Das frühere Gefangenenlager am Torfwerk im Himmelmoor, in dem während des Zweiten Weltkriegs 53 jüdische Häftlinge zum täglichen Torfstechen gezwungen wurden, wird als offizielle Gedenkstätte angemeldet.
Quickborn. In Quickborn wird zurzeit gleich mehrfach das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte beleuchtet und aufgearbeitet. So soll ein kleines Wäldchen endlich nach einem in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Bürger benannt werden. Und das frühere Gefangenenlager am Torfwerk, in dem während des Zweiten Weltkriegs 53 jüdische Häftlinge zum täglichen Torfstechen gezwungen wurden, wird als offizielle Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes in Schleswig-Holstein angemeldet. Dazu hat sich jetzt ein Träger- und Förderverein gegründet, der sich nach Henri Goldstein benannt hat, einem der überlebenden jüdischen Gefangenen, der mit seiner Anfrage seinerzeit diese geschichtliche Aufarbeitung in Quickborn angestoßen hatte.
„Unser Ziel ist es, das sogenannte Rotsteinhaus in der Himmelmoorstraße als Gedenkstätte eintragen zu lassen, es für jedermann öffentlich zugänglich zu machen und dort Ausstellungen und Veranstaltungen zu organisieren, die sich mit aktuellen Themen wie Neonazismus, Fremdenfurcht, Fremdenhass und Intoleranz auseinandersetzen“, zitiert Vereinsvorsitzender Jens-Olaf Nuckel aus der Vereinssatzung. Mit dieser Zielsetzung wende sich der Verein vor allem auch an junge Leute und Schulen, die hier ein anschauliches Beispiel annähernd im Originalzustand vorfänden, um sich mit den Auswirkungen der Terror-Herrschaft der Nazis in der Region zu befassen.
„Das Lager im Himmelmoor war kein KZ und kein Vernichtungslager“, sagt Gründungsmitglied Sabine Schaefer-Maniezki. „Es zeigt aber, dass der Nazi-Terror in jedem Dorf Raum gewonnen hat. Auch hier ist den Kriegsgefangenen Unrecht getan worden.“
Der Förderverein will mit dieser Initiative unbedingt verhindern, dass das geschichtsträchtige Rotsteinhaus privaten Zwecken zugeführt wird, wenn das Torfwerk im Himmelmoor wie geplant im Jahr 2020 geschlossen wird. Ein Abriss ist ohnehin nicht möglich, da es zusammen mit zwei weiteren Gebäuden, die zurzeit vom Verwalter und einem ehemaligen Mitarbeiter des Torfwerks bewohnt werden, unter Denkmalschutz steht. Diese Gebäude, die heute den Landesforsten gehören, dienten seit 1914 als Arbeitslager für Sträflinge, in denen auch 150 russische und französische Kriegsgefangene neben den jüdischen Zwangsarbeit leisten mussten.
Einer von Letzteren war eben jener Henri Goldstein, der 1977 und noch mal 1994 mit seiner Anfrage, seine Zwangsarbeitszeit in Quickborn anerkennen zu lassen, die Quickborner Bevölkerung wieder an dieses Kapitel erinnerte. Im Jahr 2000 bescheinigte ihm Bürgermeister Günther Thonfeld sein Anliegen. Goldstein war seit dem Einmarsch des Deutschen Reiches 1940 in Belgien in deutscher Gefangenschaft. In Quickborn wurde er wie seine Mitgefangenen vor 69 Jahren von der britischen Armee befreit, die am 4. Mai 1945 in Wedel, Pinneberg und Quickborn einmarschierte.
Goldsteins Anfrage veranlasste historisch interessierte Quickborner Bürger, die Geschichte des Gefangenlagers zu recherchieren und 2005 in einem Buch zu dokumentieren. Der gebürtige Quickborner Jörg Penning schrieb seine Magisterarbeit über „Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus am Beispiel der Landgemeinde Quickborn“. Diese wissenschaftliche Untersuchung war Anlass für mehrere VHS-Seminare zum Thema. Nun hat sich aus der Initiative „selbstbewusstes Quickborn“ der Goldstein-Verein gegründet.
Das Goldstein-Haus wäre die elfte Gedenkstätte zur NS-Zeit im Land und die erste im Kreis Pinneberg. Der Antrag an die Landesregierung sei gestellt, sagt Nuckel. Es sollen dort auch Torfwerkzeuge ausgestellt werden. Betten und Schränke von Gefangenen, die zurzeit in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ausgestellt sind, sollen wieder zurückgeführt werden. Das gilt ebenso für einen Spiegel, der im jüdischen Museum in Rendsburg gezeigt wird, auf dessen Rückseite Goldstein und seine Leidensgenossen die Namen der jüdischen Häftlinge notierten. Weitere Hintergründe gibt es im Internet unter www.spurensuche-quickborn.de.