Pinneberg. Anrufer will Baris Karabacaks Haus verwüsten, weil der Pinneberger türkische Wurzeln hat. Der Politiker hat Strafanzeige gestellt.

Es ist später Nachmittag am Dienstag, als das Handy klingelt. Baris Karabacak will gerade zu seinem Auto. Der türkischstämmige CDU-Politiker geht ran. Am anderen Ende der Leitung eine männliche Stimme. „Klang etwas älter, akzentfreies Deutsch“, erinnert sich Karabacak. Was folgt sind 45 Sekunden wüste Beschimpfungen. Er solle verschwinden, zurück zu seinem Präsidenten Erdogan. Und „Pinneberg nicht länger beschmutzen“. Das Telefonat gipfelt in einer massiven Bedrohung: Sein Haus werde verwüstet. Karabacak vermutet einen rechtsextremen Hintergrund. Er steuert sofort das Pinneberger Polizeirevier an, stellt Strafanzeige. Der CDU-Mann, der für die Kommunalwahl kandidiert, ist fassungslos. Politische Konkurrenten sind es nicht minder.

Es ist Donnerstagmittag: Baris Karabacak hat beschmierte Plakate eingesammelt. „Damit wir alle muslimisch werden“, steht unter seinem Konterfei zu lesen. Eine Art von Vandalismus, den CDU-Parteichefin Natalina di Racca-Boenigk in anderer Ausprägung kennt. Sie berichtet von Plakaten des christdemokratischen Ratsherrn Dietrich Drechsler, die mit Hakenkreuzen versehen worden seien. Dasselbe Schicksal habe die Kandidatin Michaela Romstöck ereilt. „Klar kennen wir das Phänomen verunstalteter Plakate, aber bei rechtsextremen Symbolen und Bedrohungen hört es auf“, sagt die Racca-Boenigk. Sie kündigt an, am Freitag ebenfalls Strafanzeige zu stellen. Was Kritiker Karabacak zuweilen vorwerfen ist seine Sichtweise der Dinge in der Türkei. So wird er nicht müde, zu betonen, dass es sich im Heimatland seiner Eltern trotz der Machtfülle des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan noch immer demokratische Strukturen gebe. Auch Äußerungen zum Fall des inhaftieren Journalisten Denis Yücel kamen nicht überall gut an – Karabacak hatte dessen Inhaftierung gerechtfertigt, was ihm den Ruf einbrachte, dem harten Kurs des türkischen Präsidenten nahezustehen. „Das ist falsch, ich distanziere mich klar von Erdogan, würde ihn niemals wählen“, sagt Karabacak, der noch Familie in der Nähe von Pamukkale hat. Im Fall Yücel habe er lediglich darauf verwiesen, dass auch die Türkei ein Rechtsstaat und als solcher zu respektieren sei.

Gehetzt wird während des Wahlkampfs auch in sozialen Netzwerken wie Facebook. Dort wird Karabacak, dessen Telefonnummer ebenso wie seine Wohnadresse auf CDU-Flyern steht, ebenfalls attackiert. „Man muss uns ja nicht wählen, aber respektieren“, sagt di Racca-Boenigk.

Die Wahl

Am 6. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt. In Pinneberg kämpfen CDU, SPD, Grüne & Unabhängige, Bürgernahe und FDP um die Sitze in der Ratsversammlung.

In der Kreisstadt gibt es 34.277 Wahlberechtigte, die in 18 Wahlkreisen an die Urnen gerufen werden. Am Wahlabend wird es eine Präsentation der Ergebnisse geben – im Ratssaal, Bismarckstraße 8.

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Kai Vogel ist Parteichef der Pinneberger SPD. Hauptkonkurrent also von di Racca-Boenigk und Karabacak. Das hält ihn nicht davon ab, deutliche Worte zu wählen: „Das ist eine Schande“, sagt Vogel. „Das darf nicht sein.“ Er kenne Karabacak seit vielen Jahren, schätze den Christdemokraten, der in Pinneberg 2012 den Verein Brücken der Kulturen gegründet hat, um Integration voranzubringen. Persönliche Angriffe in den sozialen Netzwerken habe auch er schon erlebt, so Vogel. Aber nicht von der Qualität.

Baris Karabacak ist im Kreis Pinneberg der einzige CDU-Kandidat mit türkischen Wurzeln. Eine Rolle spielt das für ihn eigentlich nicht. Schließlich ist er in Pinneberg geboren worden, besuchte die Karl-Sörensen-Schule an der Lindenstraße und arbeitet jetzt als Wirtschaftsfachwirt in seiner Heimatstadt. „Klar, ich bin Moslem, aber ich lebe meinen Glauben privat“, sagt der 30-Jährige. „Mehr Integration und Verbundenheit zu Pinneberg als bei ihm geht überhaupt nicht“, ergänzt di
Racca-Boenigk.

Einknicken will Baris Karabacak angesichts der telefonischen Bedrohung und Parolen auf Plakaten nicht. Natürlich mache er mit dem Wahlkampf weiter. „Jetzt erst recht“, sagt der 30-Jährige. Die Polizei fahre nach dem ominösen Anruf häufiger mal Streife vor seinem Haus in Pinneberg-Nord. Die Telefonnummer des Anrufers sei übrigens nicht mal unterdrückt gewesen, er habe sie an die Polizei weitergereicht. „Aber vermutlich war das eine Prepaidkarte“, sagt Karabacak. Dass ein Täter ermittelt wird, wäre dann deutlich unwahrscheinlicher.