Kreis Pinneberg. Der Tag der Arbeit steht in diesem Jahr im Zeichen des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst. Zentrale Kundgebung in Elmshorn.
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben Macht: Wenn sie streiken, geht im Land nichts mehr. Das zeigt sich gerade dieser Tage wieder, da ein Tarifkonflikt entbrennt. Leidtragende sind unter Umständen auch Eltern, die auf die Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di weiß um ihre Macht, und sie lässt ihre Mitglieder mit den Muskeln spielen. Insofern steht der 1. Mai dieses Jahr im Zeichen des Arbeitskampfes.
Bei der zentralen Kundgebung für den Kreis Pinneberg in Elmshorn geht es aber auch um die Angst vor Jobverlust, um Outsourcing, um ganz konkreten Stellenabbau und steigende Erwartungen der Unternehmer an Rendite – zum Beispiel beim Uetersener Schiffbauzulieferer Hatlapa. Ein Thema, über das zu sprechen sich das ehrenamtliche DGB-Vorstandsmitglied Wolfgang Stier im Abendblatt-Interview hartnäckig ziert. Offenbar spüren Gewerkschafter, dass sie nicht nur Macht haben, sondern die Position der Ihren am Verhandlungstisch nicht leichtfertig gefährden dürfen.
Hamburger Abendblatt: Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst laufen, Ver.di fordert sechs Prozent mehr Lohn, es hat schon erste Warnstreiks gegeben. Auch Kindertagesstätten waren betroffen. Wie vermitteln Sie Eltern, dass nach dem langen Arbeitskampf im vergangenen Jahr jetzt erneut die Türen zu bleiben könnten?
Jens Festersen: Im vergangenen Jahr ging es um die generelle Frage der Aufwertung des Erzieherberufs, dieses Mal um eine klassische Entgeltrunde für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Das eine hat mit dem anderen erst mal gar nichts zu tun.
Trotzdem oder gerade deshalb: Die Wirkung ist dieselbe. Und in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, dass in den Kitas jedes Jahr gestreikt wird – für nicht ganz unerhebliche Summen.
Festersen : Ja. Ob die Summen erheblich oder unerheblich sind, ist ja noch mal eine ganz andere Frage. Wir bauen keine Autos, wir haben mit Menschen zu tun. Also klassischer öffentlicher Dienst. Und dass ein Streik dann Auswirkungen hat, das ist nun mal so. Der Kunde hat keine Möglichkeit, auf einen anderen Anbieter auszuweichen, das unterschiedet uns von der Wirtschaft. Er hat nur diese eine Kita. Und wenn die geschlossen ist, ist sie geschlossen. Das ist uns bewusst. Deshalb setzen wir natürlich auch erst dann auf unbefristete Streiks, wenn es gar nicht mehr anders geht. Aber da sind wir noch lange nicht. Andererseits: Von nichts kommt nichts, das weiß die Bevölkerung auch.
Schauspieler Rolf Becker spricht bei Kundgebungin Elmshorn
Werden die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst auch bei der Mai-Kundgebung in Elmshorn das zentrale Thema sein?
Peter Brandt: Zentral würde ich das nicht nennen. Während der Kundgebung werden einzelne Betriebsräte aus ihren Bereichen berichten. Darunter ist auch eine Kollegin aus dem Bereich Erziehung, nämlich eine Erzieherin aus dem Schuldienst, die gerade auch mit dem Blick auf das vergangene Jahr Fragen beantworten wird – und die sicherlich auch eine Einschätzung zum aktuellen Tarifkonflikt hat.
Aus welchen Branchen kommen die anderen Redner?
Brandt : Der Betriebsrat des Uetersener Schiffbauzulieferers berichtet über den Arbeitsplatzabbau dort. Die Betriebsratsvorsitzende der Regio Kliniken hält einen Rückblick auf die Auslagerungen 2015, und sicherlich äußert sie sich auch zu den aktuellen Tarifauseinandersetzungen. Ferner thematisiert ein Vertreter der Telekom die beabsichtigte Standortschließung in Elmshorn und die Frage, welche Alternativen es für die Kollegen überhaupt geben könnte, wenn sie ihren Arbeitsplatz in Elmshorn verlieren sollten.
In Hamburgs City Nord baut die Telekom gerade eine neue Zentrale mit mehr als 2000 Arbeitsplätzen...
Brandt : Ja, genau. Aber es gibt bisher nur Gerüchte über die Zukunft der Elmshorner. Es sind Vermutungen, dass die Absicht des Unternehmens darin besteht, die Kollegen nach Hamburg zu versetzen. Dann aber sagt der Betriebsratsvorsitzende, dass dort die Kapazitäten gar nicht gegeben sein werden. Also werden einige dann wohl einen Arbeitsplatz in noch weiterer Entfernung annehmen müssen.
Wer kommt noch?
Brandt : Die vierte Rednerin ist die für Elmshorn zuständige Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Post. Dort ging es ja im vergangenen Jahr um Auslagerungen in Niedriglohnfirmen. Die Kollegin wird sicherlich etwas dazu sagen, inwieweit die Postler mit dem leben könne, was erreicht wurde.
Und? Können sie damit leben?
Brandt : Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind ganz viele befristete zu unbefristeten Verträgen geworden. Ein riesengroßer Erfolg! Andererseits ist es eben zu Auslagerungen gekommen, die nicht verhindert werden konnten.
Haupt- und Ehrenamt
Was beschäftigt die Gewerkschaften kurz vor dem 1. Mai noch?
Wolfgang Stier: Auch die IG Metall führt gerade Tarifverhandlungen. Wir fordern fünf Prozent, die Arbeitgeber bieten jetzt 2,1 Prozent für zwei Jahre. Auch dieses zweite Angebot finden wir unzumutbar. Ansonsten ist Altersarmut ein großes Thema. Die jüngere Generation steht vor einer ganz schwierigen Zukunft, weil sie mit der Rente später nicht mehr auskommen wird.
Und was meinen Sie, wie sich dieses Problem lösen ließe?
Stier : Es gibt ja drei Komponenten: staatliche Rente, Betriebsrente und die wunderbar gescheiterte Riester-Rente. Wir sind noch unterschiedlicher Meinung in unseren Diskussionen, aber der Trend ist, dass jeder einzahlen sollte, der hinterher eine Rente bekommt. Es geht nicht, dass beispielsweise Ärzte oder Apotheker, weil sie eine privilegierte Gruppe sind, nicht in diese Gemeinschaftskasse einzahlen.
Brandt: Ja, das ist auf jeden Fall ein Schwerpunkt. Ich würde trotzdem niemals den Abbau von Arbeitsplätzen aus dem Auge verlieren. Die Frage ist, wie sich das verhindern lässt. Zur Situation bei Hatlapa wird der Betriebsratsvorsitzende auf der Mai-Kundgebung Genaueres sagen – zu den Regio-Kliniken und zur Post wird es sicherlich auch detailliertere Auskünfte geben.