Haseldorf. Landgasthof, Café und Läden schließen vorerst. Die Immobilien gehören allesamt dem Ehepaar von Schoenaich-Carolath-Schilden.
Die kleinen, feinen Adressen, die Haseldorf hinterm Deich zu einem wunderschönen Ausflugsziel und zum Geheimtipp gemacht haben, befinden sich unmittelbar vor der Auflösung: Die Mühle an der Hauptstraße ist bereits zusammengebrochen, zwei Gasthöfe machen dicht, und aus dem Landhaus Holst, seit Jahrzehnten Geheimtipp für Freunde geschmackvoller, hochwertiger Einrichtungen und Accessoires, hat sich die Pächterin zurückgezogen. „Es ist eine riesige Tragödie“, sagt der Haseldorfer Bürgermeister Klaus-Dieter Sellmann dazu. Der Gemeinde sei es sehr wichtig, dass wenigstens der Haseldorfer Hof wieder betrieben werde: „Wir geben uns die äußerste Mühe, dass es da weitergeht“, sagt Sellmann.
Die Servicekräfte in dem beliebten, außen gelb gestrichenen Gasthof haben den Tresen im Restaurant wie gewohnt blank gewienert, und auf den Tischen im rustikalen Landhausstil sind die jagdgrünen Servietten auf Kante aufgestellt. Noch steht das Schild „Geöffnet“ draußen vor der Tür, noch werden hier Strammer Max, Bauernfrühstück, Labskaus oder eine sehr leckere Apfel-Curry-Suppe serviert. Es ist zwar nicht mehr viel los drinnen, aber die Kellnerinnen halten die Stellung, und auch der Koch steckt kurz den Kopf in die Gaststube. Ende Oktober sei Schluss, „mehr können wir auch nicht sagen“, schnaufen sie. Die Immobilie gehört Jacqueline Prinzessin von Schoenaich-Carolath-Schilden, ihr Mann, der Prinz, war Geschäftsführer.
Landhaus Holst schließt Ende Dezember
Wenige Schritte entfernt steht das noble Landhaus Holst an der Hauptstraße. Rote Fensterrahmen, grüne Markisen, Backsteinfassade. Freundlich und einladend wirkt es, eine Rose reckt die letzten Blüten in die Herbstluft, vor der Tür wacht eine steinerne Dogge. Drinnen finden Liebhaber schöner Dinge hochwertiges Kunstgewerbe aus Frankreich und Italien, Skandinavien und Litauen. Üppige seidene Papageientulpen, versilberte Vögel, nostalgisches Porzellan, Duftkerzen aus der Provence. Bis jetzt. Ende Dezember soll Schluss sein, sagen Passanten.
Drinnen ist leider überhaupt keine Auskunft zu bekommen, die dortige Mitarbeiterin verweist an Udo Prinz von Schoenaich-Carolath-Schilden, dem die Immobilien gehört. Seine Frau Jacqueline Prinzessin von Schoenaich-Carolath-Schilden hatte vor fünf Jahren das Geschäft von dessen Gründerin Gisela Holst übernommen und mit Liebe und gutem Geschmack fortgeführt. Jetzt hat sie aufgegeben und in dieser Zeitung eine Anzeige geschaltet, in der sie sich von ihrer Kundschaft verabschiedet.
Prinz selbst bewohnt das Herrenhaus mit Lindenalleen
Dem adligen Hausbesitzer gehört auch das verfallene, denkmalgeschützte Fachwerkhaus gegenüber dem Haseldorfer Hof und das weiße Gebäude am Marktplatz, das ebenfalls in keinem guten Zustand ist. Ja, derzeit verfällt so einiges im schönen Haseldorf. Der Prinz selbst bewohnt das Herrenhaus mit Lindenalleen, das seit mehr als 100 Jahren im Familienbesitz ist. Auffallend im Ort ist eine Mauer des Schweigens.
In Krohn’s Backstube nebenan sind die Damen ebenfalls sehr zurückhaltend mit Auskünften. Dass jetzt so viel in Haseldorf kaputtgehe – „das ist die traurige Wahrheit“, sagt die Frau hinterm Tresen. Und: „Man hofft ja noch.“ Ob es noch Chancen auf eine Rettung gibt?
Auch aus dem Deichhof ziehen die Betreiber aus
Erschwerend kommt hinzu, dass der Haseldorfer Hof und das Landhaus Holst nicht die einzigen Sorgenkinder des Ortes sind. Auch aus dem Deichhof ziehen die langjährigen Betreiber gerade aus. Das reetgedeckte Bauernhaus, in dessen riesiger Tenne Bauernmöbel und andere Antiquitäten verkauft wurden und an dessen anderem Ende Klaus Rebattu am Wochenende das Café Brotzeit betrieben hat, gehört der Prinzessin. Rebattu und die ältere Dame, die im „Kleinen Antik- und Trödelstall“ auf dem Grundstück Tischwäsche, Silber, Leuchter und antikes Geschirr verkaufte, wurde gekündigt. „Wir hören Ende des Monats auf“, bestätigt Rebattu. „Ich habe das hier lange genug gemacht. Für mich ist das jetzt der richtige Zeitpunkt zum Aufhören und um etwas Neues anzufangen. Schade ist es trotzdem.“
Seine Brotzeit war legendär, der Kuchen selbst gebacken, die Möbel in der schlichten Stube aus dem Biedermeier. In der Tat: Sehr schade, dass auch dieses Café schließt und das 400 Jahre alte Bauernhaus einer ungewissen Zukunft entgegengeht.
Inwieweit die traurige Entwicklung Haseldorfs mit der angeblichen Trennung des Ehepaars von Schoenaich-Carolath-Schilden zusammenhängt, wie die „Bild“-Zeitung berichtet hatte, ist unklar. Diese titelte in ihrer Dienstag-Ausgabe: „Prinzen-Trennung lässt Dorf sterben“. Ein Anruf beim Prinzen ergab ein Dementi: „Das ist völlig falsch, was da geschrieben wurde.“ Mehr wolle er dazu nicht sagen.