Schützenswert oder nicht: Nach den Ferien beginnt im Kreis Pinneberg die Bewertung von Denkmälern. 1100 werden in den kommenden zwei Jahren berwertet, unter anderem auch die Jugendbildungsstätte in Barmstedt.
Kreis Pinneberg. Im Spätsommer startet die große Inventarisierungsaktion der Landesregierung im Kreis Pinneberg. Dann sichten und bewerten die sieben eigens dafür eingestellten Landesdenkmalpfleger die rund 1100 einfachen Kulturdenkmäler und entscheiden, ob sie künftig als schützenswerte Objekte gelten sollen wie die anderen 469 besonderen Kulturdenkmäler im Kreis Pinneberg. Die geplante Novellierung des Denkmalschutzgesetzes macht diese Arbeiten für mindestens zwei Jahre notwendig, um alle etwa 16.000 bislang als einfache Kulturdenkmäler eingestuften Gebäude, Gärten und Ensembles im Land zu überprüfen. In Lauenburg, Eutin und Itzehoe sind die Arbeiten bereits abgeschlossen.
„Es werden etliche Häuser aus dem Denkmalschutz herausfallen“, ist Annelie Fesser überzeugt. Die Architektin ist seit 35 Jahren in der Kreisverwaltung für den Denkmalschutz zuständig. Es sei gut, sagt sie, dass das Land, nun endlich mit der bundesweit einmaligen Unterscheidung zwischen einfachen und besonderen Denkmälern Schluss machen will. Eigentümer Erstgenannter müssen den Behörden bis dato lediglich Auskunft erteilen und auf Wunsch eine Besichtigung gestatten. Weitere Pflichten treffen sie nicht. Demgegenüber müssen die Eigentümer besonderer Denkmäler Genehmigungspflichten beachten und das Denkmal erhalten. „Diese Unterscheidung war für viele schwer zu verstehen“, sagt Fesser.
Einfache Kulturdenkmäler sind zum Beispiel das Kibek-Hochhaus in Elmshorn und das frühere Krankenhaus in Barmstedt, das jetzt seit 40 Jahren Jugendbildungsstätte des Kreises Pinneberg ist. Unter besonderem Schutz stehen hingegen die Uferpromenade von Helgoland, Kloster und Langes Mühle in Uetersen, die Landdrostei und das alte Kreishaus in Pinneberg.
Der erste Gesetzentwurf zum Denkmalschutz stand schwer in der Kritik. Dass zunächst die betroffenen Eigentümer nicht darüber informiert werden sollten, dass ihr bisher einfaches nun ein zu erhaltenes Kulturdenkmal sein kann, war der Hauptkritikpunkt, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Lehnert. „Ausgerechnet eine Landesregierung, die sonst so auf Bürgerbeteiligung setzt, wollte bei der Denkmalpflege keinen Dialog führen. Das hielten wir für einen massiven Eingriff in die Eigentumsrechte.“ Christian Fuchs von der Mittelstandsvereinigung der CDU aus Wedel schimpft: „Dieses Gesetz ist bürokratischer Irrsinn und verursacht nur hohe Kosten.“
Die überarbeitete Fassung des Gesetzes, die jetzt im Landtag diskutiert und vermutlich Ende des Jahres auch so verabschiedet wird, sieht eine Informationspflicht vor. Jedes inspizierte einfache Kulturdenkmal, das künftig unter Schutz gestellt wird, käme auf eine Liste, die im Internet veröffentlicht wird, beschreibt Landesdenkmalpfleger Michael Paarmann das neue Verfahren. Zudem werde er schriftlich darüber benachrichtigt. Auch den Denkmalrat, dem Vertreter aus der Region angehören und den ein Betroffener um Hilfe bitten kann, hält Annelie Fesser für eine weitere Verbesserung gegenüber dem alten Gesetz.
Der Verband Haus und Grund kritisiert allerdings nach wie vor, dass es kein vorheriges Anhörungs- und Widerspruchsverfahren geben soll. Dem hält die SPD-Landtagsabgeordnete Beate Raudies entgegen, dass Betroffene, die mit der Bewertung nicht einverstanden seien, jederzeit klagen könnten. Bisher lief die Einspruchsfrist nach einem Monat ab. Nun gebe es keine Ablauffristen mehr. So könnte die Stadt Elmshorn klagen, wenn sie nicht damit einverstanden wäre, dass beispielsweise das alte Rathaus unter Schutz steht. „Nach dem alten Gesetz war das nicht möglich.“ Raudies ist überzeugt: „Für die Eigentümer wird es eine Verbesserung sein.“
Landesdenkmalpfleger Paarmann glaubt ohnehin, dass bei der landesweiten Inspektionsrunde ein ganz anderes, viel „traurigeres“ Ergebnis herauskommen wird: „Wir werden feststellen, dass in den letzten 30 Jahren ein Großteil der Kulturdenkmäler verschandelt, zerstört und verloren gegangen sind. Dieser Verlust an Kulturwerten wird den Menschen die Augen öffnen.“ Immer mehr Bürger würden es bedauern, dass in ihrer Umgebung ortsprägende Landschafts- und Stadtbilder heute für immer verschwunden sind.
Ohnehin seien die meisten Ängste und Vorurteile in Sachen Denkmalschutz und seinen Folgen völlig unbegründet, sagt Paarmann. „Es ist keineswegs so, dass die Häuser dann unter einer Veränderungssperre stehen wie unter einer Käseglocke.“ Ob Modernisierungen, Wärmedämmung, Dachausbau oder Anbauten – alles sei im Rahmen des Denkmalschutzes möglich und werde mit den Eigentümern unter Berücksichtigung ihrer sozialen und finanziellen Verhältnisse besprochen. Dies habe sich auch seinerzeit bei der Neutra-Haussiedlung in Quickborn gezeigt, wo es mit den meisten der 66 Eigentümer in der Marienhöhe zu einer Einigung gekommen sei.
Inzwischen gehe der Trend sogar in die andere Richtung, hat Paarmann erfahren. Die 110 lichtdurchfluteten Bungalows, die der kalifornische Stararchitekt Richard Neutra Anfang der 60er-Jahre in Quickborn und Frankfurt konzipierte, gelten heute als so schick und modern, dass Käufer sie am liebsten wieder in den Originalzustand zurückbauen wollten. Paarmann: „Neutra ist eine echte Erfolgsgeschichte für den Denkmalschutz.“