Pinneberg. Bürgermeisterkandidaten in Pinneberg treten zum Rede-Duell an. Herausforderer und Amtsinhaberin im Zehn-Punkte-Check.

Zum spannenden Duell, wie es sich manch einer vielleicht erhofft hat, kommt es nicht an diesem Abend in der sommerheißen Turnhalle der Theodor-Heuss-Schule, als Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg (59) und der deutsch-indische Taxifahrer Jitendra Sharma (47) gegeneinander antreten. Vor ihnen sitzen rund 120 Besucher, die sich einen Eindruck verschaffen wollen von den beiden Kandidaten für das Pinneberger Bürgermeisteramt. Wahltermin ist der 9. September.

Moderatorin ist die Bürgervorsteherin und CDU-Parteivorsitzende Natalina di Racca-Boenigk. Zehn bis 15 Minuten stellt sich jeder vor, beantwortet dann Fragen aus dem Publikum in maximal drei Minuten.

Allein die festen Vorgaben verhindern eine hitzige Schlacht beinahe ganz. Was also macht den Unterschied aus zwischen Steinberg und Sharma? Wo gibt es Übereinstimmungen? Wer punktet wo? Eine Beobachtung.

Kleidung

Beide Kandidaten sind um Seriosität bemüht: Urte Steinberg trägt ein schwarzes Sommerkleid mit weißen Pünktchen, Jitendra Sharma einen blaugrauen Anzug mit salopp geöffnetem Kragen eines blauen Hemdes.

Auftreten und Rhetorik

Der bislang unbekannte Kandidat Jitendra Sharma wirkt trotz Lampenfiebers erstaunlich locker, wenn ihm auch als Nicht-Muttersprachler die inhaltliche und sprachliche Präzision seiner Konkurrentin fehlt. Manche Fragen aus dem Publikum beantwortet er kaum. Aber er verspricht, dass er seine Ziele „durchziehen“ wird: „Wenn man einen richtig starken Willen hat, dann schafft man das!“ Meist liest er seine Rede ab, nimmt aber viel Blickkontakt mit den Zuhörern auf. Gelegentlich spricht er sie mit „du“ an, was dem Englischen geschuldet sein mag, in dem er als gebürtiger Inder auch zu Hause ist.

Urte Steinberg, mit der die Pinneberger Wähler aus ihrer ersten Amtsperiode vertraut sind, hat sich sehr gut vorbereitet. Sie spricht frei, laut und gut verständlich, wirkt sachorientiert, professionell und sympathisch uneitel. Ihre Rede strahlt Disziplin, Entschlossenheit und Kontrolle aus. Zurück hält sie sich bei Zusagen und Zahlen, betont mehrfach, dass sie auch für ihr Team spricht.

Charme-Faktor

Was den Charme angeht, so hat Jitendra Sharma das Publikum auf seiner Seite. Er lächelt viel, wirkt locker und souverän. Ihm fehlt Professionalität im Umgang mit der Öffentlichkeit, was ihn sympathisch macht. Sein täglicher Umgang mit Menschen jeglicher Couleur ist ihm anzumerken, sein Wunsch, für die Bevölkerung der Stadt Pinneberg als der ihr dienende Bürgermeister das Beste erreichen zu wollen, wirkt glaubwürdig. Charme, Humor und seine immense Erfahrung im Umgang mit Menschen kann er als Bürgermeister nutzen.

Urte Steinberg ist eine gut gerüstete Kämpferin und eine harte Arbeiterin, die, freundlich, aber bestimmt, für die Bürger da sein will. Auch sie wirkt ehrlich bemüht, Pinneberg nützlich zu sein. Das Erreichte zu schildern ist ihr Argument genug, um für die zweite Amtszeit die Richtige zu sein.

Unterstützung

Ihr Lebensgefährte, der CDU-Politiker Torsten Hauwetter, sitzt in der ersten Reihe und sekundiert seiner Herzensdame Urte Steinberg mit vorauseilendem Applaus. Vorn, aber weiter an der Seite der breiten Tribüne, hat sich die Familie von Jitendra Sharma hingesetzt: seine Frau und seine beiden Söhne. Sie verfolgen die Veranstaltung mit Konzentration und Spannung.

Motivation

Aus Indien kommend, hat Jitendra Sharma auch nach mehr als 25 Jahren in Pinneberg eine hohe Wertschätzung für die Demokratie: „Unsere Vorväter haben genug für die Demokratie gekämpft. Wir hören aber oft irgendwelche Ankündigungen, und dann kommt nichts dabei heraus.“ Helmut Schmidt oder Konrad Adenauer hätten immer mal im Interesse der Bevölkerung gesprochen. Heute sei so etwas nicht oft zu hören. „Ich bin einer von euch. Ein einfacher Mensch. Ich gebe mein Bestes“, sagt Sharma dann.

Seine Herausforderin Urte Steinberg bekennt zum wiederholten Mal: „Ich liebe diese, unsere Stadt von Herzen.“ Ihr geht es darum, ihren Heimatort für die Zukunft zu rüsten. Sie greift auf Erreichtes zurück und sagt: „Pinneberg ist im Aufbruch. Man kann es überall sehen.“

Lebenserfahrung

Urte Steinberg hat ihr Leben in Pinneberg verbracht, wo sie 1958 geboren wurde. Sie arbeitete mehr als 30 Jahre in der Sparkasse Südholstein und fast 30 Jahre in Führungspositionen. Seit Januar 2013 ist sie Bürgermeisterin. Sie hat zwei erwachsene Kinder.

Jitendra Sharma wurde in Indien geboren. Er hat eine transkulturelle Biografie, quer durch mehrere soziale Schichten. Sein Vater kam bei einem Motorradunfall ums Leben, als er ein kleiner Junge war. Früh musste er als ältester Sohn Verantwortung übernehmen. Mit Anfang 20 lernte er in Indien seine spätere Frau kennen, die aus Pinneberg stammte. Der Liebe wegen zog er her. Vom Tellerwäscher arbeitete er sich zum Taxi-Unternehmer hoch – und war von 2007 bis 2016 Mitglied der CDU. Heute arbeitet er wieder im Angestelltenverhältnis.

Erfahrung in Politik und Verwaltung

Was die fachliche Erfahrung angeht, ist Urte Steinberg klar im Vorteil. Zwar kennt auch Sharma die Pinneberger Politiker recht gut und hat einen großen Bekanntenkreis, doch hat sie ihm gut fünf Jahre als Verwaltungschefin voraus, kennt Mechanismen, Tricks und Fallstricke. Zudem verfügt sie, auch durch ihr 40-jähriges ehrenamtliches Engagement, über viele Kontakte.

Fachwissen

Auch beim Fachwissen erweist sich Urte Steinberg am Mittwoch als überlegen. Sie ist mit allen Vorgängen und Vorhaben vertraut, kennt Hintergründe und Zeitspannen. Jitendra Sharma steckt eher die großen Linien ab.

Lieblingsthemen

Urte Steinberg sagt, dass sie durch den Gang unter den Rettungsschirm in Kiel Vertrauen aufbauen konnte und hofft, dass ihr das künftig nutzen wird. Zudem will sie die Bilanzen fertigstellen, Schulsanierung, Kita- und Wohnungsbau erfolgreich umsetzen, die Bahnhofs-Modernisierung und die Umwandlung der Ernst-Paasch-Halle zum Kulturzentrum.

Jitendra Sharma will in Pinneberg die Kita-Gebühren einkassieren: „Wenn die in Hamburg das schaffen, weshalb wir nicht?“ Die Schulen liegen ihm sehr am Herzen, er will sie modernisieren, digital ausstatten und den Technik-Unterricht fördern. Um Wirtschaftswachstum zu erzeugen, möchte er auf einer Fläche von 77 Hektar, die laut seinen Berechnungen in und um Pinneberg verfügbar sind, Gewerbe ansiedeln.

Visionen

„Unsere Kinder sind unsere Zukunft“ - so lautet die Vision von Jitendra Sharma. Bildung, Schulen und Kitas stehen bei ihm ganz oben. Außerdem will er die Bürger bei allen zentralen Entscheidungen beteiligen und die Infrastruktur verbessern.

Urte Steinberg will die Stadt mit Glasfaser ausstatten, Formulare und Beteiligungsangebote im Internet bereitstellen. Für Jugendliche soll es mehr Freizeitflächen und mehr Bewe-gungsangebote geben. Da es eh schon so viele Autos gebe, müsse es künftig darum gehen, das Radfahren viel attraktiver zu machen und den öffentlichen Nahverkehr massiv auszubauen.