Wedel . Bei Besichtigungen stießen sie auch auf Ausländerfeindlichkeit. Seit sieben Jahren findet Familie in Wedel keine Bleibe.

„Wir sind gute Menschen“, beteuert Massan L. Sie sitzt auf der schwarzen Ledercouch, die das Wohnzimmer der kleinen Wohnung im Mehrfamilienhaus an der Elbstraße zu erdrücken droht, und ringt um Fassung. Die Wedelerin steht nicht vor Gericht. Ihr wird auch nichts zur Last gelegt. Massan sucht lediglich eine Wohnung für sich, ihren Mann und die drei Kinder: Risto, 17, Ester, 12, sowie Debora, 9. Warum sie betonen muss, dass sie gute Menschen sind? Weil sie seit sieben Jahren nach eine Wohnung sucht, und weil sie seitdem viele Enttäuschungen erlebt hat.

Dabei hat Familie keine großen Ansprüche. Die Wohnung soll bloß größer sein, als die jetzige mit 55 Quadratmetern, in der sich ihre drei Kinder ein Zimmer teilen müssen. Und sie sollte in Wedel liegen, da hier die drei Kinder zur Schule gehen. „Sie sollen die Stadt nicht verlassen müssen“, so Massan. Eine Miete von 1000 Euro könnte sich die Familie leisten. Klingt machbar? Für Massan und ihre Familie scheint es ein unerfüllbarer Wunschtraum zu sein.

Dabei hat sie alles versucht. Seit 2008 sucht sie intensiv und stetig. Sie war bei zahlreichen Wohnungsbesichtigungen. „Jede Woche eine“, sagt sie leise. Ihre Freundin Doris Homfeldt bestätigt das. Die ehemalige Sportlehrerin des Wedeler Johann-Rist-Gymnasiums hat sich der Familie angenommen. „Ich bot an zu helfen. Ich dachte, es würde viel leichter werden, etwas zu finden“, erinnert sie sich. Sie begleitete Massan in den vergangenen Jahren zu vielen Besichtigungen, stand ihr bei. Massans Mann Kokou L. hat in Ahrensburg einen Job als Reinigungskraft und Lagerarbeiter gefunden. Massan arbeitet bei einem Lebensmitteldiscounter in Wedel. Allerdings ist sie vor Ort, er dagegen verlässt früh das Haus und kommt spät abends wieder.

Deshalb läuft Massan sich die Füße wund, wie sie sagt. Von einer Besichtigung zur nächsten. Von einem Misserfolg zum nächsten. Mal sagten die Vermieter ihr, die Wohnung sei für die Familie viel zu klein – obwohl sie deutlich größer wär als ihre jetzige Bleibe. Mal sind die Räume um ein paar Quadratmeter zu groß, so dass es Probleme mit dem städtischen Wohngeld gebe. Ein anderes Mal sind es die Kinder, die nicht gewollt waren. Und dann gibt es oft keine Erklärung, nur den Hinweis auf Nachfrage, dass andere bevorzugt worden seien. „Es ist so traurig. Es macht mich krank“, sagt Massan.

Krank macht es sie auch, weil sie noch einen ganz anderen Grund für die Ablehnung vermutet: ihre Hautfarbe. Massan ist fast so schwarz wie das Sofa, auf dem sie sitzt. Sie stammt wie ihr Mann aus Togo. 2002 kamen sie als Flüchtlinge aus dem afrikanischen Land nach Deutschland. Erst ihr Mann, dann sie, später der Sohn. Es hätte politische Gründe gehabt, sagt sie. Mehr mag sie über die Beweggründe und die Zeit der Flucht nicht erzählen. Ihr Mann hat seit 2008 die deutsche Staatsbürgerschaft, Massan und ihr Sohn seit zwei Jahren. Die beiden Töchter sind in Deutschland geboren.

Eine deutsch-afrikanische Familie auf der Suche nach einer Wohnung in Wedel – das kann auch bedeuten, dass man ihnen die Tür vor der Nase zuschlägt. Eine Vermieterin sagte es Massan ins Gesicht: Schwarze wollen wir hier nicht. Doris Homfeldt nickt. Sie hat es miterlebt. „Wir stoßen immer wieder auf Ausländerfeindlichkeit“, berichtet sie. Mal verdeckt, mal in dieser Deutlichkeit.

Homfeldt und Massan L. lernten sich eher zufällig in Wedel kennen. Aus dem Kontakt wurde Freundschaft. Sie kochen regelmäßig zusammen, tauschen sich aus und üben Deutsch. „Massan spricht immer nur etwas zu schnell. Dadurch kommt sie durchein-ander“, sagt Homfeldt, die zusammen mit ihrem Mann dreimal in Afrika war und sich freut, so etwas über die Kultur zu erfahren. „Wir haben beide etwas davon“, sagt sie.

Als wären sieben Jahre Wohnungssuche nicht genug, erhielt die Familie vor vier Wochen eine weitere Hiobsbotschaft. Der Vermieter ihrer Wohnung an der Elbstraße hat Eigenbedarf angemeldet. Bis Ende Februar müssen sie aus der Wohnung raus sein.

Massan ist verzweifelt, so verzweifelt, dass sie sich kürzlich sogar an die Mitglieder der Wedeler Ratsversammlung wendete und um Hilfe bat. Zuvor war Homfeldt bereits bei ihrem ehemaligen Schüler und heutigen Bürgermeister Niels Schmidt gewesen. Auch seine Intervention brachte keinen Erfolg. Die von einer Mitarbeiterin der Verwaltung vorgeschlagene Wohnung ging an eine türkische Familie.

„Unsere Kinder sind gut erzogen und wir können bezahlen“, sagt Massan, die sogar schon mit ihrer Bankbetreuerin zu einem Besichtigungstermin gefahren ist. Auch das half nicht. Massan holt ihren aktuellen Schufa-Auszug im Original und zeigt den Verdienstnachweis, den sie auch Vermietern zeigt. Alles ist in Ordnung. Massan blickt auf und fragt: „Haben wir in Wedel irgendetwas getan, weil uns hier keiner haben will?“