Wedel. Zum Start der Sommersaison werden im Hamburger Yachthafen in Wedel zahlreiche Boote per handgesteuertem Kran ins Wasser gelassen.

Im Gegensatz zu den meisten Yachtbesitzern, die an dieser Stelle auf der Kranbrücke stehen, ist Michael Schröder ganz entspannt. Gemeinsam mit Kollegin Barbara Klimm wartet der Wedeler an diesem Nachmittag neben dem Schiffskran im Hamburger Yachthafen darauf, dass „Mio“ zu Wasser gelassen wird. „Mio“ ist eine neuneinhalb Meter lange und 2,60 Meter breite Yacht, ein 45 Jahre alter Holländer aus Stahl und Holz mit einem ganz eigenen Charme, und Schröder ist seit 16 Jahren ihr Eigner.

Heute wird sie aus dem Winterschlaf geholt, den sie während der letzten Monate auf dem Winterliegeplatz beim Segel-Verein Wedel-Schulau unter einer Plane verbracht hat. Nach einem neuen Anstrich des unter Wasser liegenden Teils – wie jedes Jahr im Frühjahr – ist sie nun bereit für neue Fahrten. Die weitere Instandsetzung wie beispielsweise Holzarbeiten erfolgt erst am Sommerliegeplatz, der sich im Hamburger Yachthafen befindet.

Blick vom Boot aus Richtung Elbe nach erfolgreicher Wasserung. Der Motor läuft, das Boot hält dicht
Blick vom Boot aus Richtung Elbe nach erfolgreicher Wasserung. Der Motor läuft, das Boot hält dicht © HA | Elvira Nickmann

Holger Petersen ist Hafenmeister und vertretungsweise für den Kran zuständig, der die Boote ins Wasser hebt. Rund 1900 Schiffe liegen zurzeit im Hafen. 20 bis 30 Yachten, überwiegend Segelboote, werden zurzeit pro Tag ins Wasser „geworfen“, wie das im Hafenjargon scherzhaft genannt wird. Petersen ist froh, wenn seine Kunden dabei entspannt wie Michael Schröder sind, doch das ist nicht oft der Fall.

„Die Eigner sind aufgeregt. Je teurer die Yacht ist, umso schneller ist ihr Puls.“ Dafür hat Petersen Verständnis. „Das Boot ist ja wie das zweite oder dritte Kind“, sagt er. Für ihn bedeute das Kranen höchste Konzentration. Man müsse auf den Mittelpunkt der Schiffe achten und darauf, dass sie nicht kippen. Seine Anspannung lässt er sich aber nach außen hin nicht anmerken. Stattdessen strahlt er Ruhe und Professionalität aus. Wichtig sei, dass man gute Laune behalte, damit man die Eigner beruhigen könne. „Außerdem hat er immer einen flotten Spruch auf den Lippen“, sagt Betti Bazelak, die Tankwartin des Yachthafens. Auch das sorge bei den Eignern für Entspannung.

Bis 15. Mai läuft die Kransaison im Yachthafen

„Mio“ hängt in den Seilen und am Schiffskran. Vorsichtig wird das Boot Stück für Stück nach unten Richtung Wasser gelassen
„Mio“ hängt in den Seilen und am Schiffskran. Vorsichtig wird das Boot Stück für Stück nach unten Richtung Wasser gelassen © HA | Elvira Nickmann

Inzwischen schwebt über „Mio“ am Haken des Krans ein quadratisches rotes Gestell, an dem zwei lange Gurtschlaufen herabhängen, die unter das Boot geschoben werden. Sie werden stramm gezogen, damit sie nicht wegrutschen können. Wolfgang Kiehn, Mastenwart beim Hamburger Yachthafen, schaut zu, wie Michael Schröder über eine Leiter ins Boot klettert und dort an den Winschen (Winden) die Sicherungsleinen der Schlaufen befestigt.

Kiehn ist für die fachgerechte Einlagerung von etwa 530 Masten zuständig, die im Winter nicht auf den Schiffen verbleiben können. Für das Aufriggen zum Start der Saison, das Aufstellen im Boot, stehen auf dem Gelände drei Mastenkräne zur Verfügung. Aber er ist auch immer wieder dabei, wenn die Boote mittels Schiffskran von dem Metallbock gehoben werden, auf dem sie üblicherweise gelagert werden. „Die Kransaison geht vom 15. März bis zum 15. Mai“, sagt er. In dieser Zeit arbeitet er von etwa neun bis abends um 17, 18 Uhr. Doch nicht alle Boote haben einen Mast, „Mio“ hatte mal einen, aber als der morsch wurde, hat ihn Eigner Schröder nicht ersetzt. Barbara Klimm, 54, früher begeisterte Seglerin, sieht es pragmatisch. Segeln sei körperlich anstrengend. „Das können wir nicht mehr so“, sagt auch Schröder. Er ist 73. Beide sind handwerklich begabt, er hat Kfz-Mechaniker gelernt, sie kann schweißen. So haben sie den Schiffsdieselmotor mit 34 PS kurzerhand selbst eingebaut. Nun ist „Mio“, spanisch für „mein“, kein Segelboot mehr, sondern eben ein Motorboot.

Bild vor Seglerhimmel: Seite an Seite liegen die Yachten im Hafen, eine schöner als die andere
Bild vor Seglerhimmel: Seite an Seite liegen die Yachten im Hafen, eine schöner als die andere © HA | Elvira Nickmann

Schröder hat das Schiff verlassen und die befestigten Taue an die Mitarbeiter weitergereicht, die daran das Boot führen. Er ist bereits auf dem Weg zum Wasser, um es in Empfang zu nehmen. „Eigentlich sollen die Eigner die Schiffe selber führen, man muss sie allerdings oft daran erinnern“, sagt der Hafenmeister, der an der Steuerung auf der Brücke steht. Souverän bringt er das Boot ins Wasser, ohne ihm eine Planke zu krümmen.

Sofort entern Michael Schröder und Barbara Klimm das Boot, das jetzt aus den Halterungen gelöst wird. Sie fahren einmal um den Hafen, um es an seinem Liegeplatz zu vertäuen. Als dann noch wie auf Bestellung die Sonne durch die Wolken bricht, die über den blauen Himmel ziehen, ist die Idylle auf dem Wasser einfach perfekt.