Die Stadtverwaltung in Pinneberg schlägt vor, Asylbewerber dort unterzubringen, wo eigentlich ein Kulturzentrum entstehen soll.
Pinneberg. Der Druck steigt. Immer mehr Menschen verlassen ihre Heimat. Auf der Flucht vor Krieg, Unterdrückung und politischer Verfolgung. Die Stadt Pinneberg, in der aktuell 186 Asylsuchende und 94 Wohnungslose beherbergt werden, rechnet für die kommenden zwölf Monate mit 130 weiteren Flüchtlingen. Eine sich abzeichnende Entwicklung, auf die die Kreisstadt jetzt mit einem Konzept für deren Unterbringung reagiert. Vier neue Standorte werden der Politik in einem schriftlich fixierten Konzept vorgeschlagen.
Einer davon birgt Zündstoff: Die Ernst-Paasch-Halle an der Lindenstraße könnte für 45.000 Euro zu einer Unterkunft für Asylsuchende und Obdachlose umgebaut werden. Das Gebäude stand in den vergangenen Monaten im Fokus, wenn es darum ging, ein Kulturzentrum einzurichten – und den heimatlosen Amateurtheatern ein Zuhause zu geben. Ein Plan der mit dem Ja zur Unterbringung von Flüchtlingen vom Tisch wäre.
An der Lindenstraße könnten bis zu 25 Menschen ein Dach über dem Kopf bekommen. Am vergangenen Wochenende informierte Bürgermeisterin Urte Steinberg die Fraktionschefs der Pinneberger Parteien über ihren Maßnahmenkatalog, demzufolge weitere Immobilien zu Unterkünften für Flüchtlinge und Obdachlose umgebaut werden könnten. So gerät auch eine städtische Liegenschaft an der Schauenburger Straße ins Blickfeld. Dort müssten allerdings 200.000 Euro in die Hand genommen werden, um Platz für zwölf Menschen zu schaffen.
Ein ehemals von der Kirche betriebener Kindergarten am Horn könnte nach Umbau für 50.000 Euro 40 Menschen, vornehmlich Familien, beherbergen. Auch der Ankauf von Wohncontainern wird als Alternative aufgeführt. Kostenpunkt: 620.000 Euro. Die Behelfsheime könnten auf dem Parkplatz der Sportanlage an der Müssentwiete, wo die Fußballclubs Sportfreunde Pinneberg sowie Türkbirlikspor ihre Heimspiele austragen, platziert werden. 32 heimatlose Menschen könnten dort untergebracht werden.
Verantwortlich für das Unterbringungskonzept, das für 2015 Gesamtinvestitionen von 915.000 Euro vorsieht, zeichnet Rathaussprecher Marc Trampe, der sich neben der Öffentlichkeitsarbeit auch um die Flüchtlingsthematik kümmert. Er spricht von „einer großen Herausforderung“, vor der die Stadt Pinneberg stehe. Aktuell kämen Asylsuchende vor allem aus Syrien und Afghanistan. Die Anerkennungsquote sei hoch, der Bildungsstand der Neubürger häufig ebenfalls. „Darin sehen wir auch eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, so Trampe. Willkommenskultur – noch ein zartes Pflänzchen. Trampe will es pflegen. Verwaltungsintern trifft sich einmal pro Woche eine Taskforce, in der Mitarbeiter aus dem Bauamt, dem Sozialamt, dem Ordnungsamt sowie ein Architekt sich einbringen. Für den 12. März lädt Trampe zudem zu einem Runden Tisch ein. Politiker, Verwaltung, Diakonie, Kirchen, Polizei und ehrenamtliche Helfer der Pinneberger Tafel sind eingeladen.
Als weiteren Baustein für die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen verfolgt Pinneberg die Idee, mithilfe von Investoren neue Wohnhäuser zu bauen. Ein städtisches Grundstück westlich des Moorwegs in Waldenau käme dafür infrage. „Wir müssen dabei vor allem auf Nachhaltigkeit achten“, sagt Trampe. Neubauten müssten weiterhin genutzt werden, wenn Flüchtlingsströme abebbten – etwa als Sozialwohnungen. Dass vor allem die Aufstellung von Containern sowie das neue Konzept für die Paasch-Halle Kritiker auf den Plan rufen wird, ist Trampe klar. „Aber wir müssen das angesichts der derzeitigen Situation jetzt zur Diskussion stellen, entscheiden wird letztlich die Politik.“ Die zuständigen Fachausschüsse beraten noch im März.
Andreas Hettwer, Chef des Forum Theaters, dessen Ensemble derzeit seine Stücke in der Paasch-Halle aufführt und in dessen Reihen die Hoffnung auf ein Kulturzentrum an der Lindenstraße lebt, äußerte sich gestern zurückhaltend. Die Unterbringung von Flüchtlingen sei zweifellos „ein sensibles Thema“. Es werde voraussichtlich während einer Mitgliederversammlung Mitte März erörtert. „Wir hoffen, dass wir zumindest bis 2016 in der Paasch-Halle spielen können.“ Somit würde die Spielzeit gesichert. Danach könne womöglich die Aula der in Bau befindlichen Berufsschule als neues Zuhause dienen. Diesbezüglich würden derzeit Gespräche geführt.
Aktuell bringt Pinneberg etwa ein Drittel der Flüchtlinge in Hotels unter. Das verschlingt im Schnitt 25 Euro pro Person und Nacht. Zwar übernehmen Land und Kreis etwa 400 Euro pro Asylbewerber im Monat, auf dem Rest der Kosten bleibt Pinneberg jedoch sitzen. „Wir suchen dringend Mietwohnungen im Stadtgebiet“, so Trampe. Vermieter könnten sich unter der Telefonnummer 04101/21 12 64 an Bau-Fachdienstleiter Klaus Krämer wenden.