Hamburg/Wedel. Viel beschworene Zusammenarbeit innerhalb der Metropolregion scheitert in der Praxis. Wedel verklagt die Hansestadt.
Sie hatten über Lösungen verhandelt, um Kompromisse gerungen und mit Anwälten gedroht: Am Ende nutzte alles nichts. Der Streit zwischen Wedel und dem großen Nachbarn Hamburg um die Deutungs- und Planungshoheit an der Landesgrenze wird vor Gericht landen. Ein letzter Versuch Wedels, mit Vertretern aus Hamburg ins Gespräch zu kommen und doch noch eine außergerichtliche Lösung für das Problem zu finden, scheiterte. Wedel bereitet derzeit die Klage beim Oberverwaltungsgericht in Hamburg vor, die laut Stadtverwaltung noch vor der Sommerpause eingereicht wird. „Wegen eines Dutzends von Grundstücken am Rissener Elbhochufer und ihrer Eigentümer wird in Wedel das wichtigste Wirtschaftsprojekt des Jahrhunderts stranguliert – das können und werden wir nicht einfach hinnehmen“, sagt Wedels Bürgermeister Niels Schmidt.
Darum geht es: Wedel entwickelt an der Landesgrenze zu Hamburg auf dem 18 Hektar großen ehemaligen Raffineriegrundstück den Businesspark Elbufer. In dem neuen Gewerbegebiet sollen sich innovative Unternehmen ansiedeln, möglichst viele Arbeitsplätze entstehen und Gewerbesteuern fließen. Auf der anderen Seite des Grenzzauns hat Hamburg ganz andere Pläne. Hier soll das Wohnen im Grünen gefördert werden. Dafür wurde vor Kurzem ein Bebauungsplan für ein Wohngebiet aufgestellt, das sich wiederum auf Wedels Pläne massiv auswirkt. Vor allem die unterschiedlichen Lärmgrenzen passen nicht zusammen. „Die durch den beschlossenen Bebauungsplan geltenden strikten Lärmschutzwerte schränken die Nutzung unseres Gewerbegebietes ein. Für Wedel befürchten wir hohe finanzielle Verluste“, erklärt Jörg Amelung. Er ist Projektleiter für den Businesspark, den Wedel mit Sätzen wie „Freiraum für Ihre Unternehmensziele“ bewirbt, den aber nur noch begrenzt bieten kann – dank Hamburg-Rissen.
„Der Bebauungsplan Rissen 11 in seiner jetzigen Form stellt eine massive Behinderung unserer Entwicklungsmöglichkeit dar“, so Schmidt. „Er schnürt die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur in unserer Stadt, sondern in der gesamten Metropolregion ein.“ Die Ausweisung des Rissener Bereichs mit etwa einem Dutzend Häusern als „reines Wohngebiet“ bis an die Wedeler Grenze heran würde bedeuten, dass über die dann geltenden Grenzwerte Ansiedlungen in dem Businesspark Elbufer verhindert oder zumindest erschwert werden könnten.
Ärger auch zwischen Niedersachsen und Hamburg
Auch in der Nachbarschaft zwischen Niedersachsen und Hamburg kommt es zu Reibereien, die den Zorn der Bürger auf sich ziehen. Fall Rübke: Seit Jahren fordern die Einwohner des kleinen Ortes in der Gemeinde Neu Wulmstorf eine Umgehung, die den Verkehr östlich an Rübke vorbei führt. Die Einwohner befürchten, dass sich – sobald die Autobahn 26 fertig ist – all die Autoschlangen durch die Ortschaft Rübke quälen. Die Landesstraße 235, die durch den Ort Rübke führt, sei nicht in der Lage, zusätzlichen Verkehr von der Autobahn aufzunehmen, so die Argumentation der Gemeinde Neu Wulmstorf.
Eine solche Ortsumfahrung würde aber das Hamburger Gebiet durchkreuzen. Das lehnt der Bezirk Harburg kategorisch ab. Denn davon wäre das Obstanbaugebiet betroffen.
Fall Meckelfeld: Auch der geplante Bau einer Autobahnrastanlage auf Meckelfelder Gebiet (Gemeinde Seevetal) stellt die Nachbarschaft zwischen Niedersachsen und Hamburg auf eine harte Probe. Der Neubau der Raststätte „Elbmarsch“ an der A 1 soll die Tank-und Rastanlage in Hamburg-Stillhorn ersetzen. Diese muss in ein paar Jahren verschwinden, weil das Gelände für den geplanten Anschluss der A 26 an die A 1 benötigt wird. Aber die Bürger von Meckelfeld gehen deshalb schon seit Jahren auf die Barrikaden.
Der Bundespolitiker Michael Grosse-Bröhmer hat sich zwischenzeitlich in den Streit eingeschaltet und einen Ersatz an der Anschlussstelle Hamburg-Harburg in Neuland vorgeschlagen. Das wiederum erzürnt die Bürger der Neuländer Siedlungen. Sie weisen darauf hin, dass ihr Gebiet von Autobahn und Eisenbahn umschlossen sei und sie den Pendlerverkehr aus Meckelfeld ertragen müssen. Und so erteilte die Stadt Hamburg dem Vorstoß Grosse-Bröhmers eine Absage. Eine Lösung? Nicht in Sicht.
Auch beim Thema Fluglärm scheiden sich die Geister. So ärgern sich Bürger in Norderstedt, Hasloh und Quickborn seit Jahrzehnten darüber, dass sie im Vergleich zu den Hamburgern viel mehr Lärm ertragen müssen: zweimal soviel wie die Menschen in Langenhorn und Niendorf und sogar zehnmal so viel wie die Bewohner rund um die Alster. In Quickborn drohte deshalb eine Initiative gegen den Hamburger Senat zu klagen. Weil der politische Rückhalt fehlte, zog sie die fertige Klageschrift wieder zurück.