Wedel. Investor will 50-Hektar-Areal erschließen. Stadt würde ein Vielfaches mehr ausgeben als einnehmen
Die Stadt Wedel würde draufzahlen müssen, wenn ein Investor das Neubauprojekt Wedel-Nord realisiert. „Die Ausgaben übersteigen vor-aussichtlich die Einnahmen“, erklärte Jens-Martin Gutsche den Mitglieder des Planungsausschusses während ihrer jüngsten Sitzung. Zum ersten Mal haben die Wedeler Politiker die Auswirkungen eines Großvorhabens auf die Stadtkasse wissenschaftlich untersuchen lassen. Mit dieser fiskalischen Wirkungsanalyse beauftragten sie das Büro Gertz Gutsche Rümenapp Stadtentwicklung und Mobilität aus Hamburg.
Die Experten untersuchten die zu erwartenden Einnahmen der Stadt durch die Entwicklung des Wohngebietes Wedel-Nord, wie Flächenverkauf, Einkommens- und Grundsteuer. Gegengerechnet wurden zusätzliche Ausgaben der Stadt, wie für Kinderbetreuung und Schulen, Grünflächen, öffentlichen Personennahverkehr und Planungskosten.
Mehr Wohneinheiten bedeuten ein kleineres Minus
Zwei Modelle für Wedel-Nord sind derzeit in der Diskussion. Bei dem Siegerentwurf eines Ideenwettbewerbs, mit dem 875 Wohneinheiten geschaffen werden würden, summiert sich das Minus für die Stadt nach 25 Jahren auf 2,8 Millionen Euro. Bei einem zweiten Szenario mit engerer Bebauung, mit dem 1286 Wohneinheiten geschaffen werden würden, überstiegen die Mehrausgaben die Mehreinnahmen nach einem Vierteljahrhundert um 1,4 Millionen Euro. Die Studie sei nicht als Aufforderung zu werten, in die eine oder andere Weise zu entscheiden, sagte Gutsche. Er habe schon negative Wirkungsanalysen gesehen, bei denen sich das Projekt positiv entwickelt habe — und umgekehrt.
„Begeistert“ war Ausschussmitglied Manfred Eichhorn (SPD) noch vor einem Jahr von Wedel-Nord, doch seine Stimmung habe sich verändert. „Wir müssen uns ernsthaft überlegen, ob wir so viel Geld ausgeben wollen“, sagte er. Der Genosse regte an, über Alternativen nachzudenken, mit denen Wohnraum geschaffen werden kann.
Als „völlig anders“ beschrieb Martin Schumacher (FDP) seine Stimmungslage. Er sei anfangs nicht begeistert gewesen, habe jetzt aber „riesig Lust an dem Projekt weiterzuarbeiten“. Der Liberale zweifelte einige Annahmen des Gutachters an, die sich negativ auf die Einschätzung des 50-Hektar-Projekts auswirkten. Würden diese Annahmen verändert, sähe es „völlig anders aus“, sagte Schuhmacher.
Der Ausschussvorsitzende Michael Schernikau (CDU) erklärte, dass er eher der Position des Liberalen als der des Sozialdemokraten zuneige. Joachim Funck (Wedeler Soziale Initiative, WSI) sah die grundsätzlichen Bedenken seiner Fraktion gegen Wedel-Nord bestätigt.
Mit einer ebenfalls in der Sitzung vorgestellten Fortschreibung des Wohnungsmarktkonzepts bekamen es die Politiker schriftlich, dass sie in Sachen Neubau etwas tun müssen. „Es wird hier dauerhaft Druck auf dem Kessel geben“, sagte Felix Arnold vom Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. Schon in den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Nachfrageanstieg. Zuwanderer kamen vor allem aus Hamburg sowie dem Süden und Südosten Europas.
Es mangele besonders an preisgünstigem sowie barrierefreien Wohnraum, sagte Arnold. Zudem würden Wohnungen für Familien gebraucht. Mit innerstädtischer Verdichtung ist das Problem für den Experten nicht zu lösen. Neue Baugebiete müssten ausgewiesen werden. „Wie weit sie wachsen wollen, wie viel sie von dem Zuzug abhaben wollen, das entscheiden Sie“, sagte er an die Adresse der Politiker.
Lob für das Vorgehen der Wedeler Politiker gibt es von Rainer Jürgensen, erster stellvertretender Landesvorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages. „Mit der Wirkungsanalyse bekommen Politiker ein Instrument an die Hand, um die Auswirkungen von Projekten auf den Haushalt der Kommune zu beurteilen“, sagt der Amtsdirektor des Amtes Moorrege.
Mit Kosten und Nutzen von Neubauprojekten beschäftigt sich auch Professor Thomas Krüger von der Hafencity Universität in
Hamburg. Falls Sie das Interview in der Sonnabend-Ausgabe verpasst haben, können Sie seine Einschätzungen im Internet nachlesen: www.abendblatt.de/region/pinneberg/
article208794687/Lohnt-sich-das-
Wachstum-fuer-die-Kommunen.html.