Kreis Pinneberg. Pinneberg, Uetersen und der Kreis haben seit Ende 2012 von Zuwendungen in Millionenhöhe profitiert. Damit ist jetzt Schluss.

Ein gigantischer Schuldenberg. Kaum noch finanzieller Handlungsspielraum. Wie viele andere Kommunen in Schleswig-Holstein ist Pinneberg am Ende des Jahres 2012 unter den Rettungsschirm des Landes geschlüpft, der sich am 31. Dezember 2018 wieder schließen wird. Seitdem wird eisern gespart, dafür gibt’s Geldspritzen aus Kiel. Nach mehr als fünf Jahren darf jetzt eine Rechnung aufgemacht werden. Die Kreisstadt Pinneberg präsentiert sich demnach als Musterschüler, Sparvorgaben sind in einigen Bereichen sogar übererfüllt worden. Der Bürger spürt das – allerdings nur dann, wenn er ganz genau hinschaut. Das Hamburger Abendblatt zeigt auf, wo es für die Menschen teurer geworden ist.

Beispiel Parkgebühren: Die hat Pinneberg nach Abschluss des Konsolidierungsvertrags im gesamten Stadtgebiet verdoppelt. Zum 1. Januar 2013 trat die entsprechende Verordnung in Kraft. Seitdem wird im Kernbereich der Innenstadt ein Euro pro Stunde fällig, das sind 50 Cent mehr als zuvor. 140.000 Euro pro Jahr spült das in die Kassen. Große Proteste blieben aus, die Parkhäuser in der City sind deutlich teurer. Unter der Hochbrücke, wo viele Arbeitnehmer für die Zeit in Büro und Laden ihre Autos abstellen, wurden Parkgebühren überhaupt erst neu eingeführt. Folge: 45.000 Euro per anno mehr im Stadtsäckel.

Pinneberg hob die Steuern kräftig an

Beispiel Grundsteuer: Mit Beschluss der Ratsversammlung vom März 2016 ist der Hebesatz auf 450 Prozentpunkte erhöht worden – deutlich über die Richtlinienvorgabe des Landes, die bei 380 Prozentpunkten liegt. Die Entscheidung, Grundstücksbesitzer stärker zur Kasse zu bitten, beschert Pinneberg 1,1 Millionen Euro pro Jahr, die das Land als Konsolidierungsbeitrag anerkennt. Wie auch zusätzliche Einnahmen bei der Gewerbesteuer, die in Pinneberg mit 390 Prozentpunkten deutlich über dem Hebesatz des direkten Nachbarn Rellingen (320) liegt. Nicht gerade ein besonders gutes Argument für die Neuansiedlung von Firmen im Pinneberger Stadtgebiet – aber pro Jahr rund eine Million Euro an Mehreinnahmen. Die Haushaltswächter in Kiel freut das.

Auch die rund 1500 Hundebesitzer im Stadtgebiet haben den finanzpolitischen Rettungsschirm zu spüren bekommen. Sie zahlten im Schnitt etwa zehn Euro mehr pro Vierbeiner an den Fiskus. 15.000 Euro im Jahr, die das Land ebenfalls als Beitrag der Stadt zur Konsolidierung anerkennt. Wie auch die Erhöhung der Vergnügungssteuer, die 2017 rund 26.000 Euro zusätzlich einbrachte, die Reduzierung bei der Sportförderung (25.000 Euro) und die Erhöhung von Gebühren in Bücherei und Bauamt.

Als der seinerzeit amtierende Bürgermeister Klaus Seyfert im Dezember 2012 in Kiel den Vertrag mit dem Land unterzeichnete, war jedem klar, dass jeder Bürger den Sparkurs auch im eigenen Geldbeutel spüren würde. Knapp fünf Jahre später zieht Bürgermeisterin Urte Steinberg nun eine Bilanz. Die von der Stadt erwarteten Einsparungen in Höhe von 3,4 Millionen Euro seien bereits bis 2016 erbracht worden, das sei aus Kiel mit barer Münze honoriert worden: Wir haben vom Land im Zeitraum 2012 bis 2015 insgesamt 7,5 Millionen Euro erhalten. Aus meiner Sicht hat sich der Rettungsschirm bewährt, das zusätzliche Geld hat der Stadt – ebenso wie bewilligte Förderungen – gutgetan.“

Steinberg geht nicht davon aus, dass es einen neuen Konsolidierungsvertrag mit dem Land geben wird. „Das Land ist in Überlegungen, finanzschwache Kommunen anderweitig zu unterstützen“, sagt Pinnebergs Rathauschefin.

