Pinneberg. Michael Isensee ist von Beruf Brotprüfer. Nun hat er mit all seinen Sinnen das Weihnachtsgebäck in Pinneberg kontrolliert.

Mit einem zufriedenen Nicken schneidet Brotprüfer Michael Isensee den Nuss-Stollen auf. Er trennt das Innere von der Kruste ab und probiert. „Sehr lecker, gut gewürzt. Die perfekte Mischung an Zimt, mehr hätte es nicht sein dürfen.“ Es ist bereits das 13. Stück Stollen an diesem Tag – mindestens sieben weitere folgen noch.

Bücherwurm in Pinneberg, der Stollentester ist da, wieder mal. Seit 30 Jahren ist Michael Isensee nun als Brotprüfer tätig und hat viel Freude an seinem Beruf. „Man sieht mir natürlich nicht an, wie lange ich diesen Beruf schon ausübe. Es macht einfach Spaß.“ Fünf Bäckerrein aus dem Kreis Pinneberg haben sich freiwillig zur Stollenprüfung angemeldet. Die Betriebe Dwenger, Millahn, Kolls, Münster und Sass stellen ihre Stollen zur Kostprobe bereit.

Vor dem Bücherwurm verkaufen Auszubildende der Berufsschule Elmshorn die Stollen, gern darf auch vorher probiert werden. Der Erlös des Verkaufs wird für einen guten Zweck gespendet, wie jedes Jahr. Mit Unterstützung Niklas Dwengers, der in Vertretung seines Vaters Jörn Dwenger anwesend ist, prüft Isensee Stollen für Stollen. „Einen Stollen zu backen ist die Königsdisziplin unter den Bäckern. Da gehört schon Können dazu“, sagt Dwenger.

Prüfer beurteilt nach sechs Kriterien

Sechs Kriterien muss der unabhängige Brotprüfer dabei beachten, die sich an den Richtlinien der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) orientieren: Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, Geruch und Aroma. „Eigentlich ist das sechste Kriterium der Geschmack. Aber für mich ist es das Aroma. Denn wie soll ich den Geschmack beurteilen, wenn ich zum Beispiel keine Rosinen mag“, sagt Isensee. Wenn der Stollen perfekt gelungen ist, bekommt er die Auszeichnung “Sehr gut“. „Erhält der Stollen diese Auszeichnung drei Jahre in Folge, so erlangt er den Goldstatus. Das ist natürlich das Ziel unserer Bäcker“, sagt Dwenger. Zwischendurch nimmt Isensee immer wieder einen Schluck von seinem lauwarmen Tee, um seine Geschmacksknospen zu neutralisieren. „Auf gar keinen Fall rauchen, das verdirbt den Geschmack des Stollens sofort“, sagt Dwenger.

Cranberry-, Nuss-, Orangen-, Mandel-, Mohn-, und Butterstollen stehen in diesem Jahr auf der Probierliste. Der Favorit unter den Stollen im Norden ist jedoch der Butter-Mandel-Stollen. „Das Kurioseste, was mir je untergekommen ist, war ein herzhafter Stollen. Mit Mettwurst als Füllung“, sagt Isensee und lacht. Gleich dreimal musste der Bäckermeister diesen Stollen nachbacken, da die Nachfrage so groß war.

In Pinneberg gab es auch schon mal Himbeer-Stollen

Lange hielten sich solche extravaganten Sorten jedoch nicht. „In den letzten Jahren hatten wir auch mal Himbeer- oder Pistazienstollen“, sagt Dwenger. Es sei wichtig, der Kundschaft auch mal etwas Neues zu präsentieren und aufzuzeigen, dass man als Bäcker auch kreativ unterwegs sein kann.

„Viele junge Leute mögen heutzutage keine Rosinen mehr. Ich verstehe es zwar nicht, aber es ist nun mal so“, sagt Isensee. Aus diesem Grund komme insbesondere der Cranberry-Stollen gut bei der jungen Generation an. Laut Isensee ist die Vielfalt an Sorten im Norden viel größer als in Sachsen, der Stollenhochburg. „In Sachsen kennen sie nur einen Stollen, den Christstollen. Was anderes kennen und backen die Sachsen nicht.“

Wer zu Hause den Christstollen backen möchte, darf auf folgende Zutaten auf keinen Fall verzichten: Butter, Weizenmehl, Milch, Zucker, Hefe und Salz. Nach Bedarf auch gern Marzipan und Zitronenabrieb. „Auf gar keinen Fall sollte man mit zu vielen Gewürzen arbeiten. Die Butter hat so ein feines Aroma. Das reicht für einen guten Christstollen“, sagt Isensee. Wer den klassischen Christstollen mit Rosinen backen möchte, sollte darauf achten, helle Rosinen zu verwenden. Laut Isensee sind die hellen Rosinen schön fruchtig. Dunkle Rosinen hingegen seien bitter und würden den Stollen ruinieren.

96 Grad Celsius – und der Stollen wird nicht zu braun

„Der häufigste Fehler ist das zu lange Backen des Stollens“, sagt Isensee. Ein einfaches Bratenthermometer reiche aus, um die perfekte Gradzahl zu erreichen. „Einfach bei 96 Grad backen und rechtzeitig rausnehmen. Wenn er eine schöne gold-gelbe Kruste hat, dann ist er perfekt. Wir wollen keine Bräune, die nach Reh schreit“, sagt Isensee. Beachtet werden muss auch, dass der Stollen ruhen muss. Denn nur dann entfalteten sich die Aromen am besten. „Einfach bei Zimmertemperatur für eine Woche in eine kühle Schublade legen“, sagt Bäcker Dwenger.

Am Mittwoch, 13. November, kann auf der Internetseite www.brotinstitut.de eingesehen werden, wie die Ergebnisse der Stollenprüfung ausgefallen sind. Möge der beste Stollen gewinnen.