Appen/Heist. In der Marseille-Kaserne hegen und pflegen Reservisten historische Bundeswehr-Flugzeuge, mit denen sie auch immer wieder abheben.

Ein engagierter Museumsdirektor sollte immer auf der Jagd nach historischen Raritäten sein. Dieser Grundsatz gilt auch für Hagen Hamm. Als Chef der Reservistenkameradschaft RK Flugdienst betreibt der 55-jährige Pinneberger mit etwa 100 weiteren Mitgliedern und Förderern das einzige fliegende Museum mit historischen Flugzeugen der Bundeswehr in Deutschland. Heimatbasis der überschaubaren Sammlung von bislang vier betagten, doch flugfähigen Maschinen der unteren Gewichtsklasse ist die Unteroffizierschule der Luftwaffe in der Appener Marseille-Kaserne. Doch jetzt hofft „Museumsdirektor” Hamm, einen ganz dicken Brocken anlanden zu können: die Transall C-160.

Das seit fast fünf Jahrzehnten bei der Bundeswehr und weiteren Nato-Staaten eingesetzte Transportflugzeug ist ein anderes Kaliber: Mehr als 32 Meter lang mit einer Flügelspannweite von 40 Metern geht der zweimotorige Oldie mit 46 Tonnen Maximalgewicht an den Start. Zum Vergleich: Die beiden bisher größten Museumsflieger der RK Flugdienst vom Typ Dornier DO 28 Skyservant bringen es pro Stück gerade mal auf maximal 3,8 Tonnen.

Militärflugzeuge wurden aufwendig restauriert

„Die Sache ist im Fluss. Es haben bereits ernsthafte Gespräche stattgefunden”, sagt Hamm. Ein konkreter Termin ist allerdings noch nicht in Sicht. Denn die betagte Transall-Flotte wird noch eine Zeit lang im Dienst bleiben, bis der Nachfolger Airbus A400M vollständig einsatzbereit ist. Immerhin landen und starten Transall-Transporter hin und wieder zum Training sogar auf dem Flugplatz Uetersen-Heist, dessen 1000-Meter-Graspiste direkt neben der Kaserne auch für solche Schwergewichte per Sondergenehmigung nutzbar ist. Von dort heben auch die Maschinen der RK Flugdienst ab. Neben den beiden zweimotorigen DO 28 Skyservant von 1973 gehören eine DO 27, Baujahr 1960, sowie eine Piaggio P 149 von 1959 zur Flotte. Die Maschinen wurden aus ausgemusterten Beständen der Bundeswehr übernommen und aufwendig restauriert. Die RK Flugdienst hat auf dem früheren Fliegerhorst einen Hangar gemietet. Die Flugzeughalle ist jetzt Abstellplatz, Werkstatt, Ersatzteillager und Treffpunkt der Reservistengemeinschaft.

Eine Transall startet auf dem Hamburger Flughafen. Die Reservisten hoffen, eines dieser betagten Transportflugzeuge für das fliegende Museums in der Marseille-Kaserne zu bekommen
Eine Transall startet auf dem Hamburger Flughafen. Die Reservisten hoffen, eines dieser betagten Transportflugzeuge für das fliegende Museums in der Marseille-Kaserne zu bekommen © HA | Rainer Burmeister

Reserve hat Ruh’? Von wegen: Die etwa 30 Aktiven des Vereins haben jahrein, jahraus reichlich zu tun, um ihre Raritäten liebevoll zu hegen und zu pflegen. Und natürlich zu fliegen! Wenn die Maschinen im Schlepp eines Geländewagens rückwärts zum Start auf dem Zivilflugplatz manövriert werden sollen, muss zuvor nur noch ein Schiebetor entriegelt werden.

Im Sommer häufen sich die Termine. Dann sind die Teams mit ihren Maschinen fast jedes Wochenende unterwegs, um bei zivilen und militärischen Veranstaltungen wie Tagen der offenen Tür und Flugplatzfesten als Attraktion dabei zu sein. Zu den Zielen zählten 2015 bereits die Flugplätze von Erfurt, Leipzig, Borkum und Nordholz sowie als jüngster Höhepunkt die Airport Days in Hamburg mit etwa 80.000 Besuchern. Dort waren die DO 27 und 28 sowie die Piaggio neben Großflugzeugen der Lufthansa und dem Airbus-Transporter Beluga zu Gast.

Für solche Einsätze stehen der RK Flugdienst neun Piloten zur Verfügung – ehemalige Bundeswehr-Flugzeugführer ebenso wie Zivilisten, die hauptberuflich im Cockpit von Verkehrsflugzeugen ihrem Job nachgehen oder mit der Privatpilotenlizenz PPL auf die Oldtimer umgeschult wurden. Auch Hagen Hamm – mit mehr als 1500 Flugstunden – war zunächst Hobby-Pilot, bevor er die erforderlichen Qualifikationen und Einweisungsflüge absolvierte, um die Luftfahrt-Veteranen steuern zu dürfen.

Die Piaggio P149 von 1959 diente früher als Schulflugzeug der Bundeswehr und ist sogar kunstflugtauglich
Die Piaggio P149 von 1959 diente früher als Schulflugzeug der Bundeswehr und ist sogar kunstflugtauglich © Rainer Burmeister | Rainer Burmeister

Anfang der 90er-Jahre begann der frühere Heeressoldat, Reservisten-Dienstgrad Oberstabsfeldwebel, unterstützt von ein paar Gleichgesinnten damit, die Idee vom fliegenden Museum umzusetzen. „Dabei gab es jede Menge Bedenken zu überwinden, bis Vorgesetzte und Beamte im Verteidigungsministerium überzeugt werden konnten”, erinnert sich Hamm, der als Inhaber der Firma Auto-Rundumservice in Pinneberg eigentlich schon genug um die Ohren hat. Ein Etappenziel wurde 1993 erreicht: Die RK Flugdienst ging – als „Versuch” genehmigt – an den Start.

Mit Kurier- und Erkundungsflügen im Einsatz

An diesem Status hat sich auch im 23. Jahr des Bestehens nichts geändert. Allerdings sind die Museumsflieger in der Praxis längst als Dauereinrichtung integriert. Mit ihren Auftritten und „Schnupperflügen” leistet die Flotte nicht nur Imagewerbung für die Bundeswehr, sondern ist auch mit Kurier- und Erkundungsflügen im Einsatz. So war es 2013 beim Elbehochwasser, als die Soldaten der Luftwaffenschule als Einsatzreserve bereitstanden. Mit den Flugzeugen der Reservisten wurden zur Lagebeurteilung Flüge über das Überschwemmungsgebiet vorgenommen. Auch Trauungen fanden schon an Bord der Skyservants, auf Deutsch Himmelsdiener, mit Platz für acht Passagiere statt. Einfach himmlisch!

Startklar: Das Team der DO 28 Skyservant (Himmelsdiener) vor dem Start zum Besuch der SAR-Station auf der Insel Borkum
Startklar: Das Team der DO 28 Skyservant (Himmelsdiener) vor dem Start zum Besuch der SAR-Station auf der Insel Borkum © HA | Rainer Burmeister

Das „Unternehmen“ RK Flugdienst finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Doch längst sind die Bindungen zur Unteroffizierschule so eng geworden, dass Hamm den jeweils Lehrgangsbesten in Theorie und Praxis die Grundlagen der Fliegerei vermittelt. Dazu gehört auch ein Rundflug über Hamburg mit den Museumsflugzeugen. Auch zu Vereinen und Feuerwehren in der Region gibt es gute Kontakte.

Kommandeure, Generäle, Luftwaffeninspekteure wie auch Militärs befreundeter Nationen waren schon als Gäste mit den alten Dorniers unterwegs. Nur von den Verteidigungsministern hat es noch niemand geschafft, die RK Flugdienst am Boden und in der Luft näher kennenzulernen. Vielleicht klappt es ja mit der ersten Frau im Amt. „Über einen Besuch von Ursula von der Leyen würden wir uns sehr freuen”, sagt Hamm. Wer weiß, vielleicht bringt die Ministerin dann auch gleich die Zusage zur Übernahme einer Transall für das fliegende Museum mit…