Fünfköpfige Familie aus Quickborn sucht seit anderthalb Jahren vergeblich neue Bleibe. Viele Makler versetzen sie, einer beschimpfte sie als „asozial“.
Quickborn. In dem kleinen Kinderzimmer stehen drei Gitterbettchen. Wenn Katarina Fiebelkorn an den Kleiderschrank möchte, muss sie eins zur Seite schieben. Platz zum Spielen bleibt kaum. Die Zwillinge Sina und Jarven, 22 Monate alt, und ihre ältere Schwester Marja, 34 Monate alt, müssen auf das Wohnzimmer ausweichen. Dort stapeln sich in den Regalen Spiele und Bücher. Eine kleine Rutsche und ein Bobbycar stehen vor dem großen Sofa. An den Wand über der Kindersitzecke hängen bunte Kinderzeichnungen.
Wer Familie Fiebelkorn in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung in Quickborn besucht, gewinnt schnell den Eindruck, dass der Platz nicht ausreicht. Deswegen würden die Eltern mit ihren drei Kindern auch gern in eine größere Bleibe umziehen, am liebsten in ein Haus mit Garten. Selbst eins zu bauen, das kann sich die junge Familie nicht leisten. Deshalb suchen sie eins zur Miete.
Marc Fiebelkorn, 36, arbeitet seit zehn Jahren als Altenpfleger in Quickborn, hat einen festen Vertrag. Seine Ehefrau ist Theaterleiterin am Beluga-Kino und zurzeit in Elternzeit zu Hause. „Wir sind nicht verschuldet, haben keine Kredite laufen, beide Abitur“, sagt der 36-Jährige. Trotzdem kann oder will ihnen seit anderthalb Jahren kein Makler weiterhelfen.
„Ein Makler fragte mich am Telefon, mit wie vielen Menschen ich in das Haus einziehen will“, sagt Katarina Fiebelkorn. Als sie antwortet, dass sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern einziehen wolle, habe er folgendes gesagt: „Was? Drei Kinder haben Sie? Sind Sie sicher, dass Sie nicht asozial sind?“ Geschockt legt sie auf. „Später habe ich mich geärgert, dass ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt habe.“
Diese Reaktion eines Maklers sei die krasseste gewesen, aber keine Ausnahme. Viele hätten die Sorge geäußert, dass das Haus mit Kindern womöglich schneller verlebt wäre. „Eine Vermieterin meinte zu uns, dass Kinder die Bausubstanz zu sehr abnutzen würden“, sagt Marc Fiebelkorn und schüttelt ungläubig den Kopf. Andere Makler hätten sie bei Besichtigungsterminen versetzt und sich nie wieder gemeldet.
Rund 30 Häuser haben sie sich bisher angesehen. Einige seien auch infrage gekommen, die Familie aus Sicht der Vermittler offensichtlich nicht. „Von den meisten haben wir kein zweites Mal gehört“, sagt Katarina Fiebelkorn. „Mittlerweile haben wir unsere Ansprüche so runtergeschraubt, dass wir gar keine mehr haben.“ Nur Marcs Arbeitsstelle sollte innerhalb einer Stunde zu erreichen sein und die Kaltmiete sollte 1000 Euro nicht übersteigen, so die 29-Jährige. „Mit einem Aquarium voller Gubbys würden wir vermutlich schneller ein Haus zur Miete finden.“ Die machen keinen Lärm oder Schmutz. Denn offenbar liege es nicht an der Preisvorstellung, sondern an den Kindern, dass sie kein Haus finden.
Keine subjektive Wahrnehmung, wie aus einer 2013 veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact AG im Auftrag von immowelt.de hervorgeht. Die meisten Vermieter in Deutschland bevorzugen Rentner und kinderlose Paare. Familien mit Kindern haben bei der Wohnungssuche eher schlechte Karten.
Einziger Trost: Manche Mietergruppen sind noch deutlich unbeliebter. Demnach vermieten 71 Prozent der Befragten am liebsten an Rentnerpaare, gefolgt von kinderlosen Paaren (63 Prozent). Nur jeder Zweite vermietet gern an Paare mit Kindern. Am unbeliebtesten bei Vermietern sind Wohngemeinschaften (zehn Prozent) und Alleinerziehende (18 Prozent).
Letzteres beobachtet auch Karina Sahling, Beraterin im Frauentreff Elmshorn. „Zu uns kommen immer öfter Mütter, die verzweifelt sind, schon über einen langen Zeitraum nach einer Wohnung suchen und nichts finden“, sagt sie. Es sei generell schwierig geworden, im Kreis Pinneberg bezahlbaren Wohnraum zu finden. Vermieter könnten sich ihre Mieter deswegen aussuchen. „Und da nehmen sie lieber ein ruhiges Ehepaar als eine Frau mit Kindern.“
In Pinneberg hilft das ehrenamtliche Team der Pinneberger Wohnungssuchbörse, eine neue Bleibe zu finden, wenn viele Mitbewerber, hohe Maklergebühren, sprachliche Barrieren oder finanzielle Grenzen die Suche erschweren. „Wir nehmen Kontakt zu Vermietern auf und vereinbaren Besichtigungstermine“, sagt Ehrenamtler Ulrich Herling. Viele ihrer Klienten seien kinderreiche Familien mit Migrationshintergrund. „Wir werden vor große Herausforderungen gestellt, denn das Wohnungsangebot ist knapp und diese Klientel nicht gern gesehen.“
Laut Deutschem Mieterbund haben abgelehnte Familien rechtlich gesehen keine Chance. Ein Vermieter muss seine Ablehnung nicht begründen. Es gilt in Deutschland zwar ein Gleichbehandlungsgesetz, aber Kinder sind dort nicht als Diskriminierungsgrund aufgeführt. Seine Kinder beim Vermieter zu verschweigen, wäre allerdings nur dann zulässig, wenn der Vermieter nicht fragt, wer einzieht, so der Mieterbund.
In ihrer Verzweiflung schrieb Katarina Fiebelkorn in einem Blog über ihre Erlebnisse bei der Haussuche. „Die Resonanz war positiv“, sagt sie, wenn auch nicht ermutigend. Andere Familien hätten ihr von ähnlichen Erlebnissen berichtet. Letztendlich seien die meisten noch fündig geworden – nach drei bis sieben Jahren intensiver Suche.