Jäger rüsten Straßen im Norden des Kreises Pinneberg mit Reflektoren aus, die Wildtiere abschrecken und Unfälle verhindern. Sponsoren sollen helfen, dieses Pilotprojekt auf andere Gebiete auszuweiten.

Barmstedt Mit dem Herbst beginnt die Saison der Wildunfälle – und die gehören laut Experten zu den am stärksten unterschätzten Gefahren im Straßenverkehr. Autofahrer, die plötzlich einem Reh oder einem Hirsch ausweichen müssen, erschrecken sich und machen Fehler. Manche geraten in Panik und riskieren Ausweichmanöver, die tödlich enden können. Pro Jahr stoßen allein im Norden des Kreises Pinneberg etwa 160 Autos mit Wildtieren zusammen. Mit einem Pilotprojekt wollen die Jäger im Norden des Kreises jetzt zumindest einige dieser Unfälle verhindern.

Eine mögliche Lösung für das Problem ist blau, rechteckig und kostet pro Stück 5,30 Euro. Reflektoren wie diese können, wenn sie an Leitpfosten an den Straßen angebracht werden, Wildunfälle verhindern – das besagen erste Ergebnisse eines groß angelegten Tests, den der ADAC gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Jägerverband ins Leben gerufen hat. Auf Teststrecken wurden 60 bis 90 Prozent weniger Wildunfälle verzeichnet. Die Reflektoren werfen ein sogenanntes Lichtgitter auf die Straße, wenn die Autoscheinwerfer sie anleuchten. Weil das blaue Licht in der Natur nicht vorkommt, schreckt es Tiere wie Rehe, Hirsche und Wildschweine ab.

350 dieser Reflektoren werden jetzt an Unfallschwerpunkten zwischen Barmstedt und Itzehoe angebracht, unter anderem wird die Landesstraße 112 im Bereich von Brande-Hörnerkirchen zusätzlich gesichert. Das haben die Jäger im Hegering 1 der Kreisjägerschaft Pinneberg beschlossen, zu dem Barmstedt, Bokel, Bokholt-Hanredder, Brande-Hörnerkirchen, Groß Offenseth-Aspern, Klein Offenseth-Sparrieshoop, Lutzhorn, Osterhorn und Westerhorn gehören. Die Reflektoren zahlen die Jäger aus eigener Tasche, 3000 Euro werden für die Leuchtelemente und auch einige neue Pfähle fällig.

Die Jäger bringen die Reflektoren selbst an und werden auch künftig für die Wartung zuständig sein. Mit diesem ersten Schritt können aber nur die gefährlichsten Punkte entschärft werden. „Wir würden gern den gesamten Hegering mit seinen 160 Kilometern Straße ausrüsten“, sagt Philip Alsen, Sprecher des Hegerings 1. Allerdings: „Dafür wären noch einmal etwa 13.000Euro notwendig.“ Dazu sagt Hermann Maaß-Hell, der Leiter des Hegerings: „Ich habe mehrere Unternehmen angesprochen, ob sie die Aktion finanziell unterstützen wollen. Aber wir haben nur Absagen bekommen. Es hieß oft, für die Sicherheit sei ja der Straßenbaulastträger zuständig.“

Bei Straßen wie der L 112 handelt es sich dabei um das Land Schleswig-Holstein. Warum übernimmt die Kieler Landesregierung nicht die Finanzierung? Frank Nägele, Staatssekretär im Verkehrsministerium, sagt dazu: „Bisher werden die blauen Reflektoren nicht vom Straßenbaulastträger bezahlt.“ Es laufe aber eine auf fünf Jahre angelegte Studie mit dem Titel „Wildunfälle vermeiden“, die noch nicht abgeschlossen sei. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie bestätigten jedoch, wie die Studie der Jäger und des ADAC, eine „positive Wirkung der blauen Reflektoren“. Details müssten noch untersucht werden. Einstweilen gelte, so Staatssekretär Nägele: „Der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers ist mit dem Warnhinweis ‚Wildwechsel‘ Genüge getan.“

Die Jäger im Hegering halten das Schild, das Autofahrer oft ignorieren, nicht für ausreichend. Sie hoffen weiterhin auf einen oder mehrere Sponsoren, die helfen, flächendeckend die Reflektoren anzubringen. Philip Alsen: „Das wäre dann vielleicht auch ein Modell für den restlichen Kreis.“

Er betont auch, dass es dabei nicht nur um den Schutz der Autofahrer, sondern auch um den Tierschutz geht. Besonders schlimm seien für die Tiere jene Unfälle, die für die Autofahrer glimpflich ausgehen. Alsen: „Rehe erleiden bei Autounfällen fast immer Knochenbrüche und innere Verletzungen, selbst wenn das Auto sie nur touchiert hat.“ Im Adrenalin-Schock springe ein Reh oft noch davon, verblute aber später meistens innerlich, verhungere oder verdurste. Ein qualvoller Tod.

Autofahrer haben letztlich wenig Möglichkeiten, Wildunfälle zu vermeiden. Experten raten, im Falle eines Falles das Tempo zu reduzieren, aber die Spur zu halten. „Bei abrupten Ausweichmanövern ist die Gefahr groß, die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren“, sagt Hans-Joachim Koch, Schadensexperte bei der HDI-Versicherung. Die „kontrollierte Kollision mit dem Wildtier“ sei in den allermeisten Fällen die weniger gefährliche Option.