Keine Sparvorgaben aus Kiel mehr: Wird vom kommenden Jahr an also wieder mit vollen Händen Geld ausgegeben, wird die neue Freiheit ausgekostet? Nicht, wenn es nach Urte Steinberg geht: Ziel sei, künftig keine Haushaltsdefizite mehr auszuweisen und passgenauer zu planen. „Ich halte viel davon, dass die Stadt Neues nur dann finanziert, wenn wir auch zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel aus der Gewerbesteuer, erzielen“, sagt die Verwaltungschefin. „Mir ist bewusst, dass das Land von uns verlangt hat, den Bürgern zusätzliche Lasten aufzubürden, siehe die Erhöhung der Grundsteuer. Andererseits haben wir jetzt aber auch die Talsohle durchschritten.“ Weitere Steuererhöhungen halte sie nicht für erforderlich.

Uetersen geht es deutlich besser als vor fünf Jahren

Auch in der Stadt Uetersen, die 2013 unter den Rettungsschirm schlüpfte, waren Gebühren und Steuern erhöht worden. Der Stadt geht es heute deutlich besser als damals.

Der Blick nach Elmshorn lohnt ebenfalls: In der dort beheimateten Kreisverwaltung spielte der Konsolidierungsvertrag mit dem Land Schleswig-Holstein in den vergangenen fünf Jahren stets eine Rolle, wenn es um Einnahmen und Ausgaben ging. Der Kreis hat für die Jahre 2012 bis 2018 rund 7,2 Millionen Euro an Hilfen des Landes erhalten, musste dafür 5,82 Millionen Euro einsparen, was auch gelang. „Der Rettungsschirm hat uns geholfen, allerdings hat der Kreis selbst erhebliche Anstrengungen unternommen, den Haushalt zu konsolidieren. Deswegen – und vor allem wegen der guten Konjunkturentwicklung – mussten wir schon ab 2014 keine Konsolidierungshilfen mehr in Anspruch nehmen“, sagt Landrat Oliver Stolz. Er spricht von einem „großen Verdienst des geschlossenen Handelns der Politik über alle Fraktionen hinweg“ sowie von „vielen kleinen und großen Einsparvorschlägen“ aus seiner Verwaltung.

Programm wird nicht fortgeschrieben

Beim Blick in die Zukunft ist Landrat Stolz von Optimismus erfüllt: „Die Haushaltslage entwickelt sich zurzeit durch das hohe Steueraufkommen positiv, allerdings darf das nicht unseren Blick dafür trüben, dass dieses Einnahmewachstum endlich ist, dass die Kreise aber auch konjunkturunabhängig stark wachsende Soziallasten bewältigen müssen.“

Jährlich 75 Millionen Euro extra

Der Konsolidierungsvertrag zwischen dem Kreis Pinneberg und dem Land Schleswig-Holstein läuft am 31. Dezember 2018 aus.

16 Kommunen in Schleswig-Holstein – die vier kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster, die sechs Kreise Dithmarschen, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein, Pinneberg, Plön und Schleswig-Flensburg sowie die sechs kreisangehörigen Städte und Gemeinden Lauenburg/Elbe, Schwarzenbek, Pellworm, Pinneberg,Uetersen und Bad Segeberg – waren Ende des Jahres 2012 unter den Rettungsschirm geschlüpft.

Jährlich standen für diese Kommunen aus dem kommunalen Finanzausgleich des Landes insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung.

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Es sei der richtige Zeitpunkt gekommen, mit den Städten und Gemeinden Möglichkeiten zur gerechten Verteilung der kommunalen Finanzmittel zu entwickeln. Eine Fortschreibung des Konsolidierungsvertrages mit Kommunen aus der Region werde es wohl nicht geben, weil das neue Finanzausgleichsgesetz den nicht vorsehe, sagt Kreissprecher Oliver Carstens. Es sollten nur noch die vier kreisfreien Städte im Land besagte Hilfen bekommen. Andere Kommunen könnten künftig Fehlbetrags- und Sonderzuweisungen beantragen, wenn sie tatsächlich in Finanznot gerieten.