Elmshorn. Der Erfolgsautor spricht im Abendblatt-Interview vor seiner Lesung in Elmshorn über Heimweh, Flüchtlinge, Ostpreußen – und Wacken.
Am heutige Mittwoch liest Arno Surminski in der Dittchenbühne in Elmshorn eine Weihnachtsgeschichte und heitere Texte. In weihnachtlicher Atmosphäre wird der Schriftsteller begleitet von der Pianistin Maria Livaschnikova und der Sängerin Elke Teresa Andiel. Im Anschluss serviert das Forum Baltikum einen ostpreußischen Eintopf. Die Veranstaltung mit dem bekannten Autoren, der wie kein anderer seine ostpreußische Heimat in seinen Büchern thematisiert, ist seit Langem ausverkauft. Das Hamburger Abendblatt hat anlässlich des Termins mit dem 84-Jährigen über die Bedeutung von Heimat gesprochen.
Was verbindet Sie mit dem Forum Baltikum – Dittchenbühne?
Arno Surminski: Es war von Anfang an ein Treffpunkt für ostpreußische Kultur. Ich trete jedes Jahr vor Weihnachten dort auf. Diesmal habe ich etwas Heiteres ausgesucht. Die Umstände, in denen wir leben, sind ja schon nicht erfreulich. Da muss ich nicht noch was Trauriges vorlesen.
Was bedeutet Ihnen Heimat?
Ich habe mehrere Heimaten. Es ist aber nicht so sehr Jäglack, der Ort meiner Kindheit. Am Ende war dort alles zerstört oder abgebrannt, die Menschen waren geflohen, meine Eltern verschleppt. Damit erlosch das heimatliche Gefühl. Für Trittau in Schleswig-Holstein entwickelte ich ein neues Heimatgefühl. Als ich nach Kanada ging und dort als Holzfäller arbeitete, hatte ich manchmal Heimweh, und zwar nach Trittau, nach den Menschen dort. Heute fühle ich mich in Hamburg und Wacken zu Hause. Heimat sind für mich weniger Grund und Boden, sondern die vertraute Umgebung und die vertrauten Menschen.
Sie leben mit Ihrer Frau in Hamburg-Barmbek. Warum Wacken?
Dort haben wir vor 40 Jahren ein Wochenendhäuschen gekauft. Ich habe 1989 daran angrenzend ein 2,5 Hektar großes Stück Land erworben und darauf 10.000 Bäume gepflanzt. Ich staune, wie sie in 25 Jahren gewachsen sind. Daraus ist ein richtiger Wald geworden, in dem wir manchmal spazieren gehen. Vorauf ich noch stolz bin: auf meine drei Kinder und acht Enkel.
Aus aller Welt kommen jetzt Menschen nach Deutschland, die hier Zuflucht suchen. Gleichzeitig ist in Europa ein deutlicher Rechtsruck spürbar. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Ich war selbst ein Flüchtling und habe großes Verständnis für Flüchtlinge. Aber die Situation ist jetzt eine ganz andere. Die Einheimischen hatten zwar auch uns Flüchtlingen gegenüber Vorbehalte. Wir haben aber dieselbe Sprache gesprochen und derselben Religion angehört. Durch Eheschließungen zwischen beiden Gruppen waren die Unterschiede Anfang der 50er-Jahre rasch eingeebnet. Es gab vor allem nicht die Probleme, die aus den unterschiedlichen Religionen erwachsen. Das ungeordnete Hereinlassen so vieler Menschen hat mir nicht gefallen. Zudem hätte ich mehr Hilfe für Frauen und Kinder und verfolgte Christen gewünscht, nicht nur für junge Männer, die generell gefährlicher sind. Wir sollten nicht alle, die wegen der Flüchtlingswelle Bedenken haben, den Rechtsradikalen zuordnen.
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Wie kann Integration trotzdem gelingen?
Integration wird nicht ohne Druck gelingen. Die Flüchtlinge müssten verpflichtet werden, zur Schule zu gehen, Deutsch zu lernen und zu arbeiten.
Sie können auf ein sehr bewegtes Leben zurückblicken. Sie verbrachten Ihre Kindheit in Ostpreußen. Nach Kriegsende 1945 wurden ihre Eltern in die Sowjetunion deportiert, während Sie allein zurückblieben.
Im Januar 1945 wurden wir von der roten Armee eingeholt. Sie deportierten meine Eltern nach Russland. Ich blieb mit anderen Kindern und einigen Frauen zurück. Die Polen schickten uns dann Ende 1945 nach Deutschland. Dort kam ich zunächst in ein Auffanglager nach Thüringen. Über das Rote Kreuz erfuhr ich von entfernten Verwandten in Trittau. Die Tante hatte sechs Kinder und sagte: Eines mehr kann nicht schaden. Eine große Tat.
Sie kamen dort 1946 kurz vor Weihnachten an. Erinnern Sie sich noch an das Fest?
Na ja, wir hatten sicher keinen Weihnachtsbaum. Alles war sehr einfach und dürftig. Wir Jungs schliefen in der Scheune in der alten Knechtekammer. Ansonsten erinnere ich mich nur noch an die Kirche und den Klang der Glocken.
Haben Sie noch einmal etwas von Ihren Eltern gehört?
Ende der 90er-Jahre erhielt ich vom Roten Kreuz die Mitteilung, dass Mutter und Vater 1946 im einem Lager in Russland gestorben waren.
Noch mal zurück nach Wacken. Waren Sie schon mal auf dem Wacken Open Air?
Ja, ich bin da mal rüber gelaufen. Das muss man ja mal gesehen und gehört haben. Die Musik liegt mir nicht so, aber die Freundlichkeit der Menschen auf dem Festival ist bemerkenswert. Die kommen aus der ganzen Welt nach Wacken und grüßen freundlich über den Gartenzaun. Von dem Lärm hören wir kaum etwas.