Helgoland. Kleine und große Touristen, die Helgoländer Gemeinde und die Kurverwaltung unterstützen seit 2007 das Rettungsprogramm für die Tiere
Die siebenjährige Lara aus München strahlte, als der kleine blaue Hummer sich mutig ins Meer stürzte. Bjarne, 13, taufte das vor Helgoland so einmalige Schaltentier spontan auf den Namen Jens und bat ihn, gut auf sich aufzupassen: „Lass dich nicht fressen!“ Und der sieben Jahre alte Oskar wünschte seinem „Hummi“ „viel, viel Glück“.
Die drei Kinder gehörten zu 100 Paten, die am Sonntagabend bei Sonnenuntergang die in der Biologischen Anstalt auf Helgoland aufgewachsenen Junghummer beim Auswildern begleiteten. Sie lauschten erst einem Vortrag, schauten sich in der Aufzuchthalle um und bestiegen dann die Börteboote, um die etwa vier Zentimeter großen und ein Jahr alten Hummer nahe der Nordspitze ins Wasser zu lassen.
„Der Hummer gilt als oberster Regulator im Lebensraum und garantiert die Artenvielfalt“, erzählt Isabel Schmalenbach, Leiterin des Projekts des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Darum sei es so wichtig, die Population des Helgoländer Hummers zu stabilisieren und zu vergrößern. In den 30er-Jahren lebten etwa 1,5 Millionen Hummer in der Nordsee. Die Fischer fingen jährlich bis 80.000 Tiere. Doch durch die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und starken Fangdruck brach die Population zusammen.
Gut 200.000 Tiere müssten neu vor Helgoland angesiedelt werden, um den Bestand langfristig zu sichern. Davon sind die Forscher allerdings trotz staatlicher und privater Unterstützung weit entfernt. Jüngst konnten immerhin 1000 Tiere vor der Insel und 3000 bei einem Windpark vor Borkum (das Hamburger Abendblatt berichtete am 20. August) ausgesiedelt werden.
Über die größte Unterstützung von Hummerpaten freuten sich die Forscher 2013, als mehr als 500 Patenschaften gezeichnet wurden. Knapp 300 waren es im vorigen Jahr.
Die „Hummerfischer“, die vor Helgoland hauptsächlich große Taschenkrebse fangen, unterstützen das Stabilisierungsprogramm. Wird ein markierter Hummer oder ein Weibchen mit Eiern gefangen, bringen sie die Tiere in die Biologische Anstalt, sodass die nächsten Generationen in Sicherheit aufwachsen und das Leben der alten Hummer untersucht werden können.
Bis zu 60 Jahre alt und 14 Pfund schwer können die Hummer werden. „Sie sind Einzelgänger und kommen nur zur Paarungszeit zusammen“, berichtet Projektleiterin Isabel Schmalenbach. Bis die Hummer sich aus dem Ei entwickeln, dauert es etwa acht bis elf Monate, je nach Wassertemperatur. Die etwa einen halben Zentimeter großen Larven sind kannibalisch veranlagt, sodass die Forscher sie im Labor sofort voneinander trennen.
In der Aufzuchtstation bleiben die kleinen Hummer etwa ein Jahr lang. Wenn sie danach ins Meer entlassen werden, graben sie sich sofort ein und suchen sich einen Unterschlupf, um nicht von ihren Fressfeinden wie dem Seeskorpion geschnappt zu werden. Nach weiteren drei bis vier Jahren sind sie geschlechtsreif und landen hoffentlich wenig später mit ihrer Brut in der „Bio“, wie die Helgoländer ihre Forschungsstation liebevoll nennen. Und dann fängt alles wieder vorn vorne an.
Nicht alle trauten sich am Sonntagabend bei leicht kabbeliger See aufs Meer. Hummerpatin Marita Roth aus Cuxhaven beobachtete die Prozession mit den sieben Börtebooten und dem kleinen Forschungsschiff von der Hafenmauer aus und sang dazu nach der Melodie „Kleine Möwe, flieg nach Helgoland“ ein kleines Lied: „Kleiner Hummer, schwimm vor Helgoland, nimm noch einen Gruß mit fern vom Heimatstrand ...“