Fotoausstellung zeigt Menschen mit seltener Erkrankung im Alltag. Verein Achse versucht mit Ausstellung in Wedel auf die vier Millionen Betroffenen in Deutschland aufmerksam. Spendenaktion bringt 15.000 Euro.
Wedel. Josi ist neun Jahre alt. Auf dem einen Foto lacht das Mädchen aus Cottbus überglücklich. Auf dem anderen weint sie vor Schmerzen. Josi leidet unter einer seltenen und schweren Krankheit. Das Mädchen hat das Williams-Beuren-Syndrom. Josi leidet deswegen unter einem Herzfehler, hat starke Neurodermitis, Wachstumsstörungen und große Schwierigkeiten ihren Alltag allein zu gestalten. Gleichzeitig sind Menschen mit Williams-Beuren-Syndrom sehr musikalisch und viele von ihnen verfügen über das absolute Gehör. Der Gendefekt, mit dem das neunjährige Mädchen auf die Welt kam, weist laut Schätzungen nur einer von 50.000 Menschen auf. Somit ist Josi etwas sehr Besonderes. Doch das verschafft dem kranken Mädchen keinen Vorteil. Im Gegenteil. Mit ihrer seltenen Erkrankung ist sie doppelt bestraft.
Denn für die Medizin, ob Pharmaindustrie oder Ärzteschaft, stellt sie eine Randgruppe dar. Es gibt nur wenige Fachleute. Das sorgt vor allem dafür, dass Menschen mit seltener Erkrankung lange darum ringen müssen, eine Diagnose zu bekommen. Im Durchschnitt sind es sieben Jahre. Im Fall von Josi dauerte es knapp vier Jahre, in denen ihre Mutter um Gewissheit kämpfte. „Patienten mit seltenen Erkrankungen werden zu Experten ihrer eigenen Erkrankung, weil es einfach sonst niemanden gibt, der sich damit auskennt“, erklärt Mirjam Mann. Sie ist Geschäftsführerin von Achse (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen). Unter dem Dachverband, der laut eigenen Angaben in Deutschland vier Millionen Betroffene vertritt, bündeln sich 121 Interessenvertretungen. Ihnen will Achse eine Stimme verleihen.
Und weil ein Bild manchmal mehr als Tausend Worte sagt, initiierte der Dachverband eine Wanderausstellung, die derzeit in Wedel Halt macht. Für das Projekt „Waisen der Medizin“ fotografierten Verena Müller, Kathrin Harms und Maria Irl fünf Menschen, die unter einer seltenen Erkrankung leiden. Darunter sind eben auch Aufnahmen von Josi, wie sie ihren Alltag mit ihrer Mutter meistert. Mit der Ausstellung voller Freude, Leid und Hoffnung will Achse auf das Thema aufmerksam machen und damit die nötige Forschung vorantreiben. „Menschen mit seltenen Erkrankungen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Die Fotoausstellung ist ein Türöffner dorthin“, ist Achse-Chefin Mann sicher. Die Türen öffnet dafür ausgerechnet ein Pharmaunternehmen. Denn die Ausstellung ist in den Räumen von AstraZeneca in Wedel, Tinsdaler Weg 183, zu sehen – und zwar jeweils mittwochs, 7., 14. und 21. Januar, von 14 bis 15 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Zufällig ist die Allianz zwischen Achse und AstraZeneca nicht. Denn das Pharmaunternehmen hat in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit den Patientenvertretungen wie Achse verstärkt und will das laut Dirk Greshake, Geschäftsführer AstraZeneca Deutschland, weiter ausbauen. Von der Zusammenarbeit würden beide Seite profitieren, wie Achse-Botschafterin Patricia Carl hervorhob. AstraZeneca könne aus dem Fachwissen der Betroffenen lernen, die wiederum Einfluss auf die Forschung nehmen könnten. Carl ist ehrenamtliche Vorsitzende des Bundesverbands „Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien“ und selbst kleinwüchsig. Es gibt etwa 450 verschiedene Formen des Kleinwuchses, die alle selten sind. Aus ihrer Sicht sind Pharmaunternehmen ein wichtiger Partner der Selbsthilfegruppen, deren Aufgabe es auch sei das Thema in der Gesellschaft zu platzieren.
„Wir haben uns lange allein Volkskrankheiten gewidmet. Das hat sich geändert“, erklärte Greshake. „Wir bekennen uns bewusst zu unserer Verantwortung, in der Forschung nach neuen Therapiemöglichkeiten einen aktiven Beitrag zu leisten.“ Zweifellos sei AstraZeneca noch nicht da, wo man hinwolle. Aber man sei auf einem guten Weg. Der Chef des Wedeler Pharma-Unternehmen hofft für Anfang 2015 auf die Zulassung für ein neues Medikament gegen Eierstockkrebs – eine weniger häufige, aber sehr aggressive Krebsart. Zuvor hatte das Unternehmen bereits Medikamente auf den Markt gebracht, die deutschlandweit nur etwa 100 Patienten betreffen.
In diesem Zusammenhang schlossen sich die Entwickler mit dem Verband Achse kurz und lernten unter anderem Schicksale wie das von Josi kennen. Das bewegte die Mitarbeiter so sehr, dass sie 2013 die Initiative Move ins Leben riefen. Für jeden Kilometer, den die AstraZeneca-Mitarbeiter zurücklegten, gab’s Geld. Zur Ausstellungseröffnung in Wedel überreichte Greshake das Ergebnis. 15.000 Euro kamen zusammen, die der Arbeit von Achse zugute kommen.