Burkhard Fuchs. Minimal-Eingriff statt Riesen-Schnitt, Patient kann nach vier Tagen heim: Spanier zeigt, was es in Deutschland noch nie gegeben hat.

Die lungenmedizinische Fachwelt blickt gespannt nach Pinneberg. Es ist Montagmorgen, als der weltweit anerkannte Thorax-Chirurg Dr. Diego Gonzáles-Rivas, der jährlich etwa 800 Lungen-OPs macht, zusammen mit Oberarzt Dr. Hamid-Reza Mahoozi einen Patienten aus Wedel mit einer minimalinvasiven Spezialmethode operiert, die nur einen Zugang über das Brustbein zur Lunge braucht und somit besonders schonend und weniger schmerzbehaftet für den Patienten ist. Da Gonzáles-Rivas seine OP-Variante erstmals in Deutschland vorführt, lässt es sich ein halbes Dutzend Thorax-Chirurgen namhafter Kliniken aus ganz Deutschland nicht nehmen, die Operation live mitzuverfolgen. Mit dabei: ein Reporter des Hamburger Abendblatts.

Dr. Hamid-Reza Mahoozi (l.) und Dr. Diego Gonzales-Rivas
Dr. Hamid-Reza Mahoozi (l.) und Dr. Diego Gonzales-Rivas © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Zunächst erläutert Pinnebergs Chefarzt Dr. Hamid Mofid, wie fortschrittlich diese Operationsmethode für Lungenoperationen sei. So werde hierzulande auch minimalinvasiv noch so operiert, dass der Brustkorb seitlich aufgeschnitten und weit geöffnet wird, um einen Lungenkrebs oder wie jetzt in Pinneberg eine große Luftblase in der Lunge zu operieren. Dabei könnten Rippen brechen und wichtige Gefäße angegriffen werden, sodass der Patient noch sechs bis acht Wochen lang starke Schmerzen davontrage. „Gerade hierzulande ist die Thorax-Chirurgie sehr konservativ“, sagt Dr. Patrick Zardo von der Medizinischen Hochschule in Hannover, der am OP-Tisch die revolutionäre Arbeit des spanischen Kollegen beobachtet.

Spanier praktiziert an riesiger Klinik in Shanghai

Gonzáles-Rivas, der an der weltweit größten Lungen-Fachklinik in Shanghai praktiziert, die 13.000 OPs im Jahr ausführt, braucht dagegen nur einen zwei Zentimeter kleinen Schnitt am Brustbein, um zur Lunge des Patienten vorzustoßen. „Das ist einfach die Highend-Methode der Thorax-Chirurgie“, sagt Dr. Sebastian Kellner, selbst Chefarzt am Klinikum Kassel, begeistert. „Ich habe schon Tausende von Lungenpatienten operiert, bin dabei aber noch nie so minimalinvasiv und schonend für die Patienten vorgegangen.“

Die deutschen Lungen-Spezialisten sind schon am Sonntag in die Kreisstadt angereist, um sich mit Gonzáles-Rivas fachlich auszutauschen. Unmittelbar vor dem Eingriff, erläutert Dr. Mahoozi mit einem Videofilm, wie sie bei der OP vorgehen werden. Bevor er im Juli 2017 nach Pinneberg gekommen ist, hat Mahoozi selbst bei Gonzáles-Rivas studiert. Seitdem habe er hier 320 Lungenpatienten erfolgreich operiert, was vorher im Kreis Pinneberg nicht möglich gewesen ist. „Wir mussten unsere Lungenpatienten zuvor von der Pneumologie-Abteilung im Krankenhaus Wedel dafür extra nach Hamburg oder Großhansdorf schicken“, sagt Chefarzt Dr. Mofid. Er ist stolz, dass die Regio Kliniken diesen Eingriff nun bei Lungenkrebs-Patienten und ähnlich schweren Lungenerkrankungen selbst anbieten können. „Wir führen jetzt jeden Tag eine große Lungen-OP im Klinikum Pinneberg durch.“

Dieses Jahr schon 120 Eingriffe an der Lunge

Die Regio Kliniken mit ihren Krankenhäusern in Pinneberg, Elmshorn und Wedel versorgen etwa 35.000 Patienten stationär im Jahr.

Das Klinikum Wedel hat sich zu einer Lungenfachklinik spezialisiert. Operationen mussten allerdings bis Juni 2017 von dort in andere Krankenhäuser vermittelt werden, so Chefarzt Dr. Hamid Mofid.

Seit jetzt der lungenchirurgische Spezialist Dr. Hamid-Reza Mahoozi zu den Regio Kliniken gestoßen ist, sei das nicht mehr notwendig.

Im Gegenteil: Dr. Mahoozi hat voriges Jahr 200 und in diesem Jahr bereits 120 Patienten aus Pinneberg und dem Raum Hamburg an der Lunge operiert – in Pinneberg.

Die Vorstellung der Spezialmethode von Dr. Diego Gonzáles-Rivas, die jetzt zum OP-Standard werden soll, war die dritte ärztliche Fachtagung bei den Regio Kliniken. bf

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Nun wird’s ernst. Auch für den Patienten, einen 75 Jahre alten Mann aus Wedel, bei dem sich durch starkes Rauchen und einen Enzym-Mangel eine große Luftblase im rechten Lungenflügel gebildet hat. Diese soll nun endoskopisch aus der Lunge herausgeschnitten werden. Der OP-Saal gleicht jetzt einer betriebsamen Bahnhofsvorhalle. Während der Patient, schmerzfrei eingeschläfert mit Fentanyl und Propofol, für den Eingriff noch an der Brust rasiert und richtig postiert wird, geben die beiden OP-Ärzte letzte Anweisungen. So bitten sie, dass die Bildschirme direkt hinter dem Patienten für sie so dicht wie möglich die innere Welt des sedierten Patienten darstellen. Nun macht Dr. Gonzáles-Rivas seinen angekündigten Schnitt am Brustbein und führt die Kamera in den Körper des Patienten ein. Wie ein Videoclip flimmert nun der erkrankte Lungenflügel ins Blickfeld. Es ist mucksmäuschenstill im OP-Saal. Die Facharztkollegen verfolgen andächtig und staunend, wie geschickt und ruhig Gonzáles-Rivas und Mahoozi vorgehen.

Noch müssen sich die Operateure durch viel Fettgewebe hindurchschneiden. Dann ist endlich die Luftblase zu sehen, die dem Patienten das Atmen erschwert. Geschickt schneidet Gonzáles-Rivas das kranke Stück Organ aus dem Mittellappen heraus. Das ist jetzt Schwerstarbeit, die die völlige Konzentration der Spezialisten erfordert. Denn keinesfalls dürften die nichtbetroffene Arterien, Venen und Bronchien seziert werden, hat Mahoozi vor dem Eingriff erläutert.

Der Rest ist Routinearbeit. Als alles fertig ist, sind noch nicht einmal zwei Stunden vergangen. „Die Operation ist super verlaufen. Es gab überhaupt keine Komplikationen“, freut sich der Lungen-Spezialist der Regio Kliniken. „Der Patient wird jetzt einen deutlich besseren Allgemeinzustand und eine deutlich bessere Lebensqualität genießen können.“ Heute soll der Patient schon die Intensivstation verlassen und Donnerstag nach Hause gehen können.