Wedel . Familie Schwan aus Wedel bereitet Fisch nach traditioneller Methode zu. Doch ihr Räucherofen ist einem Investor ein Dorn im Auge.
Wenn aus dem Schornstein eines Hinterhofs nahe dem Wedeler Hafen dunkler Rauch aufsteigt, dann hat das nichts mit der Papstwahl zu tun. Hans Werner Schwan betreibt seine Aufgabe dennoch mit derselben Leidenschaft, als gelte es, das kommende Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zu wählen. Schwan ist gelernter Fischwerker und ein Räuchermeister. Das Handwerk lernte der Helgoländer von seinen Großeltern, und er hat es an seine Tochter weitergegeben. Die ist auch an diesem Nachmittag an seiner Seite. Sie kommt gerade vom Markt, wo die Räucherware verkauft wird.
Ihr Vater steht an den Öfen. Mal wieder. Während andere gerade Mittag machen, schwitzt Schwan im Räucherraum. Hochkonzentriert ist er bei der Arbeit. Das Brennholz muss er ständig im Blick behalten. Es darf nicht zu hoch geschichtet sein, aber auch nicht zu tief herunterbrennen. „Das ist Buchenholz. Anderes geht nicht“, betont er. Wichtig ist auch das Material, das in die Öfen kommt: „Du kriegst nur das raus aus den Schränken, was du reinlegst“, erklärt der Experte. Sprich: Desto frischer die Rohware ist, umso besser bleibt der Geschmack durch das Räuchern erhalten. Die Schwans holen den Fisch täglich frisch vom Hamburger Großmarkt.
Vier Stunden dauert traditionelles Räuchern
Je nach Wetterlage müssen die Fische etwa 40 Minuten lang bei zu 80 Grad garen. Dann wird die Seite gewechselt, und erneut geht es 40 Minuten in die Ofenschränke. Anschließend werden die Heringe, Sprotten, Aale oder Makrelen mit Buchenholzspänen eingeräuchert. Etwa vier Stunden dauert das langwierige Prozedere.
Es ist eine aussterbende Methode, dem Fisch auf diese Weise eine bestimmte Geschmacksnote zu verleihen. „Das ist viel an Arbeit. Du findest kaum Leute, die das machen wollen“, erklärt Schwan. Das ist der eine Grund, warum sich fast nur noch die elektrisch betriebenen und teilweise auch computergestützten Gasräucheröfen finden. Der andere: Die Altonaer Öfen, wo noch in traditioneller Weise über offenem Holzfeuer geräuchert wird, stoßen auf wenig Gegenliebe bei Behörden und Nachbarn. Wegen des offenen Feuers, verschärfter Umweltauflagen und Geruchsbelästigung werden neue Öfen nicht mehr zugelassen.
Bestandsschutz für die Wedeler Öfen
Die Öfen der Familie Schwan, die seit 1945 in Wedel Fische räuchern, genießen Bestandsschutz. Vor einigen Jahren mussten die Schwans aufgrund verschärfter Auflagen aber kräftig in eine neue Rauchwaschanlage investieren. Trotz der neuen Technik ist die Räucherei einem Bauherrn aber ein Dorn im Auge. Denn der hat für das benachbarte Grundstück Wohnbaupläne.
Die ehemaligen Gewerbehallen sollen weg, mehrstöckige Wohnhäuser – wie sie schon zahlreich an Wedels Wasserseite entstanden sind – hin. Im Dreieck zwischen Schulauer Straße und Hafenstraße sind fünf bis zu fünfstöckige Mehrfamilienhäuser mit bis zu 62 Wohnungen geplant. Mit dem Bau soll schnellstmöglich begonnen werden. Das Problem: Wohnen und Räuchern nach alter Art verträgt sich nicht gut.
Räuchermeister will nicht verkaufen
Ein 16-seitiges Gutachten des TÜV Nord kommt zu dem Ergebnis, dass ein neuer Schornstein für die Räucherei nötig ist. Nur wenn der 24 Meter und damit fast doppelt so hoch wie der bisherige Schornstein sei, würde sich die Geruchsbelästigung für die neuen Bewohner in den vorgeschriebenen Grenzen halten.
Das erklärt, warum der Investor laut Schwan bereits mehrfach an seine Tür geklopft hat. Ohne Erfolg. Der 73-Jährige denkt nicht ans Aufhören und will sein Grundstück deshalb auch nicht verkaufen. Denn nur hier genießt der Altonaer Ofen Bestandsschutz, und somit kann Familie Schwan auch nur hier ihrem Räuchergeschäft auf die traditionelle Weise nachkommen. Dass sein Betrieb einer Tiefgarage weichen soll, ist für Schwan zudem undenkbar. Allerdings macht sich die Familie schon Sorgen, dass ihnen der Investor oder die neuen Nachbarn Probleme machen werden und sie am Ende doch verdrängen.
Gegründet wurde der Betrieb auf Helgoland
„Ich will hier nicht weg. Wo sollen wir auch hin? Wir leben davon“, erklärt Tochter Jutta. Die 44 Jahre alte Einzelhandelskauffrau stieg nach ihrer Ausbildung in Papas Branche ein. Auch Cousine Heike Menge räuchert ihren Fisch in Wedel und verkauft ihn dann auf den Märkten in Blankenese und Hetlingen. Und so will die Familie mit ihrem kleinen Betrieb dem großen Bauherrn trotzen und solange es geht das Geschäft in Wedel aufrechterhalten.
Das ist letztlich auch ein Familienerbe. Bereits die Großeltern betrieben eine Räucherei. Max Aeukens begründete die Tradition auf der Hochseeinsel Helgoland. 1945 wurde die Insel geräumt, alle 2500 Bewohner evakuiert. Schwans Eltern fanden in Wedel eine neue Heimat.
„Ich habe immer gearbeitet“, sagt Hans Werner Schwan. Das will er auch im hohen Alter nicht ändern. So steht er mit 73 Jahren nicht nur fast täglich am Räucherofen, sondern auch noch im Verkaufswagen. Mittwochs steuert er die Wedeler Moorwegsiedlung an, donnerstags Heist, freitags Holm und sonnabends wieder Wedel.
Wenn Hans Werner Schwan einmal nicht arbeitet, dann angelt er oder pflegt den Obst- und Gemüsegarten. Allerdings liegt der direkt neben der Räucherei, sodass er es zu seinen Öfen nie weit hat.
Den Räucherfisch kann man auch vor Ort in der Schulauer Straße 15 bekommen. Dienstags bis freitags von 13 bis 18.30 Uhr. Weitere Infos auch auf www.jutta-schwan.de