Schenefeld. Das Geschäft mit dem schönen Namen ist gewachsen. Leiterin Ingrid Pöhland blickt auf bislang acht erfolgreiche Jahre zurück.
Ingrid Pöhland und Glücksgriff – beides hat viel miteinander zu tun in Schenefelder, und das seit mehr als acht Jahren. So lange besteht das von Pöhland gegründete Secondhandkaufhaus namens Glücksgriff schon, so lange erlebt der Trägerverein, der die erzielten Einnahmen an soziale Projekte vergibt, einen rasanten Aufstieg. „Das ist inzwischen ein Fulltime-Job“, sagt Pöhland. Ein Job, den sie ohne Bezahlung erledigt – und für den sie ihr zweites Ehrenamt aufgibt: Die 70-Jährige, die für die SPD in der Ratsversammlung der Stadt sitzt und den Finanzausschuss leitet, tritt bei der Kommunalwahl im Mai 2018 nicht mehr an. „Das wird mir alles zu viel.“
Dass der Glücksgriff sich zu einem eben solchen entwickeln würde, war zu Beginn kaum denkbar. „Ich hatte keinen Raum, kein Geld, keine Ware, nur eine Idee: Ich wollte ein Sozialkaufhaus gründen“, sagt Pöhland. Einen Raum fand sie an der Lornsenstraße, wo der Glücksgriff noch heute sitzt. Vor Spenden – Waren und Geld – konnte sie sich aber schon bald nicht mehr retten, sodass sie in Windeseile Lagerräume organisieren musste. „Das ging so weit, dass wir ein Vierteljahr lang gar keine Spenden mehr annehmen konnten“, erinnert sich Pöhland. Dann standen genügend Räumlichkeiten zur Verfügung. Von der Idee des Sozialkaufhauses musste sie sich dennoch bald verabschieden. „Das gab Probleme mit dem Finanzamt“.
Öffnungszeiten
Die sind inzwischen behoben – und auch das gewählte Konstrukt mit dem Secondhandkaufhaus und dem gemeinnützigen Trägerverein erwies sich als Glücksgriff. „Bei uns kann jeder gut und günstig einkaufen. Ohne Einkommensnachweis oder Hartz-IV-Bescheinigung. Und alle zahlen bei uns den gleichen Preis“, sagt die Vereinsvorsitzende und Chefin des Unternehmens.
Das Konzept geht auf. Vor dreieinhalb Jahren eröffnete der Glücksgriff im ehemaligen Postgebäude am Heisterweg – es wurde von der Stadt erworben – eine Dependance, die dreimal die Woche halbtags öffnet. Und dieses Jahr nahm Pöhland an der Lornsenstraße eine benachbarte Ladenfläche dazu, sodass dort nun eine Verkaufsfläche von 110 Quadratmetern zur Verfügung steht. Kleidung dominiert das Angebot. Jacken, Hosen, Hemden, Blusen, Pullover, Schuhe – alles für Damen, Herren und Kinder ist offenbar im Überfluss vorhanden. „Alles Spendenware“, sagt Pöhland stolz. Alles ist gewaschen, wirkt wie neu. „Wir arbeiten nichts auf“, sagt die Chefin. Was aussortiert werden muss, geht an eine Kleiderkammer in Wilhelmsburg, kommt also auch sozialen Zwecken zugute.
Außer Kleidung gehören auch Gläser, Teller, Tassen, Krüge, Besteck und weitere dekorative Hausratsgegenstände zum Sortiment. Selbst Armbanduhren, Kinderspiele, Bücher und DVDs sind vorhanden. Eine wahre Fundgrube für wenig Geld. „Wir nutzen jeden Quadratmeter“, sagt Pöhland. Selbst in der Toilette, die auch als Umkleidekabine dient, ist ein Regal mit fast neuen Schuhen aufgestellt.
Gut aufgestellt ist auch der Verein. Mittlerweile 50 ehrenamtliche Helferinnen halten den Betrieb an der Lornsenstraße, wo täglich außer sonntags geöffnet ist, sowie an der Heisterstraße aufrecht. Auch ein Fahrzeug steht zur Verfügung, um die Ware von den Lagerstätten in die Verkaufsräume zu bringen. Die Seitenwände und die Rückseite sind mit den Emblemen von Sponsoren bedruckt, die dafür wiederum Geld in die Vereinskasse zahlen – aktuell ein Dachdecker, eine Versicherungsagentur und eine Immobilienfirma. „Was wir noch brauchen würden, sind Ehrenamtliche, die uns als Fahrer unterstützen“, sagt Pöhland.
Täglich kommen rund 50 Kunden
5000 Euro an Betriebskosten muss der Glücksgriff mittlerweile monatlich einspielen. Dank der 50 Kunden, die täglich kommen, der Tatkraft der Helferinnen und dem Einfallsreichtum der Chefin wird das weit übertroffen. Mit dem Überschuss liefert der Verein pro Woche mehr als 200 Kilogramm Äpfel an die Schulen und Kitas, damit die Kinder Vitamine bekommen. An den Grundschulen wird Unterricht zur Gewaltprävention bezahlt, für einen Kochkursus und ein Modeatelier (beides an der Gemeinschaftsschule) werden die Kosten übernommen, seit Kurzem wird auch ein Sprachkursus für Flüchtlingsmütter inklusive einer Kinderbetreuung finanziert. Auch die Anschubfinanzierung für die Schenefelder Tafel, ein zweites, mittlerweile nachgefragtes Sozialprojekt der Stadt, kam vom Glücksgriff.
Das alles hat seinen Preis – in diesem Fall nicht finanziell gesehen. Mindestens 40 bis 50 Stunden pro Woche wirbelt Ingrid Pöhland hinter den Kulissen ihres Glücksgriffs. „Das ist inzwischen ein Vollzeitjob. Es hat ja keiner gewusst, dass wir so groß werden würden.“ Zu groß eben für ein weiteres Ehrenamt. Und trotzdem ist es Pöhland wichtig, ihren Rückzug aus der Politik zu begründen: „Das ist ein konsequenter und ehrlicher Weg.“ Zur Kommunalwahl im Mai kommenden Jahres werde sie daher auch nicht als sogenannte Zählkandidatin auf einem der hinteren Listenplätzen der SPD antreten, sagt Pöhland.