Experten rechnen damit, dass der Kreis Pinneberg nach der guten Saison 2013 wieder bei den Gästezahlen zulegt. Offenbar profitiert die Region von Gästen, die von der Touristenhochburg Hamburg ins Umland ausweichen.
Pinneberg. Gastwirte im Kreis Pinneberg können sich auf den Sommer freuen. Das hat auch handfeste materielle Gründe. Denn sie dürfen damit rechnen, dass nach der guten Saison 2013 noch einmal mehr Touristen in der Region Urlaub machen werden. „Es ist im ganzen Kreis mehr geworden in den vergangenen Jahren“, sagt Jürgen Schumann, Vorsitzender des Pinneberger Kreisverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Martin Linne, Geschäftsführer der in Elmshorn ansässigen Gesellschaft für Tourismusforschung, bestätigt: „Die Zahl der Ankünfte und Übernachtungen entwickelt sich seit sechs, sieben Jahren nach oben.“ Für 2014 ist Ähnliches zu erwarten. Wie Jürgen Schumann sagt, seien schon die Zahlen aus den ersten Monaten sehr gut.
Was ist der Grund für den Boom – und wer ist es, der zwischen Halstenbek und Elmshorn Erholung sucht? Wie Martin Linne sagt, profitiert der Kreis von seiner Nähe zu Hamburg – und davon, dass dort die Übernachtungszahlen immer weiter steigen. Viele Touristen würden ins Umland ausweichen, um Kosten zu sparen und in einer ruhigeren Umgebung zu übernachten. Mindestens ebenso wichtig sei aber ein ungebrochener Trend zum naturnahen Tourismus. „Aktivtourismus und entschleunigtes Reisen sind ganz wichtige Themen für den Kreis“, sagt Martin Linne. Die Region biete beste Möglichkeiten für Reit- und Wassersport – sowie für Fahrradtouren. „Der Elberadweg ist der beliebteste und am stärksten frequentierte Radwanderweg in Deutschland“, sagt der Tourismusforscher. Davon profitiere die Region.
Jürgen Schumann, der 116 Dehoga-Mitgliedsbetriebe vertritt, bezeichnet die Fahrradtouristen gar als „Hauptzielgruppe“. Diese seien in der Haseldorfer Marsch, aber auch im übrigen Kreisgebiet anzutreffen. Ein Grund seien neue, gut ausgebaute Fahrradrouten wie der Ochsenweg, der von Wedel bis in die dänische Stadt Viborg führt. Auf der 504 Kilometer langen Route wurden früher Rinder von Dänemark zu den weiter südlich gelegenen Mastgebieten getrieben.
Heute ist der Weg eine beliebte Fahrradroute, an der sich an manchen Stationen auch etwas über die Geschichte der Region lernen lässt. Ideal für Familien, die laut Jürgen Schumann auch einen großen Anteil der Fahrradtouristen stellen. Aber auch Einzelpersonen und Paare fänden sich in dieser Gruppe. Darunter auch sogenannte „Best Ager“ über 50, die gern sportlich aktiv sind. Weil sie überdurchschnittlich zahlungskräftig sind, sind sie eine besonders beliebte Gruppe bei Gastronomen und Touristikern.
Zur Herkunft der Radtouristen sagt Jürgen Schumann: „Viele kommen aus Hamburg und der Umgebung. Aber wir haben auch Gäste aus den übrigen Regionen Deutschlands, zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen.“ Schumann, der selbst Inhaber eines Betriebes in Elmshorn ist, weiß das aus eigener Anschauung: „Man sieht immer mehr Wohnmobile mit Fahrrädern hinten dran. Daran merkt man, dass Menschen aus ganz Deutschland gezielt in diese Region fahren.“ Einige von ihnen seien auf der Durchreise nach Dänemark, blieben aber trotzdem für mehrere Nächte in der Gegend.
Bei dem Verein Holstein Tourismus sieht man den Kreis Pinneberg hingegen eher als „Tagesausflugsregion“, wie Rabea Stahl sagt. Sie ist die Projektleiterin für Marketing in dem Verein, der die Kreise Pinneberg und Steinburg sowie das im Kreis Segeberg gelegene Holsteiner Auenland touristisch bewirbt. Im Itzehoer Büro des Vereins hat man auch ein klares Bild von den zu gewinnenden Kunden: „Unsere Hauptzielgruppe sind die Neugierigen aus Hamburg und dem Umland. Das können Familien sein, Paare und ,Best Ager’.“ Jene „Neugierigen“ ließen sich etwa für einen Ausflug zum Elbmarschenhaus in Haseldorf begeistern, zum Arboretum Ellerhoop oder zum Rosarium Uetersen. Und natürlich sei Willkomm Höft in Wedel traditionell ein wichtiger Anziehungspunkt. „Neugierige sind Menschen, die etwas lernen möchten. Und das ist an diesen Orten möglich, zum Beispiel auf einer Kiebitztour durch die Elbmarsch.“ Um die angepeilte Gruppe zu erreichen, macht der Verein gezielt Werbung, etwa kürzlich auf dem Osterstraßenfest in Hamburg-Eimsbüttel.
Für einen wichtigen touristischen Ort im Kreis Pinneberg ist der Verein nicht zuständig: die Insel Helgoland, die ein eigenes Tourismus-Marketing hat. Martin Linne indes, der dort mehrere Jahre lang Kurdirektor war und auch heute noch Betriebe auf der Insel berät, kennt sich mit der dortigen Situation gut aus. Und die ist ganz anders als im übrigen Kreis: „Die Tagesgastzahlen sind seit Jahren rückläufig. Dafür steigt die Dauer der Übernachtungen an.“ Für den Experten ist das ein Beleg dafür, dass heutzutage andere Gäste als früher nach Helgoland fahren. Nämlich jene, die „gezielt Ruhe suchen und sie auch finden.“ Wellness, also etwa Spaziergänge mit anschließendem Saunagang und Massage, seien auf der Insel ebenfalls gut möglich, entsprechende Angebote seien vorhanden. „In den vergangenen Jahren wurde viel investiert. Und abseits der Hauptwege gibt es auch viele gute Restaurants“, betont er. Der Wellness-Tourist finde mittlerweile auch im Winter auf die Insel, wie die Übernachtungszahlen zeigten.
Gibt es auch Schwächen oder Nachholbedarf im Kreis? „Alleinstellungsmerkmale wie das Arboretum und die Liether Kalkgrube könnte man noch stärker herausstellen“, sagt dazu Martin Linne. Außerdem seien Qualität, Sauberkeit und Freundlichkeit in der Gastronomie wichtige Schlüsselfaktoren. „Das sind Stärken, die man vielleicht sogar noch ausbauen kann.“ Rabea Stahl sieht einen gewissen Nachholbedarf in Sachen Fahrradtourismus. „Wir brauchen mehr Betriebe, die Übernachtungen und gute Bedingungen für Radler bieten.“ Auch Jürgen Schumann will den Radlern noch mehr bieten: „Wir wollen versuchen, die Radwege noch weiter auszubauen, um die Touristen langfristig zu halten.“