Elmshorn. Anke Tinnefeld aus Elmshorn hat den Ärmelkanal durchquert und dabei 34 Kilometer von Dover nach Calais zurückgelegt.

Über dem Freibad Elmshorn scheint die Sonne, die Gäste freuen sich über das gute Badewetter. Nur eine Besucherin kann den Umständen wenig abgewinnen. „Regen ist mir lieber, dann wäre hier nicht so viel los“, sagt Anke Tinnefeld und lacht. Die Angestellte bei einem Steuerberater hat ein ungewöhnliches Hobby: Distanzen zu schwimmen, für die andere Menschen ein Boot benutzen.

Auch heute ist die 44-Jährige im knallbunten Badeanzug nicht zum Vergnügen hier, sondern möchte trainieren. „Ich überlege momentan, ob ich eine Doppel-Überquerung des Fehmarnbelts in Angriff nehme“, sagt Tinnefeld. Damit wäre die Elmshornerin die zweite Person und die erste Frau, der es gelänge, die 18 Kilometer zwischen Dänemark und Fehmarn einmal hin- und gleich wieder zurückzuschwimmen. Eine neue Herausforderung für eine Frau, die schon viele gemeistert hat: Die Hobby-Schwimmerin hat den Fehmarnbelt in einer Richtung bereits erfolgreich durchschwommen und als erste Deutsche die Umrundung der Ärmelkanal-Insel Jersey geschafft. Und den „Mount Everest der Schwimmer“, den Ärmelkanal, hat die Elmshornerin erst kürzlich bezwungen.

Anke Tinnfeld ist früh am Morgen gestartet, um den Ärmelkanal zu durchschwimmen
Anke Tinnfeld ist früh am Morgen gestartet, um den Ärmelkanal zu durchschwimmen © Andy King | Andy King

Etwa ein Monat ist vergangen, seit die Sportlerin am frühen Morgen des 22. Juli von der englischen Küste nahe Dover Richtung Frankreich aufbricht. Knapp 34 Kilometer Luftlinie ist ihr Ziel entfernt. Als die ersten Sonnenstrahlen das Meer goldgelb färben, springt Tinnefeld ins etwa 18 Grad kalte Wasser und schwimmt los. Anfangs läuft es sehr gut, und Tinnefeld kann sogar eine etwa 50 Minuten vor ihr gestartete Schwimmerin überholen. Nach sechs bis sieben Stunden kommen dann aber die ersten Probleme. „Ich hatte eine Art Zusammenbruch“, berichtet die Elmshornerin und erklärt: Beim Training schwimme sie höchstens sechs Stunden. Als mitten auf dem Kanal diese gewohnte Zeit vorbei ist, kommen die Zweifel: Ist das überhaupt zu schaffen? Warum mache ich das? Die Wellen sind fast anderthalb Meter hoch, die Temperaturen eisig, die Feuerquallen brennen.

„Da kommt es aufs Mentale an“, sagt die 44-Jährige. Es sei der Wille, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, der sie immer wieder antreibt. Aufgeben kommt nicht in Frage. „Ich bin kein Mensch, der abbricht und nächstes Jahr wiederkommt. Wenn man da ist, muss man alles geben.“ Ein weiterer Grund durchzuhalten, könnte auch der Preis des Abenteuers sein: Etwa 3500 Euro musste sie für die Begleitung durch ein kleines Fischerboot zahlen. Kapitän Andy King hat in allen Fragen das letzte Wort. Als Tinnefeld immer weiter vom Kurs abtreibt und der Schifffahrtsstraße gefährlich nahe kommt, gibt der Kapitän eine Anweisung: „Er meinte, ich solle gegen die Strömung ankämpfen, sonst hole er mich aus dem Wasser“, sagt Tinnefeld.

Etwa 1000 Kalorien pro Stunde verbraucht

Auch ihr Freund Christopher Butler ist mit an Bord. Kennengelernt haben sich beide bei einem Schwimmcamp auf Mallorca, wo Tinnefeld auch die nötige Qualifikation für das Ärmelkanal-Schwimmen absolvierte. Um diese Prüfung zu meistern, musste sie viele Jahre trainieren. 2006 ist die Sportlerin vom Reiten auf Triathlon umgestiegen. „Anfangs war ich schon nach 25 Metern im Wasser komplett am Ende“, sagt die Sportlerin.

Diese Schwimmer haben den Ärmelkanal bezwungen

Zum ersten Mal wurde der Ärmelkanal nachweislich am 24. und 25. August 1875 durchschwommen. Geschafft hat das Matthew Webb. Der Engländer benötigte für die Strecke von Dover nach Calais 21 Stunden und 45 Minuten.

Die erste Frau, die das andere Ufer erreichte, war 1926 die US-Amerikanerin Gertrude Ederle. Die Kanalschwimmerin benötigte 14 Stunden und 39 Minuten.

Der schnellste Schwimmer war bislang Petar Stojtschew. Der Bulgare durchschwamm den Kanal im Jahr 2007 in nur 6 Stunden und 58 Minuten.

Der Jüngste war 1988 der 11-jährige Engländer Thomas Gregory in 11 Stunden und 54 Minuten.

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Im Ärmelkanal schwimmt Tinnefeld 15 Stunden am Stück, bis sie die französische Küste nahe der Hafenstadt Calais erreicht. Als sie endlich wieder Boden unter den Füßen hat, ist sie erleichtert und unglaublich stolz. Viel Zeit, diesen Moment zu genießen, bleibt ihr aber nicht. Sie muss schnell aufs Boot, um sich aufzuwärmen. Hunger hat sie nicht. Während der Überquerung hat sie alle 30 Minuten einen kurzen Stop zur Nahrungsaufnahme eingelegt. Außer Bananen und Dosenpfirsichen gab es ein kohlenhydratreiches Gemisch, das ihre Trainerin an einem Seil zu ihr ins Wasser ließ. „Das schmeckt nicht, muss aber sein bei einem Verbrauch von etwa 1000 Kalorien pro Stunde“, sagt Tinnefeld.

Zurück in Elmshorn, trainiert sie momentan nur noch etwa zwei- bis dreimal die Woche. Jetzt sei zunächst wichtig, auch mal zu entspannen und Zeit zu haben für ihre Freunde und ihren Partner, der in London lebt. Gegenwärtig pendelt sie etwa alle zwei Wochen zwischen dem europäischen Festland und England, um ihn zu besuchen. Dafür allerdings nimmt auch Tinnefeld ein Flugzeug.