Die Kängurus sind los, nein wirklich. Ausgerechnet kurz hinter Sibirien in Elmshorn leben seit kurzem zwei Exemplare. Die ausgebüxten Tiere Fenja und Tyson, haben dort im Wildtiergehege Asyl gefunden.
Kreis Pinneberg. Sieben Grad Celsius, Nieselregen, ein kalter Wind fegt über die sibirischen Wiesen von Elmshorn. Ausgerechnet hier leben leben seit kurzem zwei sehr ungewöhnliche Bewohner mit sprunghaftem Lebensstil. Fenja und Tyson sind Bennett-Kängurus. Ihr ursprüngliches Zuhause liegt im mehr als 15.000 Kilometer entfernten Australien. Dort leben ihre Verwandten vorwiegend im Osten und Südosten, wo derzeit Temperaturen von durchschnittlich 30 Grad herrschen. Doch Fenja und Tyson scheinen sich in ihrem neuen norddeutschen Zuhause in den Weiten Pinnebergs ausgesprochen wohlzufühlen.
Tyson ist etwas schüchtern. Aber Känguru-Dame Fenja mit dem atemberaubenden Augenaufschlag erkundet selbstbewusst das neue Domizil. Das kann sich sehen lassen. Ihr etwa 600 Quadratmeter großes Gehege liegt kurz hinter der Grenze zwischen dem Elmshorner Ortsteil Sibirien und der Gemeinde Klein Offenseth-Sparrieshoop. Die großzügige Unterkunft, die eigens für den Neuzugang von den bisherigen Bewohnern, den Pommern- und Island-Schafen, geräumt wurde, verfügt über einen kleinen Stall und einen eigenen See. Essen ist inklusive. „Fenja und Tyson bekommen Wurzeln, gekochte Kartoffeln, Haferflocken und Heu“, berichtet Pflegerin Stephanie Lange. Sie gehört zum siebenköpfigen Team der Wildtierstation Hamburg, in deren Obhut die beiden Kängurus mit Freiheitsdrang gegeben wurden. Etwa 120 Tieren bietet der gemeinnützige Betrieb, der sich allein durch Spenden finanziert, derzeit Obhut. Obwohl sich auf dem 2,5 Hektar großen Areal Silberfüchse, Hasen, Stinktiere, Pfauen und andere Exoten „Gute Nacht“ sagen, zählen Fenja und Tyson zu den besonderen Bewohnern.
Die Tiere hätten den Winter im Wendland nicht überlebt
Aufmerksamkeit sind die beiden herrenlosen und ausgebüxten Kängurus gewohnt. Sie hatten zuvor in Niedersachsen für ordentlich Aufruhr und Schlagzeilen gesorgt. Wochenlang hatten Anwohner, Mitarbeiter des Ordnungsamtes und des Kreisveterinäramtes versucht, die beiden Tiere im Wendland einzufangen. Sogar die Feuerwehr war mit von der Partie. Die beiden Bennett-Kängurus, die ursprünglich in Eukalyptuswäldern sowie Gras- und Buschsteppen leben, hätten den Winter im Wendland-Outback wohl nicht überlebt. Zudem stellten die Tiere eine Gefahr für den Straßenverkehr dar. Und so jagte eine Region die beiden Beuteltiere. Mit Erfolg.
Am 8. Dezember gelang es Anwohnern im kleinen Dörfchen Mützingen, Känguru-Dame Fenja zu keschern. Schwieriger war es, den scheueren und etwas größeren Tyson dingfest zu machen. Der scheint es exotisch zu lieben. Tyson wurde erstmals auf einer Wiese zusammen mit einer Herde von Nandu-Laufvögeln gesichtet, die ein Liebhaber solcher Tiere privat hält. An diesem Sonntag war Tysons großer Ausflug vorbei. „Auf dem Hof eines Schäfers, auf dem wir extra eine Futterstelle eingerichtet haben, ging er uns ins Netz“, sagte Mathias Heinrich vom Ordnungsamt der Samtgemeinde Elbtalaue am Mittwoch. Ein Besitzer habe sich bislang nicht gemeldet und somit sind Fenja und Tyson Fundtiere, die weitervermittelt werden dürfen.
Die Besitzer haben sich nicht gemeldet
Das übernimmt das Team der Wildtierstation Hamburg. „An einen privaten Halter gehen sie nicht. Wir versuchen, sie an einen Tierpark zu vermitteln“, sagt Stephanie Lange. Das gelang mit dem Dachsbaby, das Lange aufpäppelte und das im Tierpark Arche Noah lebt. Auch für Silberfuchs Mogli gibt es einen Platz. Das Tier, das auf einem Hof in Schenefeld bei Itzehoe vom Amt wegen nicht artgerechter Haltung beschlagnahmt wurde, soll in den Tierpark Schwarze Berge ziehen. Ob Silberfüchse, Kängurus, Eulen: „Eigentlich kann man alles im Internet kaufen“, sagt Lange. Verboten sei das nicht. Auflage ist lediglich die artgerechte Haltung. Doch nachweisen muss die nur derjenige, der die Tiere auch dem Amt meldet. „Das macht nicht jeder“, so Lange. Oft dauere es lange, bis zum Beispiel Nachbarn das Amt auf Fälle aufmerksam machen. So wie im Fall des Stinktiers, das einst auf einem Balkon einer Wohnung hauste und heute in einem großen Gehege im Elmshorner Wald bei Sibirien lebt.
Die Wildtierstation ist eine gemeinnützige Gesellschaft
2010 gründeten Christian Erdmann und Katharina Neeb die Wildtierstation Hamburg als gemeinnützige GmbH. Ihr Ziel: eine Anlaufstelle in Hamburg und Schleswig-Holstein für in Not geratene Wildtiere zu etablieren. Vor zwei Jahren kauften sie dafür das Gelände in Klein Offenseth-Sparrieshoop. Der Betrieb kann durch einen jährlichen Zuschuss des Vereins Vier Pfoten in Höhe von 100.000 Euro und weitere Spenden und Sponsoren aufrecht erhalten werden. Besonders Futterspenden sind jederzeit willkommen. Am 21. Dezember ist die Wildtierstation mit einem Stand im Elmshorner Tierheim zur Weihnachtsaktion vertreten.