Pinneberg. Sieben Wochen Vegan: Abendblatt-Autorin zieht Bilanz. Trotz positiver Erfahrungen will sie nicht ganz auf Fleisch verzichten.

Abschiede fallen mir schwer. Als ich für ein halbes Jahr zum Studieren in die Schweiz gezogen bin, habe ich mich schweren Herzens von meiner Familie und Freunden verabschiedet. Ja, auch als mein Smartphone letztes Jahr auf mysteriöse Weise verloren ging, spürte ich eine Art Trennungsschmerz. Traurig, aber wahr. Abschiede sind nicht unbedingt mein Ding. Doch es ist an der Zeit, dem Abendblatt-Projekt „Sieben Wochen Vegan“ Lebewohl zu sagen. Tick, Tack, Tick, Tack – der Countdown läuft. Noch vier Tage, dann endet der Selbstversuch. Ostersonntag wird das Fasten gebrochen, und ich dürfte wieder Eier, Milch und Schokoladeneis verzehren.

Es ist an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Möchte ich mich weiterhin vegan ernähren? Gibt es überhaupt noch einen Weg zurück zu der alten Essgewohnheit? Ist die vegane Ernährung ein Gewinn durch Verzicht? Nach sieben Wochen kann ich sagen: Ja, es ist eine Bereicherung. Nicht, weil ich am Sonntag beim Kaffeetrinken von Omas Käsekuchen die Finger lassen musste, sondern weil ich in den knapp 40 Tagen einiges gelernt habe – über Veganimus, über das Konsumverhalten, die Umwelt und über mich selbst. Tierische Produkte rigoros vom Speiseplan zu streichen, ist nicht anspruchslos. Geliebte Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu verbannen, beim Einkaufen auf jede E-Nummer zu achten und beim Ausgehen den Kellner ständig mit der Frage zu konfrontieren, ob Milch oder Eier in den Speisen enthalten sind, kann die Nerven durchaus strapazieren.

Als Veganerin hatte ich oft mit meinen inneren Schweinhund zu kämpfen. Durchhaltevermögen war gefragt, ein starker Willen und Ehrgeiz ebenfalls. Ich hatte meine Tiefpunkte und ja, ich wurde auch einmal schwach und habe etwas Nicht-Veganes gegessen.

Doch ich sehe den Selbstversuch nicht als einen Kampf an. Gewinnen oder verlieren, Verzicht oder Genuss, darum geht es bei den Experiment nicht. Ich habe gelernt, dass es bei der Umstellung auf eine alternative Ernährungsweise vor allem um das Bewusstsein geht. Zu erkennen, welche Auswirkungen und Konsequenzen das eigene Essverhalten mit sich bringt. In Afrika hungern Menschen, weil dort Getreide angebaut wird, das an den Westen verkauft wird – wo die Produkte wiederum ans Vieh verfüttert werden, damit wir Menschen in den Industriestaaten reichlich Billigfleisch konsumieren können. Verrückt, oder?

Lebensmittel ist nicht gleich Lebensmittel. Es macht einen Unterschied, ob ich jeden Tag Geflügel oder Huhn vom Discounter für 1,99 Euro konsumiere, oder ob ich mich bewusst dazu entscheide, nur noch ein Mal in der Woche Fleisch aus dem Biomarkt zu essen. Tierische Produkte sind nicht die einzige Lösung, es geht auch anders. Viele Alternativen sind lecker und gesund, auch Tofu kann als schmackhafter Hackfleischersatz für Spaghetti Bolognese verwendet werden.

Es geht alles, man muss es nur wollen. Doch warum verkaufen einige Bäckereien nicht vegane Franzbrötchen, wenn die Konkurrenz es schafft, komplett auf tierische Zutaten zu verzichtet? Warum produziert ein Lebensmittelhersteller seine hellen Brötchen zum Aufbacken ohne Milch und Eier und die Vollkornvariante mit? In den Köpfen der Leute steckt oft noch das Vorurteil, dass veganes Essen nicht lecker oder reichhaltig sei. Einige Menschen behaupten, dass sie herausschmecken, dass das Pastagericht mit pflanzlicher oder tierischer Sahne angereichert wurde. Doch das ist Quatsch. Natürlich erkenne ich, ob ich Kuhmilch pur oder einen Soja-Drink trinke. Doch pflanzliche Produkte, die in einer Speise verarbeitet werden, sind von tierischen kaum zu unterscheiden.

Trotz der positiven Aspekte, die eine vegane Ernährung hat, ist das alternative Essverhalten ein Extrem. Eine kompromisslose Einstellung, die ein Brechen der Regel nicht zulässt. Doch so weit würde ich nicht gehen. Ich sehe mich in der Zukunft als Flexiganerin. Eier und Milch werde ich wohl nicht mehr in den Einkaufskorb legen, doch ab und werde ich ein Stück Käse genießen Ganz auf tierische Produkte zu verzichten, kann ich mir nicht vorstellen, dazu freue ich mich zu sehr auf den ersten Burger mit Pommes und Mayonnaise. Doch ich werde nicht zum Schnellrestaurant rennen und einen Cheeseburger für einen Euro kaufen, sondern ein Lokal auswählen, von dem ich ausgehen kann, dass das Fleisch dort nicht nur eine Pampe aus Knorpel und Knochen ist.

Mein Fazit: Sich bewusst zu ernähren, das ist das Zauberwort. Ich kann die Welt mit einer veganen Ernährung nicht retten, doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sich die Menschen Gedanken über ihre Gewohnheiten machen und ihr Essverhalten kritisch reflektieren. Das waren sieben Wochen vegan, sieben Wochen Verzicht, sieben Wochen Gewinn.