Pinneberg. Anwalt im Auftrag einer Steakhaus-Kette von der Insel fordert Benjamin Gadow auf, seine Marke zu löschen. Alles Miller, oder was?
Benjamin Gadow ist Gastronom. Der 35-Jährige betreibt eine kleine Kneipe in Pinneberg. Und er will mehr, hat dafür investiert. In einer Stadt, die nach neuen Bistros und Gasthäusern lechzt. Was Gadow, der den früheren „Marktgraf“ an der Friedrich-Ebert-Straße als „Frau Miller“ neu eröffnen will, allerdings dieser Tage erlebt, haut ihn ganz schön aus den Socken. Denn eine britische Restaurantkette versucht, seine Pläne zu durchkreuzen. Und ihm den Namen für sein kleines Restaurant streitig zu machen. Einen Namen, der aus einem deutschen Literaturklassiker entlehnt ist, wie Gadow beteuert.
Ihren Anfang nimmt die Geschichte im August. Gadow staunt nicht schlecht, als ihm das Anwaltsschreiben ins Haus flattert. Darin wird er aufgefordert, seine Marke zu löschen. Und somit sein Konzept über den Haufen und hängende Werbeschilder auf den Müll zu werfen. Gadow hat den Fall nach reiflicher Überlegung jetzt öffentlich gemacht, den Brief einer Kanzlei aus München in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Was als vertraulich angesehen werden könnte, hat er geschwärzt.
Kette betreibt mehr als 100 Steakhäuser
Den Namen der Kette, in deren Name die Anwälte handeln, nennt er ganz bewusst nicht. Es ist allerdings kein Hexenwerk, ihn im Internet herauszufinden. Eben dort dürften Anwälte des britischen Unternehmens, das jenseits des Ärmelkanals mehr als 100 Steakhäuser betreibt, auch auf „Frau Miller“ gestoßen sein.
„Ich verstehe ein wenig von Optimierung für Suchmaschinen, mag sein, dass sie das aufgeschreckt hat“, sagt der Pinneberger. „Aber so ein großes Unternehmen kann sich eine riesige Marketing-Abteilung leisten.“ Von Namensklau könne jedenfalls keine Rede sein. „Ich kannte die überhaupt nicht.“
Dass ein britischer Restaurant-Konzern einer kleinen Gaststätte im Hamburger Umland in die Parade fährt, findet nicht nur er bemerkenswert. Auch auf der Facebookseite von „Frau Miller“ wird Unverständnis laut. Zumal das britische Unternehmen gerade erst sein erstes deutsches Steakhaus eröffnet hat. Und zwar ziemlich weit von Pinneberg entfernt. In Frankfurt am Main.
Apropos Frankfurt. In der Metropole am Main steht ein Denkmal, das an den Dichter Friedrich Schiller erinnert. Aus dessen Feder stammt die literarische Figur der „Frau Miller“, die im Drama „Kabale und Liebe“ auftaucht. Die diente angeblich als Vorbild für das kleine Restaurant, das der ehemalige „Marktgraf“ künftig beherbergen soll. „Das Buch hat doch in der Schule so ziemlich jeder gelesen“, sagt Gadow, in dessen fast fertig eingerichtetem Restaurant am Marktplatz es einen Lesetisch mit Exemplaren des Klassikers gibt.
In Hamburg gab’s einen vergleichbaren Fall
In Hamburg gab es jüngst einen vergleichbaren Fall. Der Versandhaus-Konzern Otto war juristisch gegen „Otto’s Burger“ vorgegangen. Das Gericht sah letztlich keine Verwechslungsgefahr bei den Marken. Zuvor hatte der Zoff zu einem Schulterschluss der Hamburger Griller geführt. Konkurrenten unterstützen „Otto’s Burger“ sogar mit einer Spendenaktion. Solidarität unter Gastronomen, die sich auch in Pinneberg andeutet. So gibt es via Facebook Zuspruch von den Betreibern des gerade erst eröffneten Restaurants „Opposti“.
Seit zwei Tagen liegt Gadow ein Vergleichsangebot vor. Würde er sich darauf einlassen, erklärte sich er sich zu Zugeständnissen bereit. So würde er sich unter anderem dazu verpflichten, den Namen „Frau Miller“ nur in der Stadt Pinneberg zu nutzen und nirgendwo anders unter diesem Namen Gastronomie zu betreiben. Gadow hat sich mit seinem Anwalt beraten. Und entschieden, sich nicht auf den Vergleich einzulassen, weil er sich im Recht fühlt. Dass Richter entscheiden, ein kleines Restaurant mit dem Namen einer Figur aus der deutschen Literaturgeschichte könne mit einer großen Steakhouse-Kette von der britischen Insel verwechselt werden, glaubt er nicht.
Und so werden Benjamin Gadow und seine Freundin Madeleine Winkler das Risiko der Eröffnung eingehen. Im November wird im Ex-„Marktgraf“ erstmals aufgetischt. Bei „Frau Miller“. Die Karte des kleinen Restaurants setzt übrigens auf Bauernbrot-Stullen, Pinneberger Pannfisch und Flammkuchen. Mit einem Steakhouse sei das sicher nicht zu verwechseln, so Gadow.
Immobilie hatte länger leer gestanden
Zuletzt hatte das kleine Häuschen an der Friedrich-Ebert-Straße länger leer gestanden. Es war sogar von Abriss die Rede gewesen. Bis Gadow, der im Quellental bereits die „Begas.Bar“ betreibt, auf die Idee kam, sich mit Freundin Madeleine Winkler den lang gehegten Traum vom eigenen Restaurant zu erfüllen. Der Name schwebte ihm schon seit Jahren im Kopf herum. „Wir haben uns bei Facebook sogar schon 2013 eine entsprechende Adresse gesichert, das ist alles nachzuvollziehen, sagt der Gastronom.