Prisdorf. Rechtsstreit um Einzelhandel im Prisdorfer Gewerbegebiet weitet sich aus. Was haben die neuen französischen Eigentümer mit dem Gelände vor
Ein Einkaufszentrum. Zwei Kommunen. Viel Streit. So lässt sich die Geschichte des Peiner Hag verkürzt zusammenfassen. Seit rund 20 Jahren liegen Pinneberg und Prisdorf im Clinch. Es geht um Kunden. Es geht um Kaufkraft. Und es geht um die Zukunft. Die steht seit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2016 infrage. Neuigkeiten? Auch Aldi will jetzt die Erweiterung seiner Filiale vor Gericht durchsetzen, als dritter Kläger gegen den Kreis Pinneberg. Zudem haben französische Finanzinvestoren zugeschlagen. Das Abendblatt hat die Posse ums Einkaufszentrum an der Grenze zu Pinneberg aufbereitet. Und blicken nach vorn.
Der Aufbruch
Mancher in Pinneberg wird sich noch daran erinnern: an die Idee, ein großes SB-Warenhaus auf dem Marktplatz an der Elmshorner Straße zu bauen. Zwei Jahrzehnte ist das jetzt her, ein Bürgerentscheid verhindert damals die Investition, hinter der Marktkauf als potenzieller Mieter vermutet wird. Anschließend orientiert sich das Unternehmen um. Nur ein paar Kilometer gen Norden. Nach Prisdorf. Pinnebergs Ortsschild in Sichtweite. Und Kunden aus der Kreisstadt im Blick.
Erste Hürden, Klage aus Pinneberg
Die Stadt Pinneberg sieht ihre Interessen gefährdet, reicht Klage gegen das Projekt ein. Und verzögert den Baubeginn am Peiner Hag. Investor Horst Ickert beklagt finanzielle Einbußen und dass die Kreisstadt die Schaffung von 200 Arbeitsplätzen verhindere. Erst 2002 kann mit dem Bau des Marktkauf-Centers begonnen werden. 2003 wird es eingeweiht. Entstanden sind ein Bau- und Gartencenter mit 5971 und 5072 Quadratmetern sowie der Marktkauf mit 4871 Quadratmetern nebst Getränkemarkt auf noch einmal 552 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Immer mehr Geschäfte am Peiner Hag
Im Laufe der folgenden Jahre wächst das Prisdorfer Gewerbegebiet stetig. Marktkauf und Toom sind schon da. Aldi, Kik, das Dänische Bettenlager, eine Tankstelle und einige Geschäfte mehr kommen hinzu. Auch Medimax siedelt sich an. Das alles kommt in Pinneberg gar nicht gut an. Die Kreisstadt kämpft um Kaufkraft. Pinnebergs City ist von Bäckern, Telefonläden und Leerstand geprägt. Grund genug, ein Einzelhandelsgutachten in Auftrag zu geben. Darin wird darauf gepocht, Pinnebergs Innenstadt zu stärken.
Das Urteil
Jahrelang wird gestritten. Im Juni 2016 macht das Oberverwaltungsgericht in Schleswig unmissverständlich und ohne Option auf eine Revision klar, dass es zusätzlichen Einzelhandel am Standort Peiner Hag nicht toleriert. Schon jetzt fließe „ein großer Teil der Kaufkraft Pinnebergs mit seinen 43.544 Einwohnern zu diesem unmittelbar benachbarten Einzelhandelsstandort in Prisdorf, einer Gemeinde mit 2350 Einwohnern, ab“, so die Richter. Die Entfernung zum zentralen Versorgungsbereich „Einkaufszone City“ betrage nur etwa zweieinhalb Kilometer. Es sei offenkundig Ziel, Kunden aus Pinneberg anzulocken. Zumal am Peiner Hag mit rund 22.000 Quadratmetern mehr Einzelhandelsverkaufsfläche vorhanden sei als in der Pinneberger City mit ihren 20.000 Quadratmetern.
Die Rolle des Kreises Pinneberg
Dem Kreis Pinneberg kommt die unbequeme Rolle zu, das Urteil anzuwenden. So geschieht es im Jahr 2017, als die Charlotte und Horst Ickert Stiftung ihren leer stehenden Elektronikmarkt an einen Tierfutterhandel vermieten will. Der Kreis untersagt diese Nutzungsänderung. Dem zunächst genehmigten Sonderpostenmarkt Thomas Phillips entzieht der Kreis Anfang 2018 die Erlaubnis, weiter zu verkaufen.
Jetzt klagen die Händler
Bislang war von zwei beim Verwaltungsgericht anhängigen Klagen die Rede. Sowohl die Stiftung von Ickert als auch die Geschäftsführung des Sonderpostenmarkts Thomas Philipps gehen juristisch gegen den Kreis Pinneberg vor. Wie Kreis-Sprecher Oliver Carstens jetzt auf Abendblatt-Anfrage bestätigt, klagt auch das Unternehmen Aldi, das seine Filiale am Peiner Hag erweitern will. Ein Gerichtstermin sei allerdings noch nicht in Sicht, so Carstens: „Vor 2020 passiert da nichts.“ Immerhin gebe es Signale, dass in allen drei Fällen gemeinsam entschieden werden soll.
Gespräche zwischen den Streithähnen
Immer wieder ist von Verhandlungen zwischen den Streithähnen Prisdorf und Pinneberg die Rede. Prisdorfs Bürgermeister Rolf Schwarz bestätigt, dass gesprochen wird. Fraglich ist, welche Bindung eine womöglich erzielte Einigung hätte, wo doch ein Gerichtsurteil auf dem Tisch liegt. „Wir sind an das geltende Recht gebunden“, sagt Kreis-Sprecher Oliver Carstens. Was zwischen Prisdorf und Pinneberg besprochen werde, habe erstmal keinen Einfluss.
Die Retourkutsche
2017 folgt zur Abwechslung eine Nachricht, die Prisdorf nicht gefallen kann. Toom baut einen neuen Baumarkt – ausgerechnet in Pinneberg. Investor Michael May zieht im Rosenfeld für 13,5 Millionen Euro eine topmoderne Filiale mit 110 Mitarbeitern und 250 Parkplätzen hoch. Und schafft ein Gegengewicht zu Prisdorf, schließlich sind Aldi und Famila Nachbarn des neuen Baumarkts. Der ist von Prisdorf über Pinnebergs neue Westumgehung in wenigen Minuten zu erreichen. Toom in Prisdorf schließt.
Bonjour: Investoren aus Frankreich
An die große Glocke wird dieser Deal nicht gehängt: Ende 2018 trennt sich Horst Ickert von der wichtigsten Immobilie am Peiner Hag. Die rund 20.000 Quadratmeter, die das Marktkauf-Center beherbergen, gehören seitdem französischen Finanzinvestoren von Paref Gestion. Was die neuen Besitzer hingeblättert haben, ist nicht bekannt. Ihre Einnahmen können sie zumindest mittelfristig kalkulieren. Es gibt bestehende Mietverträge. Toom zahlt noch bis 2023. Marktkauf hat bis 2030 gemietet. Vorbesitzer Ickert sagt nur: „Die neuen Besitzer haben ihre eigenen Ideen.“
Die Zukunft
Mancher staunt über das Engagement der Franzosen. Sieht schließlich so aus, als gehe ohne Pinneberg nicht viel. Nach der Zukunft befragt, spricht aus den Worten des Prisdorfer Bürgermeisters vor allem Hoffnung: „Das Ziel ist ganz klar die Sicherung des Standorts“, sagt Rolf Schwarz. Aus den vertraulichen Verhandlungen mit Pinneberg will er nicht berichten. Nur so viel: „Es gibt für den Standort verschiedene Überlegungen.“ Horst Ickert überlegt nicht, er will Ergebnisse. „Wir warten seit zweieinhalb Jahren auf einen Termin bei Gericht.“ Verständnis hat er für die Blockade Pinnebergs nicht. Das leer stehende Gebäude des früheren Elektronikmarkts gehöre der Stiftung. Mieteinnahmen seien für soziale Projekte bestimmt. „Da fehlt jeder Cent.“