Für die Sicherheit der Gasnetze sind die Gasspürer im Kreis Pinneberg unterwegs. So sucht Frank Kleinschmidt Lecks in Gasleitungen. Das Abendblatt begleitet ihn bei seiner Arbeit in Schenefeld.
Schenefeld. Am Himmel ziehen graue Wolken auf. Da braut sich was zusammen. Frank Kleinschmidt muss sich sputen. Er schnallt den orangefarbenen Kasten auf den Rücken und das PC-Tablet vor den Bauch. Nimmt das Spürgerät in die Hand, rollt es über den Gehweg, stoppt, hält es über Schächte und Gullys. Wie ein Schatzsucher läuft er durch die Straßen. Doch er spürt kein Gold auf, sondern undichte Stellen an Gasleitungen.
Frank Kleinschmidt ist Gasspürer und im Auftrag der Schleswig-Holstein Netz AG in Schenefeld unterwegs. Mehr als 300 Kilometer unterirdisch verlaufende Gasleitungen müssen von ihm und seinen Kollegen im gesamten Kreis Pinneberg überprüft werden. Im Kiebitzweg folgt der gelernte Gasanlagenmechaniker der Mitteldruckleitung. Er schreitet gemäßigten Schrittes. „Zu schnell darf ich nicht sein, sonst übersehe ich vielleicht etwas“, sagt der 48-Jährige aus Bremen. Und das könnte fatale Folgen haben, denn Gasgemische können schlimmstenfalls explodieren.
Mit der am Stab geführten Messsonde, die über einen Schlauch mit dem Gasspürgerät auf seinem Rücken verbunden ist, sowie einem Tablet-PC ausgerüstet, macht sich der Gasspürer zu Fuß auf den Weg. Der Rechner zeigt die Lage der Gasleitungen, ob Hoch-, Mittel- oder Niederdruck, genau an, sodass der Gasspürer weiß, wo er sich auf die Suche machen muss. Und er kann darauf ablesen, ob die Leitung aus Stahl oder Polyethylen besteht und aus welchem Jahr sie stammt.
Das Gerät saugt die Luft direkt über dem Boden ab und kann bereits kleinste Mengen Gas in der Luft erkennen. Wenn es einen Schadenshinweis gibt, lokalisiert der Gasspürer den Ursprung des Gases und kann auch feststellen, ob es sich hierbei tatsächlich um austretendes Erdgas handelt – oder beispielsweise um Faulgase aus dem Boden. Ist ein Schaden an einer Erdgasleitung vorhanden, klassifiziert der Experte die Dringlichkeit: Falls nötig sind die beauftragten Rohrnetzkolonnen der Schleswig-Holstein Netz AG innerhalb kürzester Zeit vor Ort, um den Schaden sofort zu beheben.
Kleinschmidt muss gut zu Fuß sein, denn er bekommt Kilometer-Geld. An einem Arbeitstag legt er gut zehn Kilometer zurück. Im Jahr kommt er je nach Einsatzgebiet auf etwa 600 bis 800 Kilometer. Er ist bundesweit im Einsatz, fährt auch bis nach Bayern, wenn es sein muss. Allerdings nur von April bis Oktober. „Bei Regen, Frost und Schnee kann kein Gas gespürt werden“, sagt Kleinschmidt, der diese Arbeit schon seit 30 Jahren macht.
Gasspüren ist kein Ausbildungsberuf. Eine technische Ausbildung und jahrelange Erfahrung sowie das Ablegen einer Prüfung qualifizieren die Kollegen für die sensible Tätigkeit. Das komplette erste Jahr leitet ein erfahrener Spürer den Kollegen an. Da das Gasspüren eine Tätigkeit mit hoher Verantwortung ist – schließlich geht es hierbei um die Sicherheit der Hausanschlüsse und Versorgungsleitungen im Kreis Pinneberg – müssen die Gasspürer ihr Zertifikat regelmäßig durch eine Prüfung auffrischen.
Nicht jeder Bürger versteht die Wichtigkeit. „Manche regen sich schon auf, wenn ich das Messgerät vom Bürgersteig aus auf ihr Grundstück halte“, sagt Kleinschmidt. Dann bleibt er geduldig und erklärt, was er dort eigentlich macht. Nicht immer mit Erfolg. „Einmal stand die Polizei hinter mir. Ein Anwohner hatte sie alarmiert und behauptet, ich wollte Laptops verkaufen.“ Ganz ungefährlich ist der Beruf offensichtlich auch nicht. Eine Radfahrerin reagiert genervt, weil der Gasspürer ihr auf dem Radweg in die Quere kommt. Doch gerade an den Kanten zwischen Asphalt und Gehwegplatten kann sich Gas den Weg an die Oberfläche bahnen. „Die Beschaffenheit des Bodens ist wichtig“, sagt Kleinschmidt. Bei Sandboden steigt Gas gerade hoch, unter Asphalt breitet es sich aus. Da sich Gas in Hohlräumen sammelt, bezieht Kleinschmidt Postschächte und Abwasserkanäle in seine Messung ein.
Hin und wieder führt eine Leitung unter der Fahrbahn durch. „Belebte Straßen und Kreuzungen messen wir zu zweit und dann tragen wir Warnwesten“, sagt Kleinschmidt. Über einem Gullydeckel schlägt das Gerät plötzlich an und piept schrill. „15 ppm. Vermutlich Faulgase“, sagt er. Die Abkürzung ppm steht für parts per million, also Teile pro Million, ein in der Gasspürtechnik gebräuchlicher Wert für kleinste Mengen. Ein ppm ist die Menge eines Kubikzentimeters Gas in einem Kubikmeter Luft. 15 ppm gelten als unkritisch. Erst ab einem Volumenprozent besteht Handlungsbedarf. Dennoch wird Kleinschmidt später noch einmal mit einem Gasmessgerät zurückkehren und die Ethanprobe machen. „Faulgas fehlt die für Erdgas übliche Komponente Ethan “, sagt der Experte.
Nicht immer verläuft sein Arbeitstag so ruhig wie diesmal in Schenefeld. Vor drei Jahren löste Kleinschmidt in Hamburg an der Langen Reihe einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr aus, weil er ein Gasleck aufspürte. „Fünf Häuser mussten innerhalb kürzester Zeit evakuiert werden“, sagt er. Restaurantbesucher mussten ihr Essen stehenlassen. „Das hatte schon etwas von Geisterstadt.“