegensatz zu seiner Familie selten bis gar nicht gegrüßt und immer etwas „komisch“ gewirkt. Der Tatverdächtige ist sportlich, hat in einem Verein auch Kampfsport-Trainingseinheiten gegeben, offenbar hatte sich die Polizei deshalb entschieden, eine Sondereinheit zur Festnahme zu schicken.
Seine Tante, die 68 Jahre alte Agnes Elisabeth M., lebte im Stadtteil Münster-Kinderhaus. Das Opfer war dort seit dem 2. August vermisst gemeldet. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hatte nach dem Verschwinden sogar mit der Unterstützung eines Hubschraubers nach der Frau gesucht. Noch zwei Wochen nach der Vermisstenmeldung machten Angehörige vor Ort per Aushängen auf die verschwundene „Mutter und Oma“ Agnes Elisabeth M. aufmerksam. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Frau schon mehr als 14 Tage tot.
Nach dem Fund der Leiche war tagelang über die Identität der Toten gerätselt worden. Zunächst hatte die Polizei keine Angaben zur Herkunft, zum Todeszeitpunkt oder zur genauen Todesursache gemacht, denn im Hintergrund ermittelten die Behörden in mindestens zwei Bundesländern, um die Puzzleteile dieses Verbrechens zusammenzusetzen.
Erst bei einer in der Hamburger Rechtsmedizin durchgeführten Obduktion wurde zweifelsfrei festgestellt, dass es sich um die vermisste 68-Jährige aus Münster handelt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft lag der Tatort in Münster. Über die exakte Tatzeit konnte allerdings auch die Obduktion keine Aufschlüsse mehr geben. Bei den Ermittlungen war schnell der Neffe ins Visier der Mordkommission geraten.
Über die Zulassung der nun erhobenen Anklage entscheidet nun das Landgericht Münster. Ob und wann der Prozess gegen den mutmaßlichen Tantenmörder startet, ist noch ungewiss.