Wedel. Lara Ludwig und Nina Wolter, Absolventinnen der Fachhochschule Wedel, entwickeln Helfer-App für einen sicheren Nachhauseweg.
Abends allein durch die dunklen Gassen der Stadt streifen. Das verursacht bei vielen Frauen ein mulmiges Gefühl. Ist es Zufall, dass der Mann einem seit geraumer Zeit folgt oder etwa Absicht? Soll man durch den Park gehen oder doch lieber den belebteren und beleuchteteren Umweg nehmen? Und was ist zu tun, wenn jemand wirklich keine guten Absichten hegt?
Fragen wie diese stellten sich auch Lara Ludwig und Nina Wolter oft. Doch im Unterschied zu anderen haben sie in den vergangenen Jahren das nötige Rüstzeug erlernt, um sich zu helfen. Die Studentinnen der Fachhochschule Wedel entwickelten eine Handyanwendung, die ihnen und anderen Frauen helfen kann, sicherer nach Hause zu kommen. Eine ausgezeichnete Idee, für die die beiden sogar einen Preis erhielten.
Automatische Nachricht, wenn die andere zu Hause ist
Angefangen hat alles damit, dass die zwei gern zusammen abends lange feiern gehen. Das Problem: Sie wohnen in unterschiedlichen Stadtteilen Hamburgs und so musste jede ihren Weg dann allein nach Hause bestreiten. Deshalb verabredeten sie immer, sich bei dem jeweils anderen zu melden, wenn sie sicher zu Hause angekommen waren. „Und dann passiert es doch, dass man es einfach mal vergisst und die andere sitzt auf Kohlen“, berichtet Lara Ludwig. „Das brachte uns auf die Idee, dass es doch etwas geben müsste, das automatisch Bescheid gibt.“ Aus der Idee ist noch viel mehr erwachsen.
Die Handy-App hat den Namen Watchdog
Watchdog (englisch für Wachhund) nennen die Studienfreundinnen ihre Handy-App. Mit der kann der Nutzer die jeweils freigeschaltete Vertrauensperson über den Standort informieren. Zudem verschickt Watchdog automatisch per SMS eine Information, wenn man zu Hause angekommen ist. Die Daten werden laut den Entwicklerinnen im Unterschied zu anderen Apps nach zwei Wochen gelöscht und sind nur für die beiden Nutzer zugänglich.
Ein weiterer Unterschied zu anderen Programmen: Die beiden haben sich eine Funktion ausgedacht, mit deren Hilfe sie sich sicherer fühlen möchten. Es geht um einen kleinen Knopf, einen Bluetooth-Button, der sich in der Tasche verbergen lässt und mit dem Handy verbunden ist. Dem können Aufgaben zugeordnet werden: Einmal drücken steht dann beispielsweise für „Ich fühle mich unwohl“, zweimal drücken für „Entwarnung“, sehr langes drücken für den Notruf wählen.
Angebote der Fachhochschule Wedel
„Es ist für viele eine große Hemmschwelle, die Polizei anzurufen, wenn sie sich unwohl oder verfolgt fühlen“, sagt Nina Wolter. Man wolle sich lieber ganz sicher sein und dann sei es meist zu spät. Die beiden sprechen aus Erfahrung. Sie haben im Bekanntenkreis genau das erlebt. „Wir kennen jemanden, der auf dem Rückweg nach Hause überfallen worden ist“, berichtet Lara Ludwig. Diejenige habe schon bemerkt, dass etwas nicht stimme, sich aber nicht getraut, die Polizei zu rufen. Kurz vor ihrem Zuhause kam es zu sexuellen Übergriffen. Sie habe trotzdem noch Glück gehabt, hätte sich befreien und andere Leute um Hilfe bitten können. Hätte sie Watchdog dabei gehabt, hätte sie mittels des Knopfes unbemerkt Hilfe rufen können. Und da sie nahe ihres Zuhauses war, wäre dank der Standortübermittlung auch jemand schnell zur Stelle gewesen. Da sind sich die beiden ausgezeichneten Entwicklerinnen einig.
Es geht ihnen aber nicht nur um den Ausnahme- oder Extremfall, sondern auch um ein regelmäßiges besseres Gefühl. „Ich habe sonst immer einen Pieper dabei. Wenn man den auslöst, macht er einen ohrenbetäubenden Lärm“, erklärt Lara Ludwig. Allein ihn in der Tasche zu haben, mache sie selbstbewusster. „Man tritt dann doch schon ganz anders auf, und das kann mögliche Täter auch abschrecken“, so die 26-Jährige. Ihre Studienkollegin hofft, dass sie so auch einfach entspannter nach Hause geht. Bislang beruhigt sie sich durch Musikhören. „Dann höre ich auch nichts Rascheln oder Knacken und mache mich verrückt“, erklärt sie. „Aber ich höre eben auch nicht, wenn da wirklich mal wer ist.“
2500 Euro Preisgeld von den Wedeler Rotariern
Vier Monate lang haben die beiden an ihrer App getüftelt und anschließend auch ihre 110-seitige Abschlussarbeit zum Master of E-Commerce an der Fachhochschule darüber verfasst. Dass sie für ihre Idee den diesjährigen Innovationspreis der Fachhochschule bekommen würden, überraschte sie komplett. Das von den Wedeler Rotariern gesponserte Preisgeld in Höhe von 2500 Euro wollen die beiden in ihre Firmengründung und in die Weiterentwicklung ihrer App investieren. Die läuft bislang nur für Android-Geräte und noch nicht ganz reibungslos. Bis Ende des Jahres wollen sie den Prototyp auf den Markt bringen. Geld wollen sie für die Internetanwendung nicht verlangen. „Der Grundgedanke ist ja, dass sich Frauen sicherer fühlen können. Das ist uns so wichtig, diesen Gedanken wollen wir nicht verkaufen“, so Ludwig.