Pinneberg. Die Kreisstadt hofft auf kostenlose Werkspenden für die City, doch die Pinneberger Kreativen wollen sich nicht ausbeuten lassen.

Nach einem Aufruf der Stadt Pinneberg, Kunst kostenlos zur Verfügung zu stellen, um die Stadt zu verschönern, regt sich unter den hiesigen Künstlern große Empörung. „Kunst darf kein Pool der Ausbeutung sein“, sagt Karl-Heinz Boyke, Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Bildenden Künstler in Schleswig-Holstein.

Das von der Politik ewig vorgebetete Mantra der leeren Kassen überzeugt den Sachverständigen für Kunst im öffentlicher Raum nicht. „Auch die Künstler gucken gelegentlich die Tagesschau und hören interessiert von enormen Steuereinnahmen“, sagt der Uetersener Maler und Bildhauer. „Oder sie sehen, dass für viele Tausend Euro ein Denkmal aus der NS-Zeit restauriert werden konnte, das an ihrem Pinneberger Bahnhof neu erstrahlt.“

Boyke begrüßt das Vorhaben, Kunst in den öffentlichen Raum in Pinneberg zu bringen, zunächst einmal. „Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass kunstbasierte Projekte und Werke im öffentlichen Raum wesentlich zur Lebendigkeit und Entwicklung von Stadträumen beitragen“, so Boyke. Das zeige unter anderem der erfolgreiche Skulpturensommer in Bissee (Kreis Rendsburg-Eckernförde). „Nur kann ich die Bitte an die Kunstschaffenden, ihre Werke dafür kostenlos bereitzustellen, nicht gutheißen.“

Viele Fragen noch ungeklärt

Es sei nicht mit der Bereitschaft getan, der Stadt ein Objekt kostenlos zur Präsentation zur Verfügung zu stellen getan. Wer komme für Transport, Auf- und Abbau, Versicherungen auf? Wer gewährleiste eine sichere Aufstellung? Wie würden Künstler bei Verlust oder Beschädigung entschädigt?

Boyke fällt dazu Jörg Plickat ein, der auch schon in der Pinneberger Drostei ausgestellt hat. Der Bildhauer mit Weltruf hatte 2013 das Landesmuseum auf 40.000 Euro Schadensersatz verklagt, weil dort ein drei Zentimeter großes Stück Marmor aus einer mehr als zwei Meter hohen Skulptur beim Aufstellen herausgebrochen ist. „Fragen zum Vandalismus oder Sturmschäden sind nicht geklärt“, sagt Boyke. „Soll das auch der Künstler übernehmen?“ Bekäme der Künstler eine Spendenbescheinigung für entstandene Ausgaben? Die Liste an Fragen ist lang.

Das ist der BBK

Der BBK-SH ist die Berufsvertretung der professionellen Künstler in Schleswig-Holstein. Als Institution ist er Ansprechpartner für alle, wenn es um die Belange der Bildenden Kunst geht.

Der BBK-SH setzt sich für bessere Bedingungen auf künstlerischem, publizistischem, wirtschaftlichem, sozialem und arbeitsrechtlichem Gebiet für die Künstler ein.

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Statt die Pinneberger Künstler zu bemühen, ihre Stadt kostenlos zu schmücken, sollten Politik und Verwaltung einen anderen Ansatz verfolgen, so Boykes Vorschlag. „In Schleswig-Holstein werden landesweit Skulpturen und Objekte rückgebaut und einige sogar auf dem Schrott entsorgt.“ Diesen Werken könnte Pinneberg eine neue Heimat bieten. „Die Fachhochschule Kiel macht es vor. Dort ist deren Bestand bereits auf mehr als 550 Werke angewachsen.“

„Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem auch deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. Diese Worte sind nicht von mir, sondern stammen aus einer Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bei der Entgegennahme der Denkschrift „Kultur in Berlin“ am 11. September 1991“, sagt Boyke. Laut Weizsäcker sei die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Haushalte als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst.

Als grotesk und unverschämt empfindet die Fotokünstlerin und Kulturpreisträgerin Gagel den Aufruf der Stadt, ihre Arbeit kostenlos zu Verfügung zu stellen. „Wir sind freischaffend. Wir versuchen, von unserer Arbeit zu leben“, sagt die Pinnebergerin. Die Stadt hatte ihr Anliegen mit einem Brief direkt an die Künstlergruppe Feine Menschen gerichtet, zu denen neben Gagel auch Marion Inge Otto-Quoos, Brigitta Höppner und Florian Huber gehören. Alle seien gesprächsbereit. Den Aufruf aber unter der Prämisse zu starten, alles für lau hinzustellen, sei unprofessionell, so Gagel.

Jeder freischaffende Künstler auch Unternehmer

„Wir machen das hauptberuflich“, sagt Höppner. „Normalerweise gibt es eine Ausschreibung, dann werden Standort und Budget festgelegt.“ Schließlich verursachen auch der Transport, das Fundament, das Aufstellen des Objekts oder die Berufshaftpflicht Kosten. Auch Material, Werkzeuge und Werkstattmiete müssten bezahlt werden. Oft genug seien Künstler schon jetzt gezwungen, ohne Honorare zu arbeiten. So werden die Aktionen der Gruppe im Stadtwald Fahlt vom Kreis finanziell unterstützt, allerdings werden nur die Materialkosten erstattet.

„Jeder freischaffende Künstler ist auch Unternehmer“, sagt Otto-Quoos. Niemand erwarte, in einem Restaurant kostenlos essen zu können oder beim Friseur für lau einen neuen Haarschnitt zu bekommen. Und im Rathaus arbeite auch niemand ehrenamtlich.