Kneipen und Geschäfte in St. Pauli und im Schanzenviertel verteilen kostenlose Trillerpfeifen. Die Idee: Wer sich bedroht fühlt, kann schnell auf sich aufmerksam machen.

Hamburg. Sie sind klein, sie sind aus Plastik und sie machen, wenn man nur kräftig genug hineinpustet, einen unglaublichen Krach: Um die 100 Dezibel kann eine Trillerpfeife laut sein – was schon fast an den Lärmpegel einer Kreissäge heranreicht und jeden, der zufällig in der Nähe steht, vor Schreck zusammenzucken lässt.

Genau diese Wirkung kann auch dazu dienen, sich selbst oder andere zu beschützen. Denn das Gefühl der Angst, wenn man nachts allein in einer einsamen Straße unterwegs ist, kennen wohl die meisten – verbunden mit der Frage, wer einen wohl hören würde, wenn tatsächlich etwas passiert und jemand einem etwas Böses will. „Der Lärm einer Trillerpfeife schreckt ab. Und er ist wahrscheinlich viel besser zu hören, als ein Schrei“, sagt die 26-jährige Lea. Auf ihre Initiative hin kann sich jetzt jeder kostenlos in mehreren Cafés, Kneipen und Geschäften auf St. Pauli und im Schanzenviertel eine bunte Trillerpfeife abholen. „Und zwar wirklich jeder“, wie Lea betont. „Frauen wie Männer. Auch für Kinder oder ältere Menschen ist die Trillerpfeife ein einfaches Mittel zur Abschreckung.“

Lea möchte ihren Nachnamen nicht so gern in der Öffentlichkeit lesen, „denn es geht ja ums Projekt und nicht um mich“, wie sie sagt. Sie arbeitet als Pizzabäckerin auf St. Pauli. Bei einem Auslandsaufenthalt in Argentinien im vergangenen Jahr ist sie auf die Pfeifen aufmerksam geworden. „Ich habe dort viele Mädchen gesehen, die eine Pfeife um den Hals tragen und dachte zuerst, das sei ein Mode-Accessoire. Bis mir jemand erklärt hat, dass die Pfeifen dem Schutz dienen“, erzählt sie.

Als Lea zurück nach Deutschland kam, hat sie im Internet recherchiert – und kurzerhand 1000 bunte kleine Plastikpfeifen bestellt. Die 150 Euro dafür hat sie aus eigener Tasche bezahlt. „Ich bin ein Mensch, der seine Ideen auch gern umsetzt“, sagt sie. „Ich wollte es einfach ausprobieren.“ Also zog sie los und sprach bei den verschiedenen Geschäften und Kneipen vor, ob sie nicht ihr Plakat ins Fenster hängen und ein paar Trillerpfeifen dalassen dürfte. „Die Reaktionen waren überwiegend positiv.“ An zehn Orten sind die bunten Krachmacher jetzt zu bekommen, etwa bei Pauli Pizza, wo Lea auch arbeitet, in der Diskothek Haus 73 am Schulterblatt oder in der Apotheke am Paulinenplatz. „Gut 300 Pfeifen sind schon weg“, sagt Initiatorin Lea.

Unterstützung bekommt sie von der Ideenfabrik Humanist Lab von Rainer Sax und Vanessa Boysen, die auch sofort von der Initiative begeistert waren und Lea mit einer Homepage halfen. Unter www.ohrenaufimkiez.de sind sind alle Orte aufgeführt, an denen die Pfeifen zu haben sind. „Wir wollen die Trillerpfeifen-Idee bekannt machen. Schön wäre, wenn sie auch ein Vorbild für andere Stadtteile werden könnte“, sagt Boysen. „Manche Menschen haben vielleicht Hemmungen, laut zu schreien. In eine Trillerpfeife zu pusten, geht viel einfacher.“ Für Lea geht es auch um Zivilcourage, ums Hinsehen. „Man kann ja die Pfeife auch verwenden, um anderen Menschen zu helfen“, sagt sie. Eines ist ihr allerdings wichtig: „Die Trillerpfeifen bitte verantwortungsvoll gebrauchen. Sonst wird es zu laut –und keiner hört mehr hin, wenn es wirklich ernst ist.“