Nähen ist wieder in – und zwar so sehr, dass sich das Unternehmen fabfab jetzt an ein Großprojekt wagt: fabfab will aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Edeka ein “Do-it-yourself“-Zentrum machen.
Schenefeld. Klingt skurril, ist aber ein durchaus ernst gemeintes Projekt: Das Unternehmen fabfab, das mit dem Internetboom groß geworden ist, entdeckt plötzlich den Direktverkauf für sich. Der Internethändler plant am Hauptsitz in Schenefeld ein kleines Einkaufscenter. Die Idee: Aus dem sanierungsbedürftigen Bürogebäude am Osterbrooksweg soll die erste Anlaufadresse für Näh- und Bastelfans werden. „Bislang gibt es nur Spezialgeschäfte. Hier sollen Kunden aber alles für ihr Hobby finden, geballte Kompetenz unter einem Dach. Das gibt es so noch nicht“, erklärt Nils Haack, Projektleiter bei fabfab.
Dafür soll der seit 2011 leer stehende Bürokomplex umgebaut werden. Auf 8400 Quadratmetern über vier Etagen entstünde so eine Art „Do-it-yourself-Zentrum“. Ganz oben würde eine Kreativschule mit vier Lehrzimmern einziehen, die ganztägig Kursangebote unterbreitet, sowie Dienstleister (Atelier für Brautmode, Hutmacher und Schneider) Platz finden. Im dritten Stock gibt es alles für den Bastelbedarf, eine Etage weiter würde fabfab den Direktverkauf starten und Stoffe, Tücher und Nähzubehör wie Knöpfe und Bänder erstmals nicht nur übers Internet vertreiben.
Den ersten Stock hat ein Vertriebspartner für sich reserviert. Die Firma aus dem Groß- und Einzelhandel will sich samt Nähmaschinen, Bügelanlagen, Textildruckern, Schneide- und Schweissmaschinen für Textilien am Osterbrooksweg niederlassen und vor Ort Kunden beraten.
„Wir haben Gespräche mit jeweiligen Partnern geführt, weil das natürlich nicht unser Kerngebiet ist. Es gibt viele Interessenten“, so Haack. Unter anderem stünde ein Unternehmer parat, der die im Erdgeschoss geplante Gastronomie mit 100 Sitzplätzen betreiben will. In der Gastronomie mit „Vater-Lounge“ samt Fernsehern sowie einer Kinderbetreuung sollen sich Kunden sowie die derzeit 100 fabfab-Mitarbeiter und die Angestellten benachbarter Unternehmen stärken können. Haack: „Die Mitarbeiterzahl im Gewerbegebiet steigt, und es fehlt eine vernünftige Lösung.“
3000 Quadratmeter im vorderen Teil des Gebäudes hin zum Osterbrooksweg sind dafür als Verkaufsfläche, also für den Einzelhandel, vorgesehen. 900 Quadratmeter sind als Lager eingeplant, 930 für Verwaltung gedacht. 3500 blieben reine Gewerbefläche. Allerdings ist dafür eine Änderung des Bebauungsplans nötig, der bislang keinen Einzelhandel vorsieht. Die Pläne stellte die Geschäftsführung kürzlich den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses vor. Die Resonanz ist laut Mathias Schmitz (Grüne), der den Ausschuss leitet, durch alle Fraktionen hinweg positiv gewesen. Kein Wunder: Der Plan hat in mehrerer Hinsicht Charme. Unter anderem verschwände so ein Sanierungsfall und Schandfleck mitten im Gewerbegebiet. Denn seit Ende des Edeka-Logistikzentrums fand sich für den Bürokomplex kein Mieter. Seitdem wächst vor allem das Grünzeug vor dem Gebäude Höhe Hausnummer 35.
Die Idee, aus dem Brachland ein solches Hobbyzentrum zu entwickeln, ist aus der Not heraus geboren. Denn das Unternehmen fabfab ist auf Wachstumskurs. So sehr, dass die Lagerflächen von 5300 Quadratmetern, die erst neu bezogen wurden, bereits wieder zu klein geworden sind. „Wir wachsen derzeit um 60 Prozent per anno“, sagt Haack. „Wir haben derzeit 700.000 registrierte Nutzer und etwa eine Million besucht unsere Internetseite pro Monat.“ Das geht vor allem auf das erfolgreiche Auslandsgeschäft zurück, aber auch in Deutschland boomt der Markt. Frau oder Mann greift wieder selbst zu Nadel und Faden, VHS-Kurse sind gefragt wie lange nicht.
Vor rund zehn Jahren wurde fabfab gegründet, nebenberuflich auf knapp 60 Quadratmetern. Daraus ist ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern geworden, einem angestrebten zweistelliger Millionenumsatz und einer Verdoppelung der Mitarbeiterzahl bis 2017. Doch der Wachstumskurs frisst Platz. Zwischen 1000 und 2000 Quadratmeter Lagerfläche benötigt fabfab. Auf der Suche nach dringend benötigen Flächen wurden Gespräche mit der IVG als Eigentümer der Gewerbeimmobilien geführt, die insgesamt 46.000 Quadratmeter Logistikflächen in Schenefeld verwaltet. Doch jeder Meter ist vermietet – bis eben auf das Bürogebäude. Hier könnte fabfab einen Teil der Musterei hin auslagern und so wieder mehr Platz in der bereits angemieteten Halle schaffen.
„Wir stehen diesen Plänen sehr positiv gegenüber“, sagt IVG-Konzernsprecher Jürgen Herres. Allerdings müsse sich das Projekt rechnen. Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse soll Klarheit bringen. Laut Abendblatt-Informationen wird die Sanierung des Bürokomplexes auf rund zwei Millionen Euro geschätzt. Hinzu kämen die Umbaukosten aufgrund der Nutzungsänderung. Ein weiterer Knackpunkt sind die Parkplätze. Die Initiatoren erwarten bis zu 300 Kunden pro Tag, an Sonnabenden doppelt so viele. Dafür müssten mindestens 100 Stellplätze zur Verfügung gestellt werden, die es auf dem Gelände so nicht gibt. Allerdings auf der anderen Seite der Straße. Dort verhandelt die Stadt Schenefeld derzeit mit der IVG über einen Verkauf des Parkplatzes, um neues Gewerbe ansiedeln zu können. Denkbar wäre, einen Teil für den Hobbymarkt abzutrennen.
Dafür muss die Politik grünes Licht geben. Wenn es nach fabfab geht, könnte noch 2014 mit dem Umbau begonnen und spätestens 2016 das Center, das laut Initiatoren bis zu 100 neue Arbeitsplätze schaffen soll, eröffnet werden.