Elmshorn. Die Bergungsarbeiten nach dem Unfall am Mittwoch kommen voran. Der Zugverkehr bleibt aber weiter eingeschränkt.
Es ist 7.08 Uhr, als der Regionalexpress 11004 am Mittwoch den Bahnhof Elmshorn verlässt. Nur 50 Meter weiter ist die Zugfahrt, die von Hamburg-Altona nach Westerland führen soll, beendet. Mit einem lauten Knirschen springen die ersten beiden der vier Waggons aus den Schienen und bleiben in starker Schräglage zwischen den Gleisen liegen. Dabei werden eine Reisende (28) und die 44-jährige Zugbegleiterin leicht verletzt.
Der Unfall legt die meistbefahrene Bahnstrecke im Norden für Tage lahm – und er kommt für die Bahn zur Unzeit. Im Oktober sorgten die beiden Herbststürme für tagelange Zugausfälle in diesem Bereich. Am 8. November riss zwischen Pinneberg und Elmshorn eine Oberleitung, sodass mehrere Stunden kein Zug verkehren konnte. Zudem kämpft das Unternehmen seit einem Jahr auf der Marschbahnstrecke nach Westerland mit kaputten Zügen und Loks. Der jetzt verunglückte Zug war erst vor Kurzem nach der Reparatur freigegeben worden.
Falsch gestellte Weiche verantwortlich?
Dass ein Materialfehler ursächlich ist, erscheint eher unwahrscheinlich. Naheliegender wäre eine falsch gestellte Weiche, da der Zug bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof mehrfach das Gleis wechseln musste. Möglich wäre auch, dass der Unfall Folge der Bauarbeiten ist, die bereits mehrere Wochen im Bereich des Bahnhofs andauern und den Fahrplan zum Leidwesen der Fahrgäste diverse Male durcheinandergewirbelt haben.
„Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles Spekulation“, sagt Hanspeter Schwartz, Sprecher der Bundespolizei. Seine Kollegen kümmern sich gemeinsam mit den Spezialisten des Eisenbahnbundesamtes, die am späten Vormittag eintrafen, um die Ursachenermittlung. Laut Schwartz war der Zug zum Unfallzeitpunkt mit sehr geringer Geschwindigkeit unterwegs. „Bei hohem Tempo wäre das anders ausgegangen.“
Ein Waggon steht wieder auf den Gleisen
Im Regionalexpress befanden sich mehr als 100 Fahrgäste. Sie konnten den Zug wenig später mithilfe der Feuerwehr verlassen. Die verletzte Bahnmitarbeiterin kam vorsorglich ins Krankenhaus, die ebenfalls verletzte Reisende wurde vor Ort ambulant behandelt. Die Polizei sperrte den Bahnhofsbereich weiträumig ab. Der Schaden soll im sechsstelligen Bereich liegen.
„Unser Ziel ist es, die Strecke so schnell wie möglich wieder freizugeben“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Die Bahn forderte zwei Schienenkräne aus Leipzig an, die in der Nacht zu Donnerstag in Elmshorn eingetroffen sind. Bis Donnerstagmittag konnten die zwei entgleisten Waggons wieder auf die Schienen gehoben werden. Die beiden anderen Waggons können abgekoppelt und mit der Lok, die ebenfalls nicht entgleist ist, weggeschoben werden.
Bahnnutzer mussten starke Nerven beweisen
Erst nach der Bergung der Waggons sei es möglich, sich ein Schadensbild vom Oberbau zu verschaffen. Der Bahnsprecher geht davon aus, dass auch Schotter, Gleise und Weichen mit größerem Aufwand repariert werden müssen. Das betroffene Gleis war erst vor Kurzem erneuert worden. Während zwei der drei Gleise beschädigt sind, ist das dritte nicht betroffen.
Am Mittwoch passierten dort nur einzelne Güterzüge die Unfallstelle. Bahnnutzer mussten starke Nerven beweisen, weil Hunderte Züge ausfielen. Kiel ist auch am Donnerstag noch nur über Lübeck, Flensburg lediglich über Neumünster und Bad Oldesloe erreichbar. „Das sind große Umwege, aber es geht noch am schnellsten“, so Meyer-Lovis. Sylt-Reisende traf es am Mittwoch besonders hart. Sie mussten bis Pinneberg auf die S-Bahn ausweichen, ehe es mit dem Bus bis Itzehoe weiterging, von wo aus die Züge verkehrten.
Christoph Ebeling wollte von Altona nach Itzehoe, um seine Eltern zu besuchen. „Nur weil ich im Anschluss noch drei Tage Urlaub auf der Ecke anhänge, habe ich das nicht verschoben.“ Für ihn ging es mit der S-Bahn nach Pinneberg, von dort weiter per Bus nach Elmshorn, wo er in einen anderen Bus nach Itzehoe umstieg. Immerhin bekam er für die restlichen 15 Kilometer zu seinen Eltern von der Bahn einen Taxigutschein. „Da kann ich nicht meckern.“
Arbeitsweg wird zur Geduldsprobe
Meckern taten Tausende Pendler, deren Arbeitsweg zur Geduldsprobe wurde. Immerhin bediente die Nordbahn alle zwei Stunden die Strecke zwischen Altona und Tornesch – und auf sozialen Medien boten hilfsbereite Zeitgenossen Mitfahrgelegenheiten an.
Am Donnerstag können Personenzüge die Unfallstelle zumindest eingeschränkt passieren. Die Marschbahn fährt im Stundentakt zwischen Altona und Westerland, außerdem pendelt die Regionalbahn zwischen Pinneberg und Dauenhof. Die Züge Richtung Kiel und Flensburg fallen aus,