Pinneberg. In 16 Minuten von Pinneberg zum Hamburger Hafen, ist das möglich? Rainer Burmeister hat die Angaben der Anzeigetafeln getestet.

Na, wenn das kein Service ist: Seit Mitte Oktober wird den Verkehrsteilnehmern auf der A 23 kurz hinter der Anschlussstelle Pinneberg-Nord per LED-Anzeigetafel prophezeit, wie lange es noch dauert, bis sie drei ausgewählte Reiseziele in Hamburg erreicht haben werden. Das Informationssystem, das es auch auf der A 7 gibt, soll nach Worten von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer dazu beitragen, dass sich der Berufs- und Privatverkehr noch besser auf den sechsstreifigen Ausbau der A 7 einstellen kann. Um herauszufinden, ob die Fahrtzeitvorhersage funktioniert und damit das Fahrverhalten, wie Minister Meyer meint, positiv beeinflusst werden kann, machte der Autor dieser Reportage den Praxistest für die Redaktion Pinneberg des Hamburger Abendblatts.

Testzeitpunkt sollte bei durchschnittlicher Verkehrslage ein Nachmittag in dieser Woche sein. Die Fahrt startet im Pinneberger Gewerbegebiet an der Flensburger Straße. Um 14.40 Uhr passiert das Auto auf der A 23 die Anzeigetafel. Im Angebot sind drei Ziele: „HH-Airport 18 min, HH-Hafen 16 min und HH-Zentrum 26 min“ ist auf dem etwas flimmerigen Display am Rande der Piste abzulesen.

Wie die Daten generiert werden

Die Abweichung von der prognostizierten Fahrzeit um neun Minuten erklärt Ralf Lipinski, Geschäftsführer der VIOM GmbH, mit aktuellen kurzfristigen Veränderungen des „dynamischen Verkehrsgeschehens”.

Die von VIOM ausgewerteten Daten stammten von Navigationsprogramm HERE, das gemeinsam von den Automobilherstellern BMW, Audi und Daimler betrieben wird.

Für die errechneten Zeitangaben auf den Autobahnen A 23 und A 7 würden stationär und mobil Tausende Messwerte berücksichtigt, die alle zehn Minuten aktualisiert werden.

Dabei gibt es nach Angaben Lipinskis auch eine Zusammenarbeit mit häufigen Benutzern der Strecken, wie Pendlern und Fuhrunternehmen, über das GPS-Navigationssystem.

Zudem könnten die Anzeigetafeln an den Autobahnen lediglich Näherungswerte berücksichtigen, um den Verkehrsteilnehmern eine grobe Orientierung zu ermöglichen. Ergänzend könnten über die A 7-Nord-App Reisezeiten zu zwölf Zielen abgerufen werden.

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Nur 16 Minuten bis zum Hafen, das scheint ein sehr sportlicher Ansatz zu sein. Denn immerhin beträgt die reine Wegstrecke auf dem ebenfalls aktivierten Navigationsgerät im Auto rund 24 Kilometer. Grund genug, HH-Hafen versuchsweise anzusteuern. Dabei ergeben sich allerdings ein paar Unklarheiten: Was ist mit HH-Hafen gemeint? Der eher touristisch interessante Bereich an den Landungsbrücken oder der gewerbliche Hafen jenseits des Elbtunnels via Abfahrt Waltershof?

Der Testfahrer entscheidet sich für die Landungsbrücken. Dort gibt es auch eine Straße, die „Bei den St. Pauli-Landungsbrücken” heißt und als Naviziel eingegeben ist. Selbstverständlich werden auf der Strecke sämtliche Tempolimits, wie 100 km/h auf der A 23, penibel eingehalten. Dennoch geht es erstaunlich schnell. Nach nur fünf Minuten passiert der Testwagen die Anschlussstelle Krupunder und nähert sich dem Autobahnknoten Nordwest, wo die A 23 in die A 7 übergeht. Dort sind vor allem im morgendlichen Berufsverkehr häufig Staus an der Tagesordnung. Doch am frühen Nachmittag läuft der Verkehr trotz Baustelle voraus im Bereich Langenfelde bei den angeordneten 80 km/h fast reibungslos.

Rainer Burmeister testet die Zeitangaben an der A23 und fährt von Pinneberg zum Hamburger Hafen. Dort kam er mit etwa zehn Minuten Verspätung an
Rainer Burmeister testet die Zeitangaben an der A23 und fährt von Pinneberg zum Hamburger Hafen. Dort kam er mit etwa zehn Minuten Verspätung an © HA | Rainer Burmeister

Jetzt gibt uns Meyers Reiseberatung ein weiteres Rätsel auf: Soll es nun in Hamburg über die Kieler Straße und dann weiter in Richtung St. Pauli zu den Landungsbrücken gehen oder ist die Trasse über die Autobahn bis zur Abfahrt Othmarschen der bessere Weg? Der Versuchsfahrer entscheidet sich für Othmarschen, weil diese Strecke auch vom Navi angezeigt wird. Bei Erreichen der Anschlussstelle Othmarschen ist es bereits 14.52 Uhr. Es bleiben also gemäß der Prognose der Infotafel noch vier Minuten bis zu den Landungsbrücken. Wenn das man gut geht…

Über die Behringstraße und den mit Herbstlaub dekorierten Hohenzol-lernring gelangt der Testwagen um 14.58 Uhr auf die Elbchaussee. Eigentlich hätte jetzt das Ziel schon vor zwei Minuten erreicht sein müssen. Weiter geht es vorbei am alten Rathaus, dem heutigen Bezirksamt Altona, über die Palmaille mit ein paar Minibaustellen hinab zum Breiten Weg und dem Fischmarkt. Jetzt noch ein Stück auf der Hafenstraße, und dann ist das Ziel „Bei den St. Pauli-Landungsbrücken” um 15.05 Uhr erreicht. Unterm Strich hat die Fahrt also 25 Minuten statt der vom Verkehrsmanagementsystem ILIAS errechneten 16 Minuten gedauert. Das Navi hatte mit einer Ankunftszeit von 15.01 Uhr präziser kalkuliert. Vielleicht soll „16 min“ ja auch 16 Minuten mindestens bedeuten? Ein Trost allerdings bleibt: Mit dem HVV dauert die Fahrt von Pinneberg-Nord, Bushaltestelle Ratsberg, dann weiter vom Bahnhof Pinneberg mit der S-Bahn bis zur Station Landungsbrücken 44 Minuten.

Und: Am alten Elbtunnel ist an diesem Tag sogar mal ein Parkplatz frei, und vom Anleger aus hat man einen herrlichen Blick auf die Hafenszene mit der Elbphilharmonie im Hintergrund. Das Konzerthaus ist bekanntlich viel teurer als die 100.000 Euro Jahresmiete, die vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr für die einjährige Nutzung der Reisezeit-Anzeigen auf der A 7 und der A 23 ausgeben werden. Hinzu kommen 8800 Euro für die Verwendung der Verkehrsdaten, die von der Firma VIOM geliefert werden.