Pinneberg. Warum der Taxifahrer Jitendra Sharma (47) in Pinneberg die Bürgermeisterin Urte Steinberg herausfordert – und was seine Ziele sind.

Er ist der Überraschungskandidat bei der Pinneberger Bürgermeisterwahl. Er, der erst kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist seine Unterlagen eingereicht hat (wir berichteten). Er, der bis zu diesem letzten Moment gezögert hat, ob er das auch wirklich machen soll: Amtsinhaberin Urte Steinberg (59) herausfordern, für die er vor sechs Jahren noch in den Wahlkampf gezogen ist. Er macht es.

Jitendra Sharma, 47 Jahre alt, Taxifahrer, verheiratet, zwei erwachsene Söhne, lässt die Abstimmung im September zu einer echten Wahl werden. Es ist Dienstag, 17.05 Uhr, als der Gemeidewahlausschuss ganz offiziell feststellt: Es gibt zwei Kandidaten in Pinneberg.

Da steht er nun in seinem blau-weiß-gestreiften Jackett, steht vor dem Rathaus, in dessen Chefbüro er Einlass begehrt, und blickt in die Abendsonne. Die Anspannung, während der vorangegangenen Sitzung noch aus seinem Gesicht abzulesen, scheint verflogen. Warum er antritt? „Ich fand es doof, dass es keinen zweiten Bewerber gab“, sagt Sharma zunächst. „Das Amt wird hier verschenkt, dachte ich, und das, obwohl so viele Wählerinnen und Wähler unzufrieden sind.“

Es sei ein Bürgerrecht, wählen zu dürfen, ein Recht, um das die Pinneberger seines Erachtens nicht gebracht werden sollten. In diesem Punkt geht er ganz konform mit Amtsinhaberin Urte Steinberg, die sagt: „Ich begrüße es, dass es einen Gegenkandidaten gibt. Denn zur Demokratie gehört eine Wahl und zur Wahl eine Auswahl.“

Taxifahrer Jitendra Sharma kam 1993 nach Pinneberg

Jitendra Sharma wollte Auswahl schaffen, nun will er die Wahl auch gewinnen. Seine Chance, dass das gelingt, liege bei „fünfzig fünfzig“. „Ich trau mir das zu, wenn erst mal die Strategie entwickelt ist“ sagt er. „Jetzt ziehe ich das auch durch.“

An Pinneberg – seine Heimat, seit er seiner Frau 1993 aus der westindischen Diamanten-Metropole Surat nach Deutschland gefolgt ist – sieht er einigen Verbesserungsbedarf. Am Bahnhof zum Beispiel: „Da steigen bestimmt 20.000 Menschen pro Tag ein und aus, und es gibt nicht eine einzige Toilette.“ Ein weiterer Punkt, der ihn umtreibt, ist der Zustand der Schulen. „Sie sind marode“, sagt Sharma, dessen Söhne inzwischen studieren, und ergänzt: „Das kann man alles regeln. Ich meine, das kann ich sehr gut.“ Auch Kita-Plätze seien ein Thema, „die Gebühren sind viel zu hoch. Ich sehe es als meine Verpflichtung an, dass das geklärt wird.“

Und er möchte mehr Gewerbe in die Stadt locken, hat auch schon eine Idee, wie Pinneberg hier erfolgreicher sein könnte: „Man kann die Gewerbesteuern für die ersten drei oder fünf Jahre reduzieren. Damit schafft man Anreize und Arbeitsplätze.“

Was ganz konkrete Lösungsvorschläge angeht, bleibt der frisch gebackene Kandidat ansonsten ein bisschen im Vagen. Er zählt es aber offenbar auch gar nicht zu den Aufgaben eines Bürgermeisters, die Details aus dem Ärmel schütteln zu können, sondern sagt: „Es arbeiten ja viele gut ausgebildete Leute im Rathaus.“ Mit denen müsse er sich austauschen. „Ich würde die Dinge im Dialog entscheiden, so wurden doch immer die besten Lösungen gefunden. Wir leben in einem freien, demokratischen Land. Also gehen wir auch so miteinander um.“

"Ich bin mit allen Wassern gewaschen"

Eine formale Ausbildung habe er nicht, sagt Sharma, „sondern ich bin mit allen Wassern gewaschen“, und dann zählt er auf: Start in Deutschland als Tellerwäscher, seit 1996 Taxifahrer. Überhaupt: Taxi zu fahren, das ist für ihn so etwas wie die Schule des Lebens: „Vom Piloten bis zum Müllmann, vom Richter bis zum Kriminellen – man hat mit ihnen allen zu tun.“

Im „Netzwerk Taxi“ sprach sich auch zuerst herum, dass Jitendra Sharma über eine Bürgermeisterkandidatur nachdachte. Und dass er dafür 175 Unterschriften Pinneberger Bürger brauchte. Viele seiner Freunde hätten nichts mit Politik zu tun gehabt, erzählt er. „Lass das mal, Jay, sagten sie zu mir. Aber dass ich am Ende so viele Unterschriften zusammenbekommen habe, das hat alle meine Erwartungen übertroffen.“

Nun möchte er bald also – nein, kein Bürgermeister – „ein Bürgerdiener“ sein. Ein parteiloser, obgleich er bis zu seinem Austritt aus Zeitgründen knapp zehn Jahre CDU-Mitglied gewesen ist, und frei von jedweder Ideologie. Jitendra Sharma sagt: „Das ganze Volk von Pinneberg ist meine Partei.“

Was hat der Überraschungskandidat eigentlich an Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg zu kritisieren, die er beerben möchte? Sharma: „Ich kritisiere nicht. Man lobt. Oder man schweigt.“