Mit seltener Einmütigkeit beschloss die Barmstedter Stadtvertretung auf ihrer jüngsten Sitzung, mitten in der Stadt eine Unterkunft für Flüchtlinge mit sechs Zwei-Zimmer-Wohnungen zu bauen.
Barmstedt. Diese Entscheidung war den Fraktionen wichtig und sie fiel einmütig. Die Stadt Barmstedt wird im kommenden Jahr an der Feldstraße 1 für 480.000 Euro ein Gebäude mit sechs Wohnungen für Flüchtlinge bauen. Auf dem städtischen Grundstück steht ein baufälliges und seit langem unbewohntes Haus, das abgerissen werden soll.
Während alle anderen Punkte auf der Tagesordnung weitgehend ohne Beratung beschlossen wurden, meldeten sich bei diesem Thema alle Fraktionen zu Wort und betonten, warum sie voll und ganz hinter diesem Projekt stehen. Zudem wird zum 1. Januar 2015 in Barmstedt die Stelle eines ehrenamtlichen Migrationsbeauftragten geschaffen, die mit einer Aufwandsentschädigung von 250 Euro im Monat dotiert ist.
Dieses Mal gab es von der Bürgerschaft keine Einwände gegen die geplante Asylunterkunft, die auf zwei Stockwerken sechs Zwei-Zimmer-Wohnungen haben und mit maximal 20 Personen mit Kindern besetzt werden soll. Auf den Sitzungen des Sozial- und des Bauausschusses im November war es dagegen noch hoch hergegangen.
Einige Anwohner der benachbarten Wohnanlage An der Alten Mühle hatten lautstark ihre Bedenken geäußert, dass in ihrer Nachbarschaft Menschen einziehen sollten, die sie als „schwierige Fälle“ bezeichneten. Zugleich verwahrten sie sich dagegen, „in eine rechte Ecke gedrängt zu werden“, wie Hausverwalter Jürgen Stiebling für die Eigentümer betonte.
Dies habe auch niemand aus der Politik getan, nahm Jürgen Busse, SPD, diesen Vorwurf auf. „Wir haben niemanden in die rechte Ecke gedrängt.“ Er rate den Bewohnern, sich im Arbeitskreis zu engagieren, der sich regelmäßig trifft, um eine Willkommenskultur in der Bevölkerung für Asylsuchende in Barmstedt zu schaffen, und bereits zahlreiche Unterstützer hat. „Diese Menschen haben andere Sitten und Bräuche als wir. Aber wir werden das Kind schon schaukeln“, sagte der SPD-Politiker.
Grünen-Fraktionschefin Marina Quoirin-Nebel ging auf die Vorgeschichte zu dem Beschluss ein. Bereits im März habe sich die Politik mit diesem Thema befasst, als klar gewesen sei, dass die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge schnell steigen und in der Unterkunft des Amtes Rantzau in Langeln kein Platz mehr sein würde.
Heute seien es 73 Flüchtlinge, die die Stadt Barmstedt und das mitverwaltete Amt Hörnerkirchen unterzubringen hätten, so Quoirin-Nebel. Angesichts der 200.000 Menschen, die dieses Jahr nach Deutschland geflüchtet sind, sei das eine überschaubare Zahl. „Die Asylunterkunft ist dringend notwendig und wir können froh sein, dass wir so früh angefangen haben zu planen, damit sie im Sommer 2015 fertig ist.“
Es sollte aber darauf geachtet werden, dass die Asylbewerber nicht mit Obdachlosen in dem Haus wohnten, damit sich daraus keine Konflikte entwickelten, riet Quoirin-Nebel. BALL-Fraktionschef Günter Thiel schlug vor, gleich eine Stelle für einen Hausmeister für die Unterkunft zu schaffen, der sich auch um die Flüchtlinge kümmert. Diese Stelle sei ebenso wie der Bau selbst über die Landes- und Kreiszuschüsse für jeden Bewohner (etwa 350 Euro pro Monat und Person) zu finanzieren.
„Wir können nur mit einer Willkommenskultur gewinnen und nicht mit Ablehnung und Ausgrenzung“, sagte Hauke Johannsen, CDU.
FWB-Fraktionschef Michael Schönfelder wies darauf hin, mit welch’ offenen Armen die Menschen, die überwiegend aus Syrien, Irak und Afghanistan hierher kommen und oft vom Krieg in ihren Heimatländern traumatisiert sind, zurzeit in Deutschland aufgenommen würden. Eine Umfrage der Uni Hamburg habe diese Hilfsbereitschaft mit äußerst positiv gestimmten Zahlen belegt, zitierte Schönfelder aus einem Artikel im Abendblatt. Demnach hätten mehr als 90 Prozent der befragten deutschstämmigen Hamburger gute Erfahrungen mit Zuwanderern gemacht und fänden es positiv, mit diesen zusammenzuleben. Ähnlich positiv äußerten sich die Flüchtlinge über ihre Begegnungen mit den Deutschen. Beide Gruppen wünschten mit großer Mehrheit, mehr persönlichen Kontakt zueinander zu haben.
„Das zeigt uns“, sagte Schönfelder, „an der Feldstraße wird kein sozialer Brennpunkt entstehen.“ Vielmehr sollten sich die Einheimischen an die Zeiten vor rund 70 Jahren erinnern, als die Weltkriegsflüchtlinge „auf einen Schlag die Bevölkerungszahl in Barmstedt auf 8000 verdoppelten“. In dem Keller seines Hauses lebten damals 21 Flüchtlinge, erzählte Schönfelder. „Das war notwendig. Solidarität wurde großgeschrieben.“ Die jetzt unterzubringenden Flüchtlinge seien meist sehr gebildet und keine schwierigen Fälle. „Sie brauchen unsere Hilfe und Zuneigung.“