Haselau/Stade. Umweltverbände sowie niedersächsische und schleswig-holsteinische Bürgerinitiativen wollen Projekt von Dow Deutschland kippen.

Ein Bündnis aus Bürgerinitiativen von beiden Seiten der Elbe – darunter aus der Haseldorfer Marsch – und Umweltverbänden will den Bau eines Kraftwerks des Chemieriesen Dow Deutschland in Stade verhindern. Als Ansatzpunkt haben die Aktivisten den Bebauungsplan der Stadt Stade ausgemacht. „Der verstößt gegen höherrangiges Planungsrecht“, erklärte Professor Martin Schulte von der Universität Dresden am Donnerstag im Gespräch mit Journalisten.

Besonders gegen die Vorgaben des Landesraumordnungsprogramms, aber auch gegen das Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises Stade verstoße der B-Plan, so der Umweltrechtler. Der Standort werde als „Vorranggebiet für hafenorientierte wirtschaftliche Anlagen“ ausgewiesen und nicht für Großkraftwerke. Deswegen will das Bündnis eine Normenkontrollklage gegen die Stadt Stade einreichen, sie führt der BUND-Landesverband Niedersachsen. Ihn unterstützen Greenpeace Hamburg, die Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe (AUN) sowie die Bürgerinitiativen Stade-Altes Land und Haseldorfer Marsch.

„Wir kämpfen seit Jahren gegen den Bau von anfangs drei Kohlekraftwerken im Stader Industriegebiet“, erklärt der Haselauer Joachim Pragal. E.on und GDF Suez haben ihre Vorhaben gekippt. Nur Dow hielt an seinem Projekt fest. Aufgrund der vorherrschenden Windrichtung aus Westen würden die Schadstoffemissionen vornehmlich auf der schleswig-holsteinischen Seite der Elbe niedergehen, erklärt der BI-Sprecher. Die Gemeinden Haselau, Haseldorf, Hetlingen, Holm, Heist, Neuendeich, Seestermühe und Seester sowie das Amt Haseldorf unterstützen die Initiative ideell und finanziell. „Wir sind heute schon grenzwertig belastet. Zusätzliche Schadstoffeinträge sind nicht mehr verantwortbar“, begründet Rolf Herrmann, Haseldorfer Amtsvorsteher und Bürgermeister von Haselau, das Engagement.

Investitionssumme beträgt 1,6 Milliarden Euro

Dow will ein 920-Megawatt-Kraftwerk bauen, das neben Steinkohle Gas und Biomasse verarbeitet. Es entstehen Strom und Dampf. Das neue Werk soll eine veraltete 190-Megawatt-Anlage ersetzen. Das Chemieunternehmen hat einen Durchschnittsbedarf von etwa 600 Megawatt. Mit dem neuen Kraftwerk (Investitionssumme: 1,6 Miliarden Euro) würde also deutlich mehr Elektrizität produziert als Dow benötigt. Dieser Strom soll verkauft werden.

Doch nicht nur aus rechtlicher Sicht hält das Bündnis den Bau für abwegig und rechtswidrig. „Heute ein Kohlekraftwerk zu planen und zu bauen ist anachronistisch“, so Stefan Ott vom BUND mit Blick auf die Energiewende. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, um Kohlendioxid einzusparen, sagt Holger Becker von Greenpeace. Das neue Kraftwerk erhöhe den Ausstoß aber um 5,5 Millionen Tonnen. Gabriele Brockmann von der BI Stade-Altes Land weist auf Gesundheitsschäden hin. „Eindeutige Schäden treten schon bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter auf. Die bisherigen Grenzwerte sind zu hoch.“

„Wir sind sicher, alles richtig gemacht zu haben“, sagt die Stader Bürgermeisterin Silvia Nieber. Sie verweist auf eine frühzeitige Abstimmung der Raumordnungsfragen mit Land und Kreis. Die Verwaltungsleiterin betont die Bedeutung des modernen integrierten Industriekraftwerks für den Industriestandort. Dow sei zudem ein ambitioniertes Untersuchungsprogramm zur Abarbeitung aller umweltrelevanter Fragen auferlegt worden.

„Alle bisherigen Prüfungen des Projektes, wie zum Beispiel auch im Rahmen der Prüfung zur Landesraumordnung, weisen eine Übereinstimmung mit allen gesetzlichen Vorgaben auf“, sagt Dow-Pressesprecher Stefan Roth. „Darum gehen wir von keiner zeitlichen Verzögerung aus.“ Der Baubeginn ist für 2017 anvisiert. Etwa vier Jahre dauern die Bauarbeiten.