Der Traum vom Eigenheim gerät für eine Familie im 840 Einwohner zählenden Dorf Seeth-Ekholt bei Elmshorn zum Albtraum. Unter und neben ihrem Grundstück sind teerhaltige Asphaltbrocken verbuddelt worden.
Seeth-Ekholt. Ein Streit um Altlasten im Boden eines Baugebiets belastet den Dorffrieden in Seeth-Ekholt. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt wegen unsachgemäßer Entsorgung von asphalthaltigem Erdaushub gegen den Bürgermeister. Ein Bußgeldverfahren des Kreises Pinneberg ist anhängig. Gutachterlich ist festgestellt, dass keine gesundheitliche Gefährdung von diesem Boden ausgeht. Gleichwohl klagt eine Anwohnerin über häufige Bauchschmerzen und hat Angst um ihre Kinder.
Der Ärger begann für Familie Lahl-Schlichting im Herbst 2012. Sie hatten sich im neuen Baugebiet am Wald neben dem Regenrückhaltebecken ein 716 Quadratmeter großes Grundstück von einer Erbengemeinschaft aus dem Dorf gekauft. Im Kaufvertrag ist es als altlastenfrei ausgewiesen. Doch bei den Erschließungsarbeiten wurden plötzlich große Mengen alter Asphalt aus dem Erdboden zu Tage gefördert. Woher genau das teer- und pechhaltige Zeug stammt, ist unklar. Womöglich sind es Überreste der alten Dorfstraße. Ein Anwohner erinnert sich, dass 1979, als diese saniert wurde, des Nachts Lkw-Ladungen mit Straßenresten dorthin gekarrt und verbuddelt worden seien.
Ulf und Tanja Lahl-Schlichting informierten nach ihrem Fund Bürgermeister Michael Rosenthal, der die Untere Naturschutzbehörde des Kreises einschaltete. Im Oktober 2012 kam es zum Ortstermin. Der Kreis-Mitarbeiter gab Entwarnung. Der mit Wurzelwerk und Bauschutt durchsetzte Mutterboden sei als unbedenklich einzustufen, lautete sein Urteil nach Augenschein. Die Asphaltbrocken waren zu dem Zeitpunkt jedoch schon größtenteils weg, sagt Sven Kruse. Bis zu 130 Kubikmeter „stark asphaltiger, nach Teer riechender Aushub“ seien an einen unbekannten Ort abgefahren worden. Das hat der Seeth-Ekholter Gemeindevertreter der Staatsanwaltschaft Itzehoe in seiner Anzeige vom April 2014 mitgeteilt.
Bürgermeister Rosenthal nennt ein bis zwei Lkw-Ladungen, die eine Firma auf seinen Auftrag hin weggebracht habe. Was damit passiert ist, will er mit Verweis auf das strafrechtliche Verfahren gegen sich, das bereits 10.000 Euro Kosten verursacht habe, nicht sagen.
Der Kreis ermittelt wegen möglicher illegaler Entsorgung. Denn trotz der Unbedenklichkeit des Bodens hatte ein Mitarbeiter dem Bürgermeister am 29. Oktober 2012 per Mail deutlich gemacht: „Für die ordnungsgemäße Verwertung/Entsorgung der anfallenden Böden aus den Erschließungsmaßnahmen ist Kontakt mit der Abfallbehörde des Kreises Pinneberg aufzunehmen.“ Ein Nachweis darüber fehlt bis heute.
Als Lahl-Schlichtings im Mai 2013 mit dem Hausbau begannen, wurden wieder Asphaltbrocken zu Tage gefördert. Der Baggerfahrer habe sie zu einem „Riesenberg“ zusammengetragen. Wieder schalteten sie die Gemeinde ein, deren Bürgermeister aber nun eher unwirsch reagiert habe. Ein Schiedsmann sollte die Sache beruhigen. Die Bauherren fühlten sich missverstanden und mit ihrem Problem allein gelassen. Bis sie von einem Fachmann im Dorf einen Schnelltest eines Asphaltbrockens machen ließen, der sie alarmierte. Die Abfälle seien mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) belastet, die krebserregend sein können. Eine erste Bodenanalyse bestätigte den PAK-Befund. Nun musste auch die Gemeinde erneut den Kreis einschalten.
Im April 2014 wurden 30 bis 70 Zentimeter tief neun Bodenproben entnommen und gutachterlich bewertet. Die Analyse ergab zwar, dass bei einer Probe der PAK-Grenzwert um das 13-Fache überschritten war. Aber der eigentlich krebserregende Stoff im PAK, das gefährliche Benzoapyren, überschreite mit dem gemessenen Wert von 2,4 Milligramm pro Kilogramm nur leicht den Grenzwert der für Kinderspielplätze festgelegt ist. Für Wohngebiete (4mg/kg) und Parks (10 mg/kg) sei der Wert als unbedenklich einzustufen. Da das Material nicht wasserlöslich sei, stellte das vom Kreis als renommiert angesehene Gutachterbüro aus Rellingen fest: „Die chemischen Untersuchungen haben ergeben, dass von der Bodenverfüllung keine Umweltgefährdung ausgeht.“
Doch Tanja Lahl-Schlichting ist weiter stark verunsichert, zumal die Asphaltbrocken immer noch recht zahlreich unweit ihres Hauses an der Oberfläche herumliegen. Sie klagt über Bauchschmerzen, die sie sich nicht erklären kann, und fürchtet, dass ihre kleinen Kinder beim Spielen gefährdet sein könnten. Der Umgang der Gemeinde mit diesem Problem sei für sie intransparent. „Das macht uns Angst“, sagt die vierfache Mutter. Gemeindevertreter Kruse glaubt sogar, dass der Verbleib von giftigem Abfall bewusst verschleiert werden soll.
Auch die Familie handelte sich Ärger mit dem Kreis ein. Dieser stellte vom Bürgermeister beauftragt fest, dass sie ihr Haus 28 Zentimeter zu hoch errichten ließen. 2500 Euro Bußgeld wurden dafür fällig. Eine Retourkutsche für ihr ständiges Enervieren wegen des belasteten Bodens auf ihrem Grundstück? Nein, betont Bürgermeister Rosenthal. Es habe Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, denen er nachgehen musste.