Elmshorn. Sie sind beruflich unterwegs, Vielfahrer. Was sie dabei erleben, erzählen sie in unserer Serie „Auf Achse“. Heute: der Weihnachtsmann.

Die kleine Lotta klemmt sich an die Beine ihrer Mama Holle Wegner. Mit großen Augen starrt sie den Mann mit dem langen, weißen Bart an. Sie kann es gar nicht glauben, wer vor ihr steht: Es ist der Weihnachtsmann. „Hohoho! Naa, Lotta, weißt du, wie lange es noch bis Weihnachten ist?“, fragt der Mann im roten Gewand. „Noch zweimal schlafen“, antwortet die Vierjährige stolz. „Genau“, sagt der Weihnachtsmann. „Deshalb müssen mein Gehilfe und ich uns jetzt beeilen und gucken, ob der Schlitten noch in Schuss ist.“

Er zeigt auf einen alten, großen Holzschlitten, der unter der Decke hängt. Das Gefährt macht einen zerbrechlichen Eindruck. Sollte er auf die Schnelle nicht zu reparieren sein, müsse er auf ein moderneres Fahrzeug zurückgreifen, sagt der Weihnachtsmann. „Und? Was wünschst du dir, kleine Lotta?“, fragt der Gehilfe des Weihnachtsmannes. Das Mädchen hat seine Liste genau im Kopf: ein rosa Sparschwein, ein Prinzessinnenkostüm und eine Kinderkamera. „Na, mal sehen, was morgen unter dem Tannenbaum liegt“, antwortet der Gehilfe des Weihnachtsmannes.

Die Serie

Viel unterwegs, selten, ja vielleicht nie am Schreibtisch: In unserer Serie porträtieren wir Menschen, die beruflich immer „auf Achse“ sind.

Erschienen sind bisher Reportagen über einen Taxifahrer, einen ADAC-Pannenhelfer, Polizisten, eine Bäckersfrau, zwei Müllwerker, eine Altenpflegerin, einen Lokführer, die Betreiberin einer mobilen Suppenküche, einen Fahrlehrer.

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Dieter Staack und David Atohoun sind auf Achse. Die beiden haben kurz vor Heiligabend alle Hände voll zu tun. Denn Dieter Staack ist der Weihnachtsmann. Natürlich nicht in Wirklichkeit. Der 65-Jährige zieht im Auftrag der Weihnachtsmann-Vermittlung der Dittchenbühne in Elmshorn am 24. Dezember mit rotem Gewand, schwarzen Stiefeln und einem weißen Bart von Familie zu Familie und beschenkt die Kinder. Immer mit an seiner Seite: der 20 Jahre alte David Atohoun. Er spielt den treuen Gehilfen. „Allein ist es kaum zu schaffen“, sagt Staack. „Als Weihnachtsmann hat man unheimlich viele Aufgaben zu erfüllen. Ich bin froh, nicht alles allein schleppen zu müssen.“

Der Weihnachtsmann und sein Gehilfe: David Atohoun (v.l.) und Dieter Staack
Der Weihnachtsmann und sein Gehilfe: David Atohoun (v.l.) und Dieter Staack © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Heiligabend ist Hochkonjunktur. Acht bis zehn Familien besuchen die beiden Männer, von Glücksstadt bis Pinneberg. Ihr Arbeitstag beginnt um 15 Uhr. Meistens sind sie bis 19 Uhr unterwegs. Jeder Auftritt dauert um die 15 Minuten. Viel mehr Zeit haben sie auch nicht, dann geht es schon wieder zack zurück in das Auto und auf zum nächsten Termin. „Da bleibt nicht viel Zeit für Kaffee und Kuchen“, sagt der 65-Jährige. „Das war schon sehr stressig letztes Jahr.“

Und der Stress beginnt schon Tage vor Heiligabend. Dieter Staack muss sich bei allen Familien Informationen über die Kinder einholen. Das sei eine zentrale Aufgabe des Weihnachtsmannes, sagt dessen Gehilfe David Atohoun. „Die Kinder sollen ja auch denken, dass der Weihnachtsmann alles weiß. Das macht das Ganze authentisch.“ Und auch die Eltern wollen noch ihre Wünsche loswerden. „Das eine Kind hat sich beim Schwimmunterricht bewährt, das andere hingegen hat sein Haustier vernachlässig“, sagt der 65-Jährige. „Wir geben pädagogische Ratschläge. Die Rute gibt es bei uns nicht.“

Ehrenamtliche Schneiderin passt die Kostüme an

Die Anprobe der Kostüme steht ebenfalls auf der To-do-Liste des Weihnachtsmannes und seines Helfers. Dafür fahren die beiden zur Dittchenbühne und lassen ihre Anzüge von einer ehrenamtlichen Schneiderin anpassen. Schließlich soll jeder Auftritt perfekt sein.

Bevor der Weihnachtsmann an die Haustür einer Familie klopft, heißt es volle Konzentration. Man wolle schließlich niemanden enttäuschen, sagt Staack. Die beiden Männer treten mit einem roten Weihnachtsbuch und einem Sack voller Geschenke in die gute Stube ein. „Es ist immer ein besonderer Moment“, weiß Staack. „Die Familie sitzt da und ist ganz gespannt, wie die Sprösslinge reagieren.“ Kreischend weggelaufen sei noch kein Kind. „Die Kids sind schon happy, dass der Weihnachtsmann da ist“, sagt David Atohoun. „Einige sind etwas schüchtern, aber alle haben Respekt. Sie denken: Oh, da steht wirklich der Weihnachtsmann.“

Grundfertigkeiten

Ein Weihnachtsmann muss zuhören: Kinder stellen viele Fragen. Er muss sich viel merken und die passenden Antworten geben können. Er muss kommunikativ und gütig sein und sich gut benehmen.

Eine tiefe, respekteinflößende Stimme ist vom Vorteil. Das Gesagte hat eine große Bedeutung für die Kinder. Sie sollen das, was der Weihnachtsmann ausspricht, befolgen.

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Das Schönste an seinem Job ist, Freude zu verbreiten, Kinder zu loben und Geschenke zu verteilen, sagt Dieter Staack. „Da passiert was im Kinderköpfchen.“ Dafür nehmen die beiden Männer auch in Kauf, erst später am Heiligabend bei ihren eigenen Familien zu sein. „Wer opfert schon freiwillig Weihnachten?“, fragt David Atohoun. „Es ist eine Herzensangelegenheit.“

Seit drei Jahren arbeitet der Rentner als Weihnachtsmann. Letztes Jahr kam dann David dazu. Seitdem treten sie als Duo auf. „Zu zweit bringt die Sache viel mehr Spaß“, sagt Staack. „Ich bin mit David und seiner Familie befreundet, uns verbindet ein tolles Verhältnis.“

Die Familie des 20-Jährigen kommt aus Westafrika. Atohoun selbst ist in Elmshorn geboren. Trotzdem war die Zusammenarbeit mit Staack am Anfang für ihn ein Wagnis. Ein farbiger Weihnachtsmann? „Ich hatte erst Angst, dass mich die Kinder nicht akzeptieren würden“, sagt er. „Aber ich wollte es ausprobieren und habe nur positive Resonanz bekommen.“ Der Elmshorner freue sich, dass sich die Sicht der Kinder vom weißen Weihnachtsmann auflockere. Dieter Staack will ein Zeichen setzen: „Wir sind eine bunte Gesellschaft“, sagt er. „Freundschaft ist unabhängig vom Alter, der Hautfarbe und der Herkunft.“