Wedel. In unserer Sommerserie stellen wir Landgasthöfe vor, zu denen sich ein Ausflug lohnt. Heute:Die Gaststätte Fährmannssand in Wedel.
Auf dem Weg zur Gaststätte Fährmannssand in Wedel schickt das Navi den Autofahrer plötzlich ins Feld. Jetzt an der vorgegebenen Route zu zweifeln, sollte man vermeiden, wenn man zum Ziel kommen will. Der Weg führt über teilweise holprige Pisten, bis man schließlich den Elbdeich vor Augen hat, auf dem viele Schafe stehen. Zwischen hohen Bäumen taucht die Gaststätte auf. Urig wirkt der Klinkerbau, direkt daran grenzt der Hof an. Schwalben sausen durch die Luft, sie haben ihre Nester unter dem Scheunendach. Sie sollen Glück bringen, heißt es.
Manuela und Karl-Heinz Körner sind die Eigentümer der Gaststätte und des Hofs. Sie haben ihr Glück wohl tatsächlich hier gefunden. Das zeigte sich gerade wieder an ihrem 20. Hochzeitstag. Zu diesem besonderen Anlass unternahmen sie einen Ausflug nach Hamburg mit Hafenrundfahrt. Als sie später wieder zurück waren auf ihrem Hof unter dem weiten Himmel über der Elbe, waren sie vor allem eines: froh, wieder zu Hause zu sein.
Die Gaststätte ist Manuela Körners Reich. Gatte Karl-Heinz kümmert sich vor allem um den Hof, hilft aber auch im Gasthof mit. „Ich bin der Springer hinter dem Tresen und in der Küche“, sagt er. Seine Frau packt ebenfalls auf dem Hof mit an, „beim Schafscheren, bei der Apfelernte, im Gemüsegarten. Ich habe schon immer gern Kuchen gebacken und in der Erde gewühlt“, sagt sie. Gute Voraussetzungen, um die Aufgaben in Gaststätte und Hof meistern zu können.
„Was ich mache, mache ich selbst“, so Körner. „Bei uns gibt es nicht mal Brühwürfel, es wird alles selbst eingekocht.“ Zeitangabe auf der Karte: „Es hat so lange, wie es hat!“ Vorspeisen, warme Speisen und Brotmahlzeiten stehen zur Auswahl, Sauerfleisch, Würstchen, Eiergerichte und Matjes, einfach, regional und saisonal.
„Schickimicki gibt es hier nicht“, sagt die Chefin. Der Renner ist das deftige Bauernfrühstück. Auf der Tafel stehen tagesaktuell saisonale Gerichte wie Spargel, Grünkohl und Labskaus. Den Kuchen backt sie selbst. Erdbeertorte gibt es natürlich nur in der Erdbeerzeit.
So kommen Sie hin
„Ich muss mich täglich überraschen“ so Körner. Der Betrieb sei wetterabhängig, man könne die Gästezahl nicht lange im Vorhinein kalkulieren. Sie gehe daher immer frisch einkaufen. „Danach geht’s dann los mit Backen und Kochen.“ Bei so viel Flexibilität muss jeder Griff in der Küche sitzen. Sie habe schon so einiges ausprobiert und wisse aus Erfahrung, nach welcher Art Küche den Gästen der Sinn stehe: „ohne Tüdelüt“. Und das, obwohl die Klientel keineswegs homogen sei, sondern unter der Woche ganz anders als am Wochenende. „Ich hab immer versucht, so ein bisschen mit der Zeit zu gehen“, sagt Körner. Als sie am 22. Mai 1994 das erste Mal kellnerte, gab es eine Biersorte. Irgendwann fing sie an, eine zweite einzuführen, dann Wein. Heute ist die Getränkekarte mit rund 50 Auswahlmöglichkeiten gut bestückt.
1996 übernahm das Paar den Hof in der siebten Generation. Karla Körner, die heute 84-jährige Schwiegermutter von Manuela, musste mit 65 Jahren den Hof abgeben, da sie sonst keine Rente bekommen hätte. Sie sei nach Wedel gezogen, komme aber immer noch mit dem Fahrrad zum Kartoffelpellen. Familienzusammenhalt wird groß geschrieben bei den Körners. Der Vater der Inhaberin, Heiko Seidel, 73, ist der Oberkellner des Landgasthofs. Er arbeite einfach gern, sagt Körner, und helfe immer mittwochs. Der 14-jährige Sohn Henri steht auch schon manchmal hinter dem Tresen. „Es gibt auch Geld dafür“, sagt seine Mutter.
Karl-Heinz Körner wurde ebenfalls schon früh von seinen Eltern herangezogen zur Hilfe in der Küche und auf dem Hof. „Mal eben schnell abtrocknen, bei Hochbetrieb mithelfen“ sei selbstverständlich gewesen, sagt er. „Es war immer was zu tun.“ Vor allem Spaß habe es ihm gemacht, zudem sei er in einer Großfamilie mit Cousine und Cousin aufgewachsen. Es sei selbstverständlich gewesen, mit 16 Jahren in die Lehre zu gehen, die er als staatlich geprüfter Landwirt abschloss.
Seine Frau träumte zu dieser Zeit von einem Jurastudium. Doch dann lernte die Anwaltsgehilfin in der Disko Karl-Heinz kennen. Ihr wurde schnell klar, dass sie durch die Eheschließung nicht nur ihren Mann, sondern auch seinen Beruf geheiratet hatte. „Es wurde erwartet, dass die junge Frau mit auf den Hof zieht“, sagt Manuela Körner. Es ist schwierig, sich die lebhafte Frau mit den Locken hinter Aktenbergen vorzustellen, der Beruf der Bäuerin und Wirtin scheint ihr auf den Leib geschrieben. „Ich mag eigentlich alle Gäste gern leiden“, versichert sie. Das ist auch gut so, denn wenn die 200 Plätze auf der Terrasse und die 45 drinnen besetzt sind, heißt es freundlich sein, sich den Stress nicht anmerken lassen. Unterstützt wird sie von Kellnerin Nicole Krieger, 47. Während große Gäste eher die Aussicht genießen, sind Kinder begeistert vom kleinen Streichelzoo auf dem Gelände. „Ziege, Esel, Pony und Kaninchen, die kann man anschauen und darf sie füttern.“
Das sollten sich Besucher nicht entgehen lassen
Die Schafe auf dem Deich mit dem blauen Fleck auf dem Fell machen mehr Arbeit. Von Mitte November bis Mitte Februar sei der Gasthof geschlossen. „Dann ist Lammzeit, wir haben rund 700 Mutterschafe, da müssen Ställe gebaut werden.“ Dazu kommen zwischen 250 und 350 Rinder. Die Familie lebt in erster Linie vom Ertrag von Fleisch und Wolle, die Gaststätte ist ihr zweites Standbein. Ob Sohn Henri eines Tages alles übernehmen wird, ist noch nicht sicher. Falls ja, wird ihn sein Vater weiter unterstützen: „Gar nichts zu tun zu haben, wäre auch nichts für mich.“ Seine Frau arbeitet in der Saison 16 Stunden am Tag. Es gebe Tage, da esse sie ihr Mittagessen im Stehen. Dann denke sie schon mal, dass sie gern einen Halbtagsjob hätte, gesteht sie – „mit acht Stunden.“
Der Küchenchef empfiehlt: Bauernfrühstück
Zutaten für eine Portion: Sechs Pellkartoffeln, ein gehäufter Esslöffel durchwachsener Speck, zwei Eier der Größe L, etwas Milch, eine Prise Salz, eine große Gewürzgurke
Zubereitung: Die sechs Kartoffeln mit Schale kochen. Auskühlen lassen, abpellen und in dünne Scheiben schneiden. Einen Esslöffel durchwachsenen Speck in der Pfanne auslassen. Die Pellkartoffelscheiben darin braten, bis sie goldbraun und knusprig sind. In der Zwischenzeit die zwei Eier mit etwas Milch, Wasser und einer Prise Salz mit dem Schneebesen heben, aber nicht schlagen, damit das Eiweiß nicht zu sehr zerschlagen wird und fluffig bleibt. Zwei Drittel der Eimasse in die Kartoffel-Speck-Masse einrühren. Das Ganze langsam fest werden lassen. Das restliche Drittel währenddessen in einer separaten Pfanne zum Omelett stocken lassen. Das Bauernfrühstück von der Pfanne nehmen und auf einem Teller anrichten. Das fertige Omelett als Haube über das Bauernfrühstück legen. Dazu gibt es als Beilage eine große Gewürzgurke.