Schenefeld. Abendblatt-Redakteurin Katy Krause testet Service des Stadtzentrums Schenefeld: Licht und Schatten beim Chat mit Kaufassistentin.
Der Einstieg ist etwas holprig, Technik ist eben nicht frei von Tücken. Und ein Einkauf per Videochat hat eine ganze Menge Tücken, wie sich zeigt. Doch von Anfang an. Das Stadtzentrum Schenefeld hat sich in Zeiten des zunehmenden Internethandels im Kampf um Kunden etwas Ungewöhnliches einfallen lassen.
Seit Kurzem bietet das Einkaufscenter Lisa an – das steht für „Live Shopping Assistant“. Tatsächlich bekommt der Kunde eine Kaufassistentin an die Hand, um bequem von zu Hause aus zu shoppen. Also im Center einkaufen, obwohl man gar nicht im Center ist – dank Liveschaltung übers Internet? Das klingt so verrückt, dass es getestet werden muss. Auf geht’s zur Shoppingtour mit Lisa.
Bei der Technik läuft noch einiges schief
Der Termin ist schnell gemacht. Im Internet findet sich unter der Adresse live.stadtzentrum-schenefeld.de ein Kalender. An vielen Tagen gibt es verfügbare Zeiten. Zumeist kann zwischen 12 bis 16 Uhr ein einstündiger Termin ausgewählt werden. Nur einige Klicks und ein paar rudimentäre Angaben, etwa Kontaktmöglichkeit bei Nachfragen, trennen mich von einem Date mit Lisa.
Die heißt übrigens in Wirklichkeit Joanna Welsche, ist 23 Jahre alt und Veranstaltungskauffrau. Sie arbeitet für eine Mode-Agentur, die mit dem Schenefelder Einkaufszentrum zusammenarbeitet. Für das Pilotprojekt ist die Vollzeitkraft ausgeliehen. Provision bekommt sie nach eigenen Angaben nicht. „Es geht um Beratung und nicht um Verkaufserlöse“, betont sie später beim Einkaufsbummel.
Letzterer soll an diesem Dienstag eigentlich um 14 Uhr starten. Per E-Mail habe ich zuvor einen Link erhalten, der mich zum Live-Shopping führen soll – so die Theorie. Praktisch läuft es schief. Um 14 Uhr sitze ich am Laptop, keine Verbindung, kaum Hilfsmöglichkeiten, vieles ist auf Englisch.
Joanna Welsche meldet sich am Ende per Telefon und entschuldigt sich für die technischen Probleme. Der Termin wird auf 16.30 Uhr verschoben. Dann steht die Leitung. „Eine Doppelbuchung hat die Probleme verursacht. Das hatte ich so noch nicht“, erklärt Joanna
Welsche. Ich sehe sie per Video an ihrem Laptop.
Die junge Frau steht im Stadtzentrum, auf dem Kopf trägt sie Kopfhörer und ein Mikro für die bessere Verständigung beziehungsweise Tonqualität. Die Kamera, die sie aufnimmt, ist an einem Gestell angebracht. Das muss Joanna Welsche durchs Center schieben. Unter der Kamera ist ein Bildschirm, auf dem sie wiederum den Kunden, in diesem Fall mich, sehen kann. Dabei ist es egal, ob ich am Laptop, dem Smartphone oder Tablet sitze und ob ich Hunderte von Kilometern entfernt bin.
Modern einkaufen wird immer beliebter
Irgendwie praktisch, irgendwie verrückt und auf jeden Fall surreal. Wer kann schon von sich behaupten, per Videochat geshoppt zu haben und dabei durchs Center geschoben worden zu sein? Ich jetzt schon. Die Frage ist: Was hat Mann beziehungsweise Frau davon? Auf jeden Fall ein paar gute Tipps und Spaß.
Unvergleichlich ist der Gesichtsausdruck einer älteren Dame an der Kasse, die das wohl aus ihrer Sicht futuristische Gestell skeptisch mustert, während die Shoppingsassistentin fröhlich mit mir plaudert und auf das Bezahlen wartet. „Ich werde öfter etwas schräg angesehen“, erklärt die Einkaufs-Assistentin. „Das Angebot ist noch ganz neu.“
Ein wenig wie Shoppen mit einer guten Freundin
Mit Lisa, also mit Joanna, einzukaufen, ist ein wenig wie Shoppen mit einer guten Freundin. Es wird gelacht, beratschlagt, getestet. Sie kennt die aktuellen Modetrends, schlägt unaufdringlich Farbtöne oder Schnitte vor. Was man nicht selbst fühlen kann, beschreibt sie. Beispielsweise den Stoff des Pullis. Sie hält ihn an sich als Größenvergleich. Notfalls holt sie eine Fachverkäuferin ans Mikro. Zum Buch „Keine Ahnung, ob das Liebe ist“ von Julia Engelmann hätte ich beispielsweise nie gegriffen. Doch Joanna Welsche erzählt begeistert, dass die Autorin durch ein Video von einem Poetry-Slam bekannt und ihr Debüt-Buch ein Bestseller wurde. Das macht mich neugierig. Das Einlösen meines Heymann-Gutscheins funktioniert via Internetchat einwandfrei.
Was dagegen nicht einwandfrei läuft, ist die Technik. So holprig, wie es manchmal wird, wenn das Gestell auf Rollen über unebenen Boden wackelt, so holprig ist die Internetverbindung. Sie bricht mehrfach ab. Bei Budny, bei Heymann, jedes Mal im Fahrstuhl. Zweimal muss ich mich neu einloggen. Hinzukommen Tonprobleme. Das nervt. Fürs Bezahlen ist ein PayPal-Konto nötig. Das ist ein Online-Bezahldienst, bei dem die Konto- beziehungsweise Kreditkartendaten hinterlegt werden. Andere Optionen gibt es nicht.
Drei Tage später bekomme ich mein Paket – samt Pulli, Buch, Nagellack, Badmintonbälle und den jeweiligen Belegen für den Umtausch. Pluspunkt: keine Versandgebühren. Minuspunkt: Das Paket ist riesig und daher zum Schutz mit Plastikkissen aufgefüllt. Umweltfreundlich funktioniert anders. Auch ein Retourenschein liegt nicht bei. Da der Pulli einen Nahtfehler hat, muss ich ohnehin für den Umtausch ins Stadtzentrum. An der Information, wo der Umtausch zentral abgewickelt wird, weiß man mit mir nichts anzufangen. Einige Anrufe später gibt es dann Bargeld gegen Quittung.
Fazit: Wer sich beispielsweise ein Bein bricht, nicht einkaufen kann oder einkaufen hasst, für den kann Lisa eine echte Hilfe darstellen. Zudem gibt’s ein paar neue Ideen und Anregungen. Doch Technik, die begeistert, funktioniert anders. Vielleicht bin ich zu altmodisch, aber ich gehe deutlich lieber richtig einkaufen. Da bricht zumindest die Verbindung nicht ab.