Wegen zu hoher Gebühren, die die Stadt Uetersen erhoben haben soll, klagen Bürger gegen die Verwaltung. Im Juni sollte der Prozess beginnen. Nun ist er abgesagt. Die Kläger sind sauer.
Uetersen. Es ist ein Streit, der seit Jahren geführt wird und der zu keinem Ende kommt. Bürger contra Stadt. Es geht um Geld – für einige in der Stadt gehe es angeblich um mindestens fünfstellige Summen. Der Vorwurf gegenüber der Stadt ist nicht gering: Die Stadtverwaltung soll seit 2008 beständig und rechtswidrig zu hohe Gebühren für die Entsorgung des Niederschlagswassers von Bürgern und Betrieben eingezogen haben. Etliche Betroffene haben jahrelang Einsprüche gegen die Gebührenbescheide der Stadt eingelegt und sie haben eine Klage gegen die Stadt angestrebt. Im Juni sollte am Oberverwaltungsgericht in Schleswig verhandelt werden. Dann sollte Klarheit herrschen, ob die Bürger einen guten Teil der gezahlten Beiträge zurückbekommen oder nicht. Der seit Monaten feststehende Termin ist nun kurzfristig abgesagt worden.
Der Grund für die Absage wirkt kurios. Der Anwalt, der die Stadt Uetersen in der Angelegenheit vertritt, müsse just am Tag der Verhandlungen dringend zu einer Tagung von Fachanwälten nach Frankfurt. Die Uetersener Heinz Pidun und Ulf Lüders und auch der FDP-Ratsherr Rolf Maßow, die zu den Klägern gegen die Stadt gehören, sehen darin eine absichtliche Hinhaltetaktik, so wie sie von der Stadt schon seit Jahren betrieben werde. „Das ganze zieht sich schon lange hin. Die Verwaltung und die Bürgermeisterin versuchen es kleinzureden, es hinauszuzögern“, sagt Maßow. Hauptsache, die Stadt müsse nicht zahlen. „Ein Vertrauen in die Politik und die Verwaltung gibt es nicht mehr“, sagt auch Pidun. „Die Stadt tut seit Jahren so, als wenn sie das alles gar nichts angeht. Und die Politik gibt klein bei. Dabei ist es ein Wahnsinnsfehler, der der Stadt da unterlaufen ist.“
Worum geht es im Detail? Für das Niederschlagswasser zahlen alle Bürger und Unternehmen Gebühren, damit das Wasser entsorgt wird. Nur Grundstücke mit eigenen Sickergruben sind davon ausgenommen. Das Geld nimmt die Stadt mittels eines Satzungsbescheides ein, der die Gebührenerhebung erlaubt. Im Fall von Uetersen ist die Sache allerdings verzwickt. Denn deren Satzung ist nach Ansicht einiger Juristen nicht rechtskonform. Dies unter anderem deshalb, weil die Uetersener für die Entsorgung des Wassers aus dem Heidgraben mit bezahlen müssen und diese Wassermengen und die daraus resultierenden Kosten nicht speziell aufgeschlüsselt sind.
Die Crux: Ein Teil der Flächen gehört zur angrenzenden Gemeinde Heidgraben. Die Kläger argumentieren, dass sie die Entsorgungskosten, die die Heidgrabener tragen müssten, stellvertretend berappen würden. Das sei nicht in Ordnung. Infolge dessen sei der Heidgraben in der Niederschlagswassersatzung nicht rechtskonform ausgewiesen. Somit sei die Satzung insgesamt rechtlich unwirksam und die Erhebung der Gebühren nicht mit dem Kommunalen Abgabengesetz vereinbar.
Gegen die von der Stadt erhobenen Gebühren hatte zunächst der im Jahr 2008 abgewählte Bürgermeister Wolfgang Wiech 2010 Klage erhoben. Zu einem Urteil kam es nicht. Am Verwaltungsgericht wurde im Sommer 2012 ein Vergleich ausgehandelt. Wiech bekam sein Geld zurück – alle anderen Uetersener aber nicht.
„Das Gericht hatte damals der Stadt empfohlen, ihre Satzung in Ordnung zu bringen. Das hätte das Gericht nicht gemacht, wenn die Satzung rechtlich einwandfrei wäre“, sagt Ulf Lüders, der ehemals Erster Stadtrat in Uetersen gewesen ist. Weil die Stadt dem Kläger das Geld zurückgezahlt hat, habe sie faktisch selbst eingestanden, dass die Satzung so nicht in Ordnung sei. Alle Bürger müssten daher zu viel gezahltes Geld zurückbekommen. „Die Verwaltung hat sich aber bis heute nicht bewegt“, klagt Lüders.
Das sieht die Stadt anders. „Wir gehen davon aus, dass unsere Satzung rechtskonform ist“, sagt Amtsleiterin Bettina Horn. Die Stadt hat 2012 den Juristen Arno Witt als Fachanwalt eingeschaltet, der die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung prüfen sollte. Sein Fazit: Die Satzung der Stadt sei zwar problembehaftet und die Stadt könne gegen Heidgraben eine Klage anstrengen, damit diese einen Teil der Kosten übernehme, sofern sie nicht von sich aus dazu bereit wäre, die Gebührensatzung sei aber nicht per se rechtswidrig. Ende 2012 erklärte daraufhin Bürgermeisterin Andrea Hansen im Hauptausschuss gegenüber den Fraktionen, dass die Satzung aus Sicht der Stadt „nicht rechtswidrig“ sei.
Der Uetersener Rechtsanwalt Gerd-Ulrich Mathias kommt zu einem anderen Ergebnis. Die Erklärung der Bürgermeisterin habe in einem „deutlich erkennbaren Gegensatz“ zu einem vorherigen Schreiben des von der Stadt eingeschalteten Fachanwalts gestanden. Er spricht von „eklatanten Verstößen gegen Recht und Gesetz“, die Politik und Verwaltung begehen würden. FDP-Ratsherr Rolf Maßow sieht das identisch. Er hatte im Hauptausschuss mehrfach auf die verkorkste Rechtslage hingewiesen und korrigierende Maßnahmen gefordert. Ernst genommen wurden seine Bedenken im Rat nicht. Im Gegenteil: Er wurde angefeindet und SPD, CDU und BfB schlossen sich der Meinung der Bürgermeisterin an. Für Maßow ist das bis heute unbegreiflich. Er hat daher mit 16 weiteren Bürgern Klage gegen die Stadt erhoben. „Deswegen stehen wir nun vor Gericht, warten wir also ab, wie dieses entscheidet“, sagt Amtsleiterin Horn.
Die Aufregung sei ohnehin überzogen, denn es gehe, so die Stadt und mehrere Ratspolitiker, letztlich nur um Peanuts. SPD-Fraktionschef Ingo Struve erklärte im Hauptausschuss, dass es doch nur um wenige Cent pro Bürger gehe. Auch die Stadt ist der Ansicht, dass es sich gemäß einem vorläufigen Berechnungsstand „um lediglich 30.000 Euro für das gesamte Stadtgebiet“ handle. Die zu viel gezahlten Beträge seien den Bürgern bei der Gebührenkalkulation 2013 zudem bereits gutgeschrieben worden, so Amtsleiterin Horn. Außerdem lägen die Gesamtabgaben für das Niederschlagswasser bei etwa 1,2 Millionen Euro. Die 30.000 Euro, die zu viel gezahlt worden seien, würden nur 2,4 Prozent der Gesamtabgaben betragen. Damit falle die Summe „unter die von der Rechtsprechung genannte Bagatellgrenze von drei Prozent“. Eine solche Abweichung sei also hinzunehmen.
Pidun und Lüders sehen das völlig anders. „Ich habe 228 Euro gezahlt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass ich mehr als die Hälfte des Geldes zurückbekomme. Es gibt Unternehmen, die mehr als 10.000 Euro pro Jahr zahlen. Das ist keine Kleinigkeit“, sagt Pidun, ehemals Prokurist bei Voss-Chemie in Uetersen. Die Stadt würde es sich mit den 30.000 Euro schön rechnen. Auch Lüders sagt, dass die strittige Summe ein bis zu fünfstelliger Betrag pro Anwohner oder Unternehmen sein könnte. „Das würde die Stadt finanziell dann hart treffen“, sagt er.
Die Kläger vermuten daher, dass die Stadt den Gerichtstermin absichtlich verschleppe, doch das sei, so Horn, definitiv nicht zutreffend. „Wir waren selbst davon ausgegangen, dass der Gerichtstermin dennoch stattfindet“, sagt sie. Nun müssen beide Seiten weiter warten. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig erklärte gegenüber dem Abendblatt, dass nicht vor September mit einem neuen Verhandlungstermin zu rechnen ist. „Wir brauchen das Urteil. Dann wird die Stadt endlich zu politischem Handeln gezwungen“, sagt Maßow.