Die in Wedel angesetzten Lärmgrenzen vertragen sich nicht mit den Plänen der Nachbarn in Rissen, wo ein reines Wohngebiet geplant wird. Städte und Anwohner haben bereits Anwälte eingeschaltet.
Wedel/Rissen. Grasende Pferde, rauschende Bäume, ein paar Radler touren Richtung Elbe: Es sieht alles so friedlich aus. Doch genau hier am Tinsdaler Weg, wo Wedel aufhört und die Stadt Hamburg beginnt, ist Schluss mit der friedlichen Nachbarschaft. Grund ist der befürchtete Krach durch den neuen Businesspark am Elbufer.
Die Lärmhöchstgrenzen, die die Stadt Wedel für das Areal am Tinsdaler Weg festlegen möchte, schmecken den Rissenern auf Hamburger Seite so gar nicht. Denn dort verfolgt die Politik ganz andere Pläne. Ein vorgesehenes reines Wohngebiet mit grünem Charakter in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Businesspark verträgt sich nicht mit den Wedeler Vorstellungen von einem Gewerbegebiet mit möglichst wenig (Lärm-)einschränkungen für Investoren.
Kompromisse scheiterten. Die Fronten sind verhärtet. Sowohl Wedel als auch das zuständige Bezirksamt Hamburg-Altona haben Juristen auf den Fall angesetzt. Sie kommen zu ganz unterschiedlichen Rechtsauffassungen, bestärken die jeweiligen Positionen in Wedel und Altona. Wedel beruft sich darauf, dass das Gelände ein ehemaliger Raffinierstandort ist. Durch die jetzigen Pläne werde es sogar von einem Industriegebiet auf ein normales Gewerbegebiet herabgestuft, mit entsprechend geringerem Lärm.
In Altona verweisen Politiker und Verwaltung dagegen auf die jüngere Vergangenheit, in der das Gelände jahrelang brachlag. Es sei unklar gewesen, was Wedel eigentlich damit vorhabe. Noch 2006 informierte der ehemalige Eigentümer der Fläche, die ExxonMobil als Nachfolger von Mobil Oil, Anwohner darüber, nur Teile das riesigen Geländes weiter gewerblich nutzen zu wollen. Der überwiegende Teil sollte durch Aufforstung renaturiert werden.
2010 einigten sich Exxon und die Stadt Wedel auf einen Kaufvertrag. Wedel übernahm das belastete 18 Hektar große Gelände für einen symbolischen Preis von einem Euro. Zudem wurde ein zweistelliger Millionen-Euro-Betrag für die Sanierung des Geländes ausgehandelt. Die ist fast abgeschlossen. Allerdings fehlt noch eine Lösung für die kontaminierten Flächen am Hafen, die sich mit der möglichen Autofähre an diesem Standort vereinbaren ließe.
Laut Bürgermeister Niels Schmidt soll in diesem Jahr der Sanierungsplan stehen, ebenso der Bebauungsplan für den Businesspark. Dann könne 2015 mit dem Bau der Erschließungsstraße und dem Verkauf der Grundstücke begonnen werden kann. Egal, was in Rissen passiere. „Wir werden unseren Weg weitergehen“, kündigt Schmidt mit Blick auf die Rissener Bemühung an.
Denn dort ist man auf Konfrontationskurs und hat bereits den Bebauungsplan für ein reines Wohngebiet beschlossen, der Wedel zu Lärmminderungen zwingen würde. Ist dieser Bebauungsplan rechtskräftig, wird geklagt. Daraus macht Wedels Bürgermeister keinen Hehl. „Wir würden das Thema gern einvernehmlich vom Tisch kriegen. Aber wir können nicht hinnehmen, dass man uns dort in unseren Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt.“
Zu einer Normenkontrollklage will er es allerdings nicht kommen lassen. Deshalb hat er Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer um Unterstützung gebeten. Zudem hat er sich schriftlich an Jutta Blankau, Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und damit Chefin der Genehmigungsbehörde, gewandt. „Wir gehen davon aus, dass das alles seinen normalen Gang geht und wir den Bebauungsplan im September veröffentlichen können und er damit in Kraft tritt“, sagt Kerstin Godenschwege. Die Pressesprecherin des Bezirksamtes Altona nimmt die Wedeler Intervention gelassen. Der Bebauungsplan habe die Rechtsprüfung durchlaufen und befände sich zur Genehmigung bei der Fachbehörde.
So uneins sich die Politiker auf den beiden Landesseiten sind, so einig sind sich die Anwohner auf beiden Seiten der Grenze. 50 Betroffene aus Hamburg und Wedel haben sich zusammengetan und einen Anwalt beauftragt. Sie wehren sich ebenfalls gegen den noch nicht gültigen Bebauungsplan für das Wedeler Gewerbegebiet. Sie fürchten den Lärm aus dem Businesspark, zusätzlich zu den geräuschvollen Belastungen durch das angrenzende alte Wedeler Kraftwerk. Das hält laut Messungen des Landesamtes in Flintbek die Lärmgrenzen jetzt schon nicht ein.
Einer von denen, die sich wehren, ist der Wedeler Görn Besendahl. Der Unternehmer hat vor zehn Jahren die Immobilie am Tinsdaler Weg gekauft und saniert, die direkt an das Gelände des Businessparks angrenzt. Die Vermietung der zehn Wohnungen ist seine Altersversicherung. Durch die lautstarken und staubigen Sanierungsarbeiten auf dem Gelände hat Besendahl bereits Mieteinnahmen eingebüßt. Tagsüber keine Lärmgrenzen und nachts bis zu 45 Dezibel. „Ob dann noch einer in dem Haus wohnen will?“, fragt sich Vermieter Besendahl, der einst der Entwicklung des Areals positiv gegenüberstand.
„Die haben Vermarktungsschwierigkeiten und ermöglichen deshalb den Investoren alles“, kritisiert Mitstreiter Jan Hilbert aus Rissen. „Das ist wie Enteignung.“ Er wohnt einen Schritt hinter der Landesgrenze im 1968 errichteten Elternhaus am Leuchtfeuerstieg und damit in der Nähe zum ehemaligen Raffineriegelände. Somit müsste er Lärm vom Nachbargelände doch gewöhnt sein.
Der Hamburger Jürgen Hübner schüttelt den Kopf. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es auf dem Gelände der Mobil Oil in Wedel keine Raffinerie gegeben. Die Umwelt- und Lärmbelastungen eines Schmierstoffwerkes sind erheblich geringer als die einer Raffinerie“, stellt Hübner klar, der dort jahrelang für Mobil Oil gearbeitet hat. Die drei sind sich einig, sie werden weiterkämpfen, notfalls mit einer Normenkontrollklage.