In Hetlingen gibt es endlich wieder einen Tante-Emma-Laden mit Café und Bürgertreff. Zur Eröffnung des Dorfladens kam auch Liedermacher Rolf Zuckowski.
Hetlingen. Bevor Birgit Zimmer und ihre Familie sich entschlossen, von Hamburg nach Hetlingen zu ziehen, hatten sie sich über das Bandreißerdorf in der Haseldorfer Marsch schlau gemacht. „Eine zerstrittene Gemeinschaft wäre für uns nicht in Frage gekommen“, sagt sie. Die Internetseite der Gemeinde, auf der sich alle Initiativen und Vereine präsentieren, überzeugte sie jedoch sofort. Hier, wo sich die Menschen gemeinsam engagieren, wollten sie leben. Vor zweieinhalb Jahren zogen die Zimmers nach Hetlingen.
Dort schloss sich Birgit Zimmer der Projektgruppe „Marschtreff“ an, die für einen Dorfladen in der 1300-Seelen-Gemeinde kämpfte. Der lange Atem hat sich für die Hetlinger ausgezahlt. Am Sonnabend wurde die Kombination aus Tante-Emma-Laden mit Café und Bürgertreff feierlich eingeweiht. „Damit gewinnen wir ein Stück Lebensqualität im Dorf“, sagt Zimmer, die Vorsitzende im Aufsichtsrat der Genossenschaft ist.
Der Marschtreff ist zunächst Donnerstag und Freitag zwischen 15 und 21 Uhr und Sonnabend und Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet. Etwa 200 Hetlinger feierten bei Kaffee und Kuchen die Eröffnung ihres Marschtreffs. Rolf Zuckowski sang mit dem Elbkinderchor „Wir hier an der Elbe“, den Titelsong der Liedersammlung „Elbkinder“. Der Musiker, der ein Wochenendhaus in Hetlingen besitzt, ist begeistert von dem Engagement der Gemeinde: „Hier geht viel, weil viel angepackt wird.“
Der Marschtreff soll ein kleiner Treffpunkt sein, wo die Gemeindemitglieder Gemeinsamkeiten suchen und finden können, so Zuckowski. Er sei sehr traurig gewesen, als der letzte Krämerladen vor ein paar Jahren schloss. Umso mehr freue er sich nun über den Marschtreff, bei dem er „sehr gern Genosse geworden“ ist. Das alles sei nur mit Ehrenamtlichen möglich, die nicht auf Reibach abzielten.
Auf Vertrauen basiert zum Beispiel der Büchertausch. Jeder, der ein Buch dalässt, darf sich ein anderes mitnehmen, ohne kontrolliert zu werden. Gesellschaftsspiele kommen noch dazu, mit denen sich Bürger vor Ort beschäftigen können. An der Wand hängen Bilder der Hetlinger Künstlerin Ute Farr. Es gibt eine kleine Küche. Im Nebenraum liegen Lebensmittel in den Regalen, falls jemand beim Großeinkauf etwas vergessen hat. „Mit diesem Tante-Emma-Laden erfülle ich mir auch einen Traum“, sagt Robert Wieber, der dem fünfköpfigen Vorstand der Genossenschaft angehört. Der 49-Jährige hat im Einzelhandel gelernt und wollte schon immer einen eigenen Laden führen. Nun kann er das Sortiment im Marschtreff gestalten. Den Grundstock aus Getränken, Knabberzeug und Grundnahrungsmitteln haben Großhändler der Region ihm zum Teil auf Kommission überlassen. Ein Teil der Waren kommt vom Ökoservice aus Holm.
Jeder kann eine Einlage in die Genossenschaft einbringen, die später eine Dividende abwerfen soll. Es können Anteile in 50-Euro-Schritten erworben werden. Fast 40 aktive Genossen teilen sich Aufgaben wie Buchhaltung, Waren verkaufen, Lager nachfüllen, Pressearbeit, Kuchen backen. Einige Anwohner spendeten Möbel, andere packten bei den umfangreichen Renovierungsarbeiten mit an – alles ehrenamtlich. Und um keine Konkurrenz zu vorhandenen Angeboten im Dorf zu schaffen. Deswegen suchen die Initiatoren auch den Austausch mit lokalen Anbietern. Mit dem Dorfkrug „Op de Deel“ besteht bereits eine Kooperation.
Der Marschtreff verleiht auch zwei E-Bikes, die von den Stadtwerken in Wedel zur Verfügung gestellt werden. Zwei weitere Elektroräder sind bei „Op de Deel“ erhältlich. Dank einer speziell entwickelten Software kann der Radler sich ohne vorherige Registrierung nach Vorlage des Personalausweises eines der sogenannten Wedelecs ausleihen.
Eine Stunde kostet 2,50 Euro, vier Stunden kosten acht Euro. Es kann auch den ganzen Tag für 18 Euro oder eine Woche für 55 Euro genutzt werden. „Das Fahrrad muss dort abgegeben werden, wo es ausgeliehen wurde“, sagt Heike Witzel, Projektleiterin bei den Stadtwerken Wedel. In Ausnahmefällen kann ein anderer Abgabeort vereinbart werden. Am Sonnabend konnten Besucher die Elektroräder kostenlos testen.
Für den Marschtreff hatte es noch Anfang des Jahres nicht gut ausgesehen, die Idee stand vor dem Aus. Der Plan, einen kleinen Shop mit Café in Räumen der Raiffeisenbank zu eröffnen, war gescheitert. Es fehlte schlichtweg an Platz. Rusta Mizani war gerade erst in das Haus an der Hauptstraße gezogen. Zu seinem Anwesen gehörte der leerstehende Anbau, in dem früher das kleine Geschäft „Schatzkiste“ mit Post und zuletzt der Friseur „Schnitt Schnack" waren. Kurzerhand bot der Filmproduzent die 60 Quadratmeter Fläche an – fürs erste sogar mietfrei.