Wedeler Steinkohlekraftwerk sorgt derzeit für mächtig Ärger in der Nachbarschaft. Anwohner sagen, es sei so laut wie nie. Vattenfall kämpft mit teuren Lösungen und kann sich den Lärm nicht erklären.
Wedel. Die gute Nachricht zuerst: Das Wedeler Kraftwerk ist schon etwas leiser geworden – zumindest nachts. Das belegen aktuelle Lärmmessungen. Die schlechte Nachricht: Der Grenzwert von 40 Dezibel wird trotzdem noch überschritten. Die von der Aufsichtsbehörde nach massiven Beschwerden von Anwohnern angeordneten Lärmmessungen eines Gutachters hatten bereits im Februar ergeben, dass es im angrenzenden Wedeler Wohngebiet in der Nacht deutlich zu laut war. In der Straße Am Hellgrund wurden bis zu sieben Dezibel mehr als erlaubt gemessen. Kraftwerksbetreiber Vattenfall ging ran an die ermittelten Lärmquellen. Setzte acht von den zehn verordneten Maßnahmen um. Trotzdem ergab die jüngste Messung im Wedeler Wohngebiet erneut eine Lärmüberschreitung von bis zu zwei Dezibel.
Seit zwei Jahren klagen Anwohner über den Lärm, seit Februar steht fest, dass etwas passieren muss, und doch ist es immer noch zu laut. „Die Thematik ist sehr komplex“, sagt Markus Wonka, Chef der Vermögensverwaltung bei Vattenfall. Eine in Auftrag gegebene Analyse habe gezeigt, dass es eben nicht einfach eine Lärmquelle gebe, die es zu beseitigen gilt. Sondern es wurden mehrere mögliche Ursachen ermittelt. „Es ist keine Entschuldigung und es hilft auch den Anwohnern nicht, aber das dauert einfach. Jede technische Lösung muss individuell erarbeitet, bewertet und mit Fachfirmen umgesetzt werden“, so Wonka. Schwierig war auch der Einbau der neuen Dämmstoffwände in der Turbinenhalle. Das Problem hier: Die Westfassade des Gebäudes von Architekt Bernhard Hermkes steht unter Denkmalschutz. Um einen Teil der Glasmetallkonstruktion durch eine Lärm mindernde Kalksandsteinwand ersetzen zu dürfen, mussten die Teile Stück für Stück abgebaut, katalogisiert und eingelagert werden.
Besonders kämpfen die Vattenfall-Ingenieure derzeit aber mit dem Turbinen-Problem. Über zwei Turbinen verfügt das Steinkohlekraftwerk in Wedel. Die eine ist aus dem Jahr 1961, die andere von 1993. Ausgerechnet die jüngere von den beiden wurde nun als einer der Krachmacher identifiziert. Das mehrere Hundert Tonnen schwere Gerät soll nun vom Fundament entkoppelt werden, Dämpfer werden in die Stahlträger eingebaut. So der derzeitige Plan. Andere Ideen mussten laut Wonka wieder verworfen werden, weil sie nicht umsetzbar waren. Auch mit der jetzigen Lösung betreten die Vattenfall-Mitarbeiter Neuland. Derzeit arbeiten Ingenieure an der Entwicklung eines Prototyps, der voraussichtlich im März in einen der zwölf Stahlträger eingesetzt wird. Dabei muss die Turbine auf den Hundertstelmillimeter genau auf den Ursprungsort zurück und dort auch bleiben.
In diesem Fall müssen sich die Anwohner gedulden, weil dieses Großprojekt zur Lärmminderung nur während der sommerlichen Wartung, wenn die Anlage stillsteht, umgesetzt werden kann. Anders sieht es da mit der geplanten Schallschutzwand innerhalb der Turbinenhalle aus. Vattenfall will sie schon Anfang des Jahres bauen. Wenn die Turbine ihre Dämpfer bekommen hat und die Schallschutzwand steht, dann hat Vattenfall alle zehn mit der Aufsichtsbehörde in Flintbek abgestimmten Aufgaben erfüllt und laut eigenen Angaben einen fast siebenstelligen Betrag investiert. Zusätzlich wird für die Nachtruhe der Anwohner von 22 Uhr an die Abluftanlage für den Kohlebunker abgeschaltet.
Während die Anwohner darauf hoffen können, von Sommer an wieder friedlich schlafen zu können, tut sich auch etwas an der Wasserseite des Kraftwerks. Denn hier schlummert das zweite große Lärmproblem. Wedels Kraftwerk ist nachgewiesenermaßen auch am Tag zu laut. Die nötigen Entladungen der Schiffe, die die Steinkohle tonnenweise bringen, machen zu viel Krach. Auch in diesem Fall hat die Aufsichtsbehörde Betreiber Vattenfall nach Beschwerden der Anwohner in die Pflicht genommen. Auch in diesem Fall gibt es eine Anordnung, die von Vattenfall verlangt, den Lärm bis spätestens Februar abzustellen.
Ein Konzept, wie das gehen kann, sollte bis Dezember auf dem Tisch liegen. Das tut es auch, wie Vattenfall-Sprecherin Karen Kristina Hillmer bestätigt. Das Konzept sieht sechs Maßnahmen vor. So soll am Hebekran – auch in diesem Fall macht das neuere Modell Probleme – gedämmt und optimiert werden, was geht. Zudem ist eine Überfahrrampe im Bereich des Schienenstoßes geplant. Die Ruhe am Tag kostet Vattenfall noch einmal eine sechsstellige Summe.
Etwas leisere und versöhnlichere Töne schlägt auch Kerstin Lueckow, Mitglied der Bürgerinitiative „Stopp! Kein Megakraftwerk in Wedel“, an. „Ich habe den Eindruck, dass Vattenfall sich bemüht, den Lärm zu vermindern. Allerdings muss das auch die gewünschten Effekte haben“, fordert Lueckow, die als Anwohnerin unter dem Lärm leidet. Nachts sei es besser geworden, am Tag aber nicht. In Sachen Schiffsentladungen hätte es erst Fortschritte und dann deutliche Rückschritte gegeben. So laut wie zuletzt vor einer Woche sei es noch nie gewesen, so Lueckow. Bei Vattenfall kann man sich das nicht erklären. Interne Messungen hätten genau das Gegenteil gezeigt. Klar ist, dass kommende Woche ein neues Schiff mit Steinkohle sowie ein Vertreter der Aufsichtsbehörde erwartet werden.