Quickborn. Förderverein und Stiftung Naturschutz bringen 1664 Setzlinge einer Pflanze in den torfigen Boden, die heute nur noch sehr selten ist.

Es ist eine ungewöhnliche Fuhre, die das Ehepaar Franziska und Dan Zelck von der Torfbahn AG am Dienstagmittag bei Dauerregen mit der Lorenbahn ins Quickborner Himmelmoor kutschiert: Dutzende Körbe von Pflanzensetzlingen und etwa 25 Helfer in Regenzeug und Gummistiefeln raus ins Gelände, um die erste gemeinsame Pflanzaktion der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein mit dem Förderverein Himmelmoor in der freien Natur starten zu können.

Insgesamt 1664 junge Exemplare des „gewöhnlichen Teufelsabbisses“ werden wenig später mit vereinten Kräften in den torfigen Boden gepflanzt. „Himmel und Hölle auf Erden“ nennt Projektleiter Christian Dolnik von der Stiftung Naturschutz diese landschaftspflegerische Aktion, die den Teufelsabbiss in großer Zahl wieder zurück ins Himmelmoor bringen soll.

Moor ist nach 150-jährigem Torfabbau zu trocken

Mit der Torfbahn fahren Helfer und Pflanzen hinaus ins Himmelmoor.
Mit der Torfbahn fahren Helfer und Pflanzen hinaus ins Himmelmoor. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Wildpflanze mit dem seltsamen Namen wachse normalerweise auf nährstoffarmen Böden, wie es Moore sind, und sei hier in Schleswig-Holstein zu Hause, erklärt Dolnik. Doch durch den Strukturwandel, den Torfabbau und die Vertrocknung der Moore sei der Teufelsabbiss auch hierzulande immer seltener geworden und musste anderen Kulturgräsern weichen. „Es ist eine bedrohte Pflanzenart, die auf der Roten Liste steht“, sagt der Biologe. „Ich hätte niemals gedacht, dass es dazu mal kommen würde.“

Doch das soll sich mit der großangelegten Wiederanpflanzung der Wildpflanze schon bald ändern, hofft der Projektleiter. Nach dem Ende des rund 150 Jahre andauernden industriellen Torfabbaus im vorigen Jahr hat die landeseigene Stiftung Naturschutz das 600 Hektar große Himmelmoor von den Landesforsten gepachtet. Es soll großflächig wieder renaturiert werden. Dafür wird das Moor wieder vernässt, werden alte Drainagen gezogen und Dämme gebaut, damit sich das Regenwasser wieder im Moor sammeln und so das Torfgras wachsen kann.

Besonders Insekten lieben Nektar der Wildpflanze

Das Anpflanzen der 1664 Teufelsabbiss-Pflänzchen gehört zum Projekt „BlütenMeer 2020“ der Stiftung, die landesweit 15.000 seltene und vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten wieder angepflanzt habe, erklärt Projektleiter Dolnik. „Wir machen das an vielen Stellen im ganzen Land.“ Wenn sich so die seltene Moorwiesenart bald wieder in dem torfigen Gelände ausgebreitet haben werde, könnten sich nicht nur die Spaziergänger und Wanderer im Himmelmoor im nächsten Jahr über „wunderschön leuchtend violett blühende“ Wiesenteppiche im Himmelmoor freuen.

Vor allem Insekten wie Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und Schwebfliegen würden den Nektar der Wildpflanze im kommenden August lieben. „Wir schaffen hier ein neues Blühfeld für die Insekten.“

Und woher hat die seltene Wildpflanze ihren diabolischen Namen? Der habe sich aus der besonderen Gestalt des Wurzelstocks entwickelt, erklärt der Biologe. So sterbe die Wurzelspitze im Laufe der Zeit ab, was dann so aussehe, als ob die Wurzel von unten abgebissen wurde. Das scheint die Bauern und Gärtner in früheren Zeiten zu der Überlegung geführt haben: Wer könnte es sonst gewagt haben, die Pflanze im Boden zu fressen als der Teufel? Ihr lateinischer Name Succisa ist ebenfalls von dem Wort succisus abgeleitet, das „unten abgeschnitten“ bedeutet. Und sie wird auch „Morsus diaboli“ genannt, wobei morsus für Beißen und Essen steht.

Klaus H. Hensel vom Förderverein freut sich über diesen ersten gemeinsamen Arbeitseinsatz mit der Stiftung im Himmelmoor, seit diese das Moor übernommen hat. „Es ist gut, dass sich das Moor wieder so positiv entwickelt.“ Das lobte auch Jörg Kastrup von der Unteren Naturschutzbehörde, der es sich am Dienstagnachmittag nicht nehmen lässt, mit Gummistiefeln und Ganzkörper-Regenanzug ausgestattet im Himmelmoor mit anzupacken. „Wir müssen nun einmal für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten aktiv werden, um sie vor dem Aussterben zu bewahren“, erklärt er den Sinn dieser gemeinsamen Pflanzaktion.

Wildpflanze werde sich schnell wieder ausbreiten

Christian Dolnik hat einen Erdbohrer dabei. Das erleichtert den Helfern die Arbeit.
Christian Dolnik hat einen Erdbohrer dabei. Das erleichtert den Helfern die Arbeit. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Die Wildpflanze wird sich sehr schnell wieder ausbreiten“, ist der Umweltfachmann von der Kreisverwaltung überzeugt. „Wir von der Unteren Naturschutzbehörde haben hier die fachliche Aufsicht über die geplanten Renaturierungs-Maßnahmen.“ Das Quickborner Himmelmoor sei ein ausgewiesenes und geschütztes Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, für das es ein Management-Konzept gebe, wie die Umgestaltung aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes zu erfolgen habe.

Nach zwei Stunden Arbeit in gebückter Haltung und bei Dauerregen sind dann alle 1664 Setzlinge gepflanzt. Und die Moor-Gärtner konnten sich mit heißem Kaffee im Torfwerk etwas aufwärmen. „Eigentlich trocknen wir nur. Es gibt hier ja keine Heizung“, sagt Dan Zelck von der Torfbahn AG. Aber das reicht den meisten Helfern schon.

Infos zum Himmelmoor: Das Himmelmoor in Quickborn war mit einer Größe von 600 Hektar das größte Hochmoor Schleswig-Holsteins. Es entstand seit der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren und war in dieser Zeit zwölf Meter angewachsen. Seit dem 18. Jahrhundert wurde von umliegenden Landwirten Torf abgebaut, um damit zu heizen. Später setzte der industrielle Torfabbau ein, der erst im Sommer 2018 endete. Für die harte Handarbeit wurden auch Kriegs- und bis in die 1980er-Jahre Strafgefangene eingesetzt. Jetzt sollen sich das Moor sowie seine einzigartige Flora und Fauna wieder erholen. Besucher erreichen das Himmelmoor von Quickborn aus über die Himmelmoorchaussee. Am alten Torfwerk können sie parken.