Uetersen. Skandal im Unterricht: Schüler entdecken nach Recherche womöglich unklare Rechtslage. Stadt will Zweifel mit Ratsbeschluss ausräumen.
Ist Adolf Hitler noch Ehrenbürger der Stadt Uetersen? Nach Recherchen von Schülern des Ludwig-Meyn-Gymnasiums ist dies nicht eindeutig klar. Denn ein schriftliches Dokument, das diese Ehrenbürgerschaft aufhebt, gibt es gemäß den Rechercheergebnissen der Schüler derzeit nicht.
1934 wurde Hitler in Uetersen die Ehrenbürgerschaft erteilt – wie in etwa 4000 anderen Städten auch. Eine angebliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft nach 1945 durch den von den Alliierten eingesetzten Magistrat könne die Stadt bislang nur in einem Wikipedia-Eintrag nachweisen. Dieser Eintrag sei von einem Bürger eines Nachbardorfes verfasst worden, nicht von einer staatlichen Stelle. Ein Beleg dafür oder eine Quellenangabe für eine Aberkennung fehle. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags, der von den Schülern daraufhin angeschrieben wurde, habe nichts Erhellendes beitragen können. Er habe in einem Gutachten geschrieben, dass es eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft gegeben habe, könne aber keine Belege angeben.
„Die Schüler haben sechs, sieben Mal beim Wissenschaftlichen Dienst nachgefragt, worauf die Aussage der Aberkennung der Ehrenbürgerschaft basiert“, sagt Zankel. Eine befriedigende Antwort gab es nicht. Sie wurden an das Uetersener Stadtarchiv verwiesen. Dieses existiert offiziell aber nicht. Weil die Stadt Uetersen nicht über die finanziellen Mittel für eine Aufarbeitung und fachgerechte Archivierung der Akten verfüge, so ein Schreiben der Stadt vom 3. Februar, könne die Frage nach einem schriftlichen Beleg nicht beantwortet werden. Die Schlussfolgerung der Schüler: Der wissenschaftliche Dienst beziehe sich offensichtlich auf Wikipedia und nicht auf Quellen aus dem Uetersener Bestand, denn diese sind nicht erfasst. Nach Aussage des Bürgervorstehers Adolf Bergmann hätten sich die Fraktionen der Ratsversammlung zudem bislang geweigert, die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Hitlers auf Grund fehlender Belege zu bestätigen. Nun gibt es eine Kehrtwende.
In einer gemeinsamen Stellungnahme erklären Bergmann, die Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeisterin Andrea Hansen, dass Uetersen seine Lehren aus NS-Diktatur, Krieg und Verfolgung gezogen habe. Alle Ratsversammlungen seit 1946 und auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags seien davon ausgegangen, dass keine Ehrenbürgerschaft Hitlers mehr bestehe. Um mögliche Restzweifel auszuräumen, werde die Ratsversammlung am 15. Dezember die Aberkennung in einem aktuellen Votum bekräftigen und verdeutlichen. Ob das überhaupt notwendig ist, ist wiederum fraglich. Laut dem Berliner Verwaltungsrechtler Ulrich Battis endet, rein praktisch gesehen, das Ehrenbürgerrecht mit dem Tod des Ehrenbürgers